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Kommentar zu Obamas Rede zur NationOffensiv gegen die Republikaner

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Politisch kann der US-Präsident nichts mehr verändern. Also sagte er, was er denkt und ging die Konservativen frontal an.

Kämpferisch und ohne große Kompromissbereitschaft: Barack Obama bei seiner Rede zur Lage der Nation 2015. Bild: reuters

K einen Millimeter ist US-Präsident Barack Obama in seiner Rede zur Lage der Nation in der Nacht zum Mittwoch auf die Republikaner zugegangen.

Obama weiß, dass die republikanische Mehrheit keinen einzigen seiner Vorschläge, etwa zu einer höheren Besteuerung der Gutverdiener, zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder zur Aufhebung der Studiengebühren für bestimmte Studenten an den öffentlichen finanzierten Community Colleges verabschieden wird. Und doch hat er eine kämpferische Rede gehalten, hat seine eigenen Errungenschaften verteidigt und wiederum eine größere Verantwortung des Staates für das Wohlergehen der Mittelschicht angemahnt.

Er hat vom Klimaschutz gesprochen und von seiner Bereitschaft, jeden Versuch der Republikaner, die Gesundheitsreform zurückzudrehen, per Veto zu stoppen.

Retrospektiv wirkt das alles vollkommen verrückt. Als Obama demokratische Kongressmehrheiten hatte, versuchte er sich im Kompromiss mit den Republikanern und scheiterte. Jetzt, da diese Mehrheiten verloren sind, geht er die Konservativen frontal an.

Andersherum wäre besser gewesen. Doch die Erklärung scheint recht simpel: Obama konnte zu Recht vermuten, dass der konservative Flügel seiner eigenen Partei eine zu liberale Agenda nicht mitgetragen hätte – und hatte in seiner ersten Amtszeit, wo es noch um eine Wiederwahl ging, nicht die Traute zur Offensive. Jetzt, vor seinen letzten zwei Jahren im Weißen Haus, ist das vollkommen egal. Anders gesagt: Wenn er eh nichts mehr umsetzen kann, kann er auch einfach sagen, was er denkt.

Für die Regierungsfähigkeit der USA heißt das zunächst einmal: Nichts wird sich verändern. Obama hat mit der Verordnung zur Migrationspolitik, die einigen Millionen Papierloser Schutz vor Deportation gewährt, einen Pflock eingeschlagen, er hat die Wende der Kubapolitik eingeleitet, er besteht auf dem Fortgang der Verhandlungen mit dem Iran und will neue Sanktionen gegen das Land verhindern. Da kann er noch etwas bewegen, um in die Geschichte einzugehen.

Was Steuerpolitik und dringend notwendige Investitionen in Bildung und Infrastruktur angeht, wird er genauso scheitern wie in den Jahren zuvor – in diesen Punkten wird er der Präsident bleiben, der Recht hatte. Das ist ein bisschen so – wenn das deutsche Wahlsystem das zuließe -, als wäre Navid Kermani Bundeskanzler, aber die Pegida hätte die Mehrheit im Bundestag.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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2 Kommentare

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  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ein Scherbenhaufen, den Obama hinterlässt. Mir wird echt angst und bang.

    Die Republikaner verurteilen den Papst als linken Marxisten, weil der ein wenig Umweltbewusstsein einfordern wird, die Republikaner laden einfach Netanjahu ein, daß der eine Wahlkampfrede halten kann, mit dem Ziel, weitere Sanktionen gegen Iran zu fordern. Das IS-Problem steuert auf gar keine Lösung zu. Die unseligen Abkommen TTIP und CETA schweben immer noch über uns (Indiens Pharmaindustrie wird demnächst durch amerikanische Klagen in die Knie gezwungen). Die Amerikaner sprechen sich mehrheitlich für Folter aus, CIA-Folter wird vielleicht nicht mehr aufgearbeitet, über die schießwütigen weißen Polizisten hört man nichts mehr. Obama spricht sich gegen Internetverschlüsselung aus. NSA nimmt nochmal einen Schluck aus der Pulle. Obama berichtet voller Stolz, daß er Russlands Wirtschaft in Trümmer gelegt hat. Eine schreckliche Zeit mit einer sehr lahmen Ente.

  • Barack Obama hat das Problem, einerseits an die Terrorgefahr durch den Islamismus zu glauben, andererseits ist dem amerikanischen Denken verhaftet, wie er es mit seiner Unterstützung von TTIP demonstriert. Diese Inkonsistenzen lassen ihn schwach erscheinen, ansonsten hat er genau das umgesetzt, was er zu seiner Wahl versprochen hatte. Die Kritik an seiner Politik war vor allem die Kritik seiner Gegner.

     

    Hat er versucht Guantanamo zu schließen? Natürlich hat er das. Eigentlich war es das Gesundheitsprogramm der Clintons, das wir heute unter Obama-Care kennen. Die Kompromisse, die er hier schließen musste, ergaben sich aus den Gremien. Hier ist der Präsident nur ein Rädchen im Getriebe.

     

    Die anderen Punkte seiner Regierungszeit sind der Umgang mit dem Rekorddefizit, das ihm Vorgänger Bush hinterlassen hatte kombiniert mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise. Wie soll er Geschenke verteilen, wenn die Kasse leer ist? Dazu sollten Rüstungsprogramme gekürzt werden. Gorbatschow hat das getan, mit verheerenden Wirkung für Russland. Obama hat versucht, die Kosten zu begrenzen, OHNE die Wirtschaft im Militärisch-Industriellen Komplex abzuwürgen. Seine Anhängerschaft hat das als Verrat gewertet.

     

    Einfache Gesetze, wie die gegen Waffenmissbrauch, wurden von der Waffenlobby mit derartiger Vehemenz und lang anhaltenden Widerstand bekämpft worden, wie es von Europa aus betrachtet, nur schwer verständlich ist. Der Stimmungsmache, die eine konservative Medienmehrheit entfacht, kann man sich nur schwer entziehen.

     

    Jetzt erleben wir wieder den wahren Obama. Merkel ist ihm mehr als einmal in den Rücken gefallen. Hätte Deutschland nur 3, in Worten drei als unbedenklich eingestufte Insassen Guantanamos aufgenommen, die Geschichte wäre anders verlaufen.

     

    Hoffen wir, dass Obama sich mit Havanna einigt. Allein dafür hätte er den Friedens-Nobelpreis verdient.