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Oppositionchefs im Streitgespräch„Wir waren nicht nur Mitläufer"

Bisher ist die Opposition aus Grünen, Linken und Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus blass geblieben. Das soll sich nun, eineinhalb Jahre vor der Wahl, endlich ändern.

Hier sitzen sie und reden: Opposition (links und rechts) und Regierungskoalition (mitte). Bild: dpa
Bert Schulz
Interview von Bert Schulz und Stefan Alberti

taz: Frau Pop, Herr Wolf und Herr Delius, wir sind im zweiten Monat nach Klaus Wowereit. War dessen Abgang eigentlich ein Erfolg der Opposition?

Ramona Pop: Klaus Wowereit hat sich mit dem dauerhaften Misserfolg des BER politisch selber ins Aus geschossen. Man muss auch feststellen, dass der gemeinsame Misstrauensantrag der Opposition vor gut zwei Jahren der Anfang vom Ende gewesen ist. Seitdem hatte er keine Perspektive mehr, dass es für ihn wieder gut würde.

Manche sagen, dass gerade dieser Antrag die Reihen der SPD wieder geschlossen hat, dass ihn seine eigenen Leute sonst schon damals abgesetzt hätten.

Udo Wolf: Ich glaube, Klaus Wowereit hätte weitergemacht, wenn er eine Chance gesehen hätte, mit dieser Koalition …

Pop: … und mit seiner Partei…

Wolf: …noch einen Erfolg erzielen zu können, auch für sich persönlich. Nachdem aber im Sommer klar war, dass auch die eigene Partei von der Fahne geht, hat er sich entschieden, sich das nicht weiter anzutun. Dafür habe ich auch volles Verständnis.

Wir haben uns entschieden, dieses Gespräch harmonisch zu beginnen und würden uns wünschen, dass Sie Ihre Kollegen einfach mal loben. Frau Pop, was hat die Linksfraktion besonders gut gemacht?

Pop: Positiv waren die vielen Initiativen, die wir gemeinsam gemacht haben: angefangen bei den Fragen zur Personalpolitik des Landes, über ein neues Naturschutzgesetz bis hin zu einem Wohnungs- und mietenpolitischen Konzept. Da haben wir geschlossen argumentiert und den Senat angetrieben.

Im Interview: Ramona Pop

37, führt zusammen mit Antje Kapek die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Sie ist seit 1997 Mitglied der einstigen Ökopartei, saß im Bundesvorstand der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend und sitzt seit 2001 im Abgeordnetenhaus. Seit 2009 leitet sie die Fraktion, damals zusammen mit Volker Ratzmann.

Herr Wolf, wo waren die Piraten richtig gut?

Wolf: Bei Bürgerrechten und zur Reform der Volksgesetzgebung haben wir gemeinsam eine ganze Reihe von Initiativen angeschoben. Wir sind – auch von sehr unterschiedlichen Zugängen aus – zu gemeinsamem Positionierungen gegenüber der Koalition gekommen. Das hat sich zuletzt bei der Regierungserklärung und der Forderung für einen Nachtragshaushalt gezeigt. Da geht es um den Umgang mit ungeplanten Überschüssen im Haushalt – ein Thema, bei dem es wesentlich mehr Gemeinsamkeiten in der Opposition gibt als in der Koalition.

Wollen Sie noch die Grünen loben, Herr Delius?

Martin Delius: Beim Engagement zum Volksentscheid Tempelhofer Feld haben die Grünen sich auf jeden Fall ein Lob verdient.

Wobei: Gerade beim Tempelhofer Feld gab es keine gemeinsame Oppositionslinie.

Pop: Das sehe ich anders. Uns war gemeinsam klar, dass die Art von Bürgerbeteiligung, die der Senat vorgaukelte, keine echte war. Es gab ja einen gemeinsamen Nenner: die Kritik, dass die Bebauungspläne des Senats inklusive Neubau der Zentral- und Landesbibliothek in Stein gemeißelt waren. Auch die Aussage des Senats, dass sich durch diese Bebauung etwas an der Mietproblematik in der Stadt ändern würde, ist von uns allen drei in Zweifel gezogen worden.

Im Interview: Udo Wolf

53, ist Fraktionschef der Linkspartei. Seit 2001 sitzt der Publizist, der Politikwissenschaften studiert hat, im Abgeordnetenhaus. Von 2001 bis 2011 haben Linke und SPD in Berlin zusammen regiert

So wie Sie sich jetzt gerade darstellen, klingt das wie die linke Volksfront, die sich nach der Wahl 2011 und den gescheiterten rot-grünen Koalitionsverhandlungen viele gewünscht haben.

Delius: Hat ’ne Weile gedauert.

Kann man wohl sagen. Und wenn man noch mal das Beispiel Tempelhofer Feld nimmt: Am Ende sprachen alle vom Sieg des Volkes und keiner vom Sieg der Opposition.

Delius: Völlig zu Recht! Wir waren am Ende ja nur mehr Mitläufer der breiten Bevölkerungsschichten und Initiativen, die längst Konzepte und Alternativen diskutiert haben. Das Volksgesetz, das bei der Abstimmung beschlossen wurde, stammte nicht aus der Opposition, und darum ist es auch völlig richtig, nicht von einem Sieg der Opposition zu reden.

Im Interview: Martin Delius

30, führt gemeinsam mit Alexander Spies die Piratenfraktion. Er zog - wie alle Piratenabgeordneten - im Jahr 2011 erstmals ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Im Mai 2014 folgte Delius als Fraktionschef auf Oliver Höfinghoff. Delius leitet zudem den BER-Untersuchungsausschuss, der die Planungspannen am geplanten Großflughafen aufklären soll.

Wolf: Einspruch! Wir waren nicht nur Mitläufer. Wir haben sehr ernsthaft unsere Aufgabe der politischen Willensbildung wahrgenommen, indem wir mit eigenen Positionen und durchaus unterschiedlichen Akzentuierungen in die Diskussion hineingegangen sind.

Als da wären?

Wolf: Wenn wir die soziale Frage beim Tempelhofer Feld nicht thematisiert hätten – nutzen die Neubaupläne tatsächlich etwas oder verschärfen sie die Situation durch steigende Mieten nicht eher? –, hätte das Ergebnis auch anders ausgehen können.

Pop: Tempelhof war ein Signal, dass es in Berlin eine selbstbewusste Stadtgesellschaft gibt, die sich auch einmischt. Jetzt merken SPD und CDU so langsam, dass die Menschen mitreden und mitbestimmen wollen.

Verliert die Opposition durch die Stärkung dieser Stadtgesellschaft an Bedeutung?

Delius: Auf keinen Fall. Es gilt ja weiter, was Udo Wolf gerade gesagt hat: Wir müssen im parlamentarischen Umfeld das reinmoderieren, wozu die Regierungsfraktionen nicht willens oder nicht in der Lage sind. Das kann ja nicht im luftleeren Raum erfolgen, und es soll je nicht jedes Mal so eskalieren, dass es zu einem Volksentscheid mit einer Ja-Nein-Frage kommt.

Man könnte auch sagen, dass die Stadtgesellschaft nur stark werden konnte, weil die Opposition schwach war und ihren Job nicht gemacht hat.

Wolf: Für diese These gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg. Ich könnte in gleicher Weise das Gegenteil behaupten: Ohne die intensive Arbeit der Opposition und das Thematisieren von Fehlentwicklungen in der Stadt hätte die Zivilgesellschaft gar nicht den Ansatzpunkt zu initiieren. Das eine ist genauso wenig belegbar wie das andere.

Die Opposition

Seit der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2011 besteht die Opposition aus tendenziell linken Fraktionen: Die Grünen verfügen über 29 Sitze, die Linkspartei über 19, die Piraten über 15. Die rot-schwarze Koalition hat mit zusammen 85 Sitzen zehn Mandate mehr als die absolute Mehrheit - ein Abgeordneter ist fraktionslos. Gegen die "Lex Olympia" macht die Opposition mobil. Grüne, Linke und Piraten bemängeln, dass der Senat damit einerseits die Chance vertue, Bürger künftig generell über Großprojekte abstimmen zu lassen. Andererseits befürchten sie stattdessen "Volksentscheide von oben". Die rechtspolitischen Sprecher der Oppositionsparteien Dirk Behrendt (Grünen), Klaus Lederer (Linke) und Simon Weiß (Piraten) stellen heute im Abgeordnetenhaus einen eigenen Vorschlag vor, der "eine verfassungskonforme Abstimmung über Olympia und zugleich mehr Demokratie ermöglicht".

Was ist denn belegbar?

Wolf: Dass wir als Opposition unter schwierigen Umständen ganz gut funktionieren.

Welche schwierigen Umstände?

Wolf: Die Regierungskoalition hat einen großen, wenn nicht den größten Teil des medialen Interesses durch ihren internen Dauerstreit absorbiert. Die Diskussion über Klaus Wowereits Erbe hat doch ein Vierteljahr verhindert, dass wir mit der Koalition über Inhalte von Politik reden konnten.

Delius: Ein halbes Jahr!

Wolf: Stimmt, eigentlich sogar ein halbes Jahr. Im Parlament haben wir versucht, die Personalentwicklung in der Berliner Verwaltung zu diskutieren – ein zentrales Thema. Das hat gemessen an der Personalentwicklung in der SPD wenig Aufmerksamkeit gefunden. Auf den Punkt gebracht: Je mehr Streit in der Koalition, desto mehr wird von den wahren Problemen in der Stadt abgelenkt.

Ramona Pop, Fraktionschefin der Grünen. Bild: dpa

Dann müsste Ihnen ja an einer guten und funktionierenden Regierung gelegen sein.

Pop: Das ist uns ja auch, weil wir ja nicht nur Grüne, Linke und Piraten sind, sondern in erster Linie Berlinerinnen und Berliner. Aber wir haben sie nun mal nicht, diese gute Regierung. Die Koalition schafft es nicht, irgendwas umzusetzen – und 2016 steht schon die Wahl vor der Tür. Das Zeitfenster, noch gestalten zu können, schließt sich. Man kann sagen, dass diese Wahlperiode halbwegs verloren war für die Stadt in den Fragen Investitionen und Wohnungspolitik.

Delius: Fast schon verloren? Es lässt sich maximal noch etwas anstoßen, wirklich erledigen aber nicht.

Die Aspekte, die Sie, Frau Pop, gerade angesprochen haben, lagen alle im Verantwortungsbereich von Herrn Müller – der ist heute der Regierende Bürgermeister.

Pop: Die Erwartungen an ihn sind hoch, und es gibt keinen feindseligen Finanzsenator mehr als Vorwand, wenn die Ankündigungen nicht umgesetzt werden.

Delius: Und: Nutzt Müller seine Richtlinienkompetenz, was diese Fragen angeht? Ich habe nicht den Eindruck. Ich glaube eher, dass er seinen Nachfolger Andreas Geisel bei Problemen vorschiebt, die er selbst nicht gelöst hat.

Udo Wolf, Fraktionschef der Linken. Bild: dpa

Wolf: Diese Koalition kann sich auf nichts mehr einigen außer auf Großprojekte, die eine Gemeinsamkeit und Aufbruchsstimmung suggerieren sollen: Olympia oder der Ringschluss der A 100. Doch zum Klein-Klein, um das sich Michael Müller so sehr kümmern will, kann er nichts Konkretes vorlegen, weil da mit der CDU keine Einigkeit herrscht. So agiert der Senat völlig konzeptlos bei der Flüchtlingspolitik. Das führt zu rassistischen Ressentiments, nicht nur von Nazis, sondern auch aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft.

Delius: Wir als Opposition müssen klarmachen, dass das vor allem ein Problem der ideologischen Ausrichtung der CDU ist. Der CDU-Sozialsenator liefert keine Prognosen, sodass die Schulverwaltung nicht in der Lage ist, ein Personal- und Betreuungskonzept zu entwickeln. Dieses Vorgehen ist teilweise gewollt, weil man nicht auf Integration setzt, sondern hofft, dass diese Menschen schnell wieder verschwinden. Das haben wir ja auch bei den Oranienplatz-Flüchtlingen gesehen.

Pop: Die Frage, wie Berlin mit Menschen umgeht, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, ist eine Sache des gesamten Senats. Und ich hätte es gut gefunden, wenn der Regierende Bürgermeister einen Flüchtlingsgipfel einberufen hätte, um nicht nur die Frage der Unterbringung, sondern auch die Fragen von Schule, Ausbildung und Arbeit für Flüchtlinge zu lösen. Da hat Müller leider eine Chance verpasst.

Wenn die Bilanz von Rot-Schwarz so verheerend ist, wie Sie sagen: Wieso ist die Koalition dann nicht im Umfragen unten durch und warum liegen Sie jetzt nicht alle bei 30 Prozent? Stattdessen steht die Linkspartei so schlecht da wie seit eineinhalb Jahren nicht, und die Piraten würden nicht mehr ins Parlament kommen.

Delius: Dafür gibt es Gründe, die ganz wenig mit der Fraktion und der Arbeit im Abgeordnetenhaus zu tun haben. Im Gegenteil, das ist in der Partei zu suchen.

Wolf: Wenn Umfragen allein ein richtiges Bild zeichnen würden, dann hätten die letzten Wahlen ganz anders ausgehen müssen. Gleichwohl ist es so, dass es in der Stadt eine Mehrheit links von der Union gibt, die die SPD nicht bereit ist zu nutzen.

Martin Delius, Fraktionschef der Piraten. Bild: dpa

Pop: SPD und CDU sorgen sich schon, ob sie überhaupt jeweils 25 Prozent bei der nächsten Wahl bekommen. Für die Grünen bin ich zufrieden, dass wir uns in Berlin um die 20 Prozent stabilisiert haben. Und ich prognostiziere: Wenn die Wahl wirklich vor der Tür steht, gucken die Leute genauer hin, wie die Bilanz von Rot-Schwarz tatsächlich aussieht.

Lassen Sie uns in die Zukunft blicken. Wahrscheinlich kommt eine weitere Abstimmung auf die Berliner zu, nun zu Olympia. Die Ausgangslage ist ähnlich wie beim Volksentscheid Tempelhof: Der Senat will die Spiele, es gibt mit NOlympia außerparlamentarische Opposition, die Opposition im Parlament ist in ihrer Meinung gespalten. Gibt es irgendeine Gemeinsamkeit bei Ihnen?

Delius: Wir sind uns zum einen einig, dass es überhaupt eine Befragung geben soll …

die ja nun kommt!

Delius: ... und dass sie verbindlich sein muss.

Darauf hat sich doch Innensenator Henkel für den gesamten Senat eindeutig festgelegt.

Delius: Ich bleibe dabei: Es ist kein verfassungsgemäßes Verfahren, es ist ein Verschaukeln der Bevölkerung.

Wolf: Es muss dazu eine verfassungsgemäße Volksabstimmung geben. Deshalb haben wir drei gemeinsam als Opposition einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Mehr Mitbestimmung soll nicht nur für Olympia, sondern für alle künftigen Großprojekte gelten.

Den Berlinern kommt es doch darauf an, dass sie mitreden und abstimmen dürfen und dass das Ergebnis dann gilt, egal ob das in der Verfassung steht oder nicht. Mit irgendwelchen Verfahrensfragen können Sie da doch nicht punkten.

Wolf: Es geht mir nicht darum, einfach nur zu punkten. Die Verfassung ist mir ganz unabhängig davon wichtig. Das ist eine Prinzipienfrage.

Pop: Genau. Ein Senat kann nicht einfach, wenn es ihm passt, eine Volksbefragung ansetzen. Dafür muss es allgemeine und verbindliche Regeln geben. Und wenn der Senat schon so ein Hilfskonstrukt bemüht, dann muss man das Verfahren mindestens für EU-Bürger öffnen und für Jugendliche ab 16 Jahren, die von solchen großen Entscheidungen genauso betroffen sind. Innensenator Henkel hat sich jedoch für die schmalspurigste Variante entschieden, die es gibt.

Warum?

Pop: Das müssen Sie ihn fragen. Es drängt sich aber der Verdacht auf, dass der Senat insgeheim doch hofft, dass der Kelch "Olympia" an ihm vorübergehen wird -und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Hamburg vorzieht.

Das ist aber eine sehr steile These.

Pop: Anders kann ich mir nicht erklären, warum Rot-Schwarz in Sachen Olympia mindestens ein halbes Jahr schlichtweg untätig geblieben ist. Seit Sommer kam nichts mehr: nicht der versprochene Sonderausschuss im Parlament, nicht die Bürgerbeteiligung, kein Finanzkonzept. Bis heute weiß ich nicht, was das Konzept des Senats für ein anderes, nachhaltiges und bescheidenes Olympia sein soll. Ich stelle ganz einfache Fragen: Werden die Bewerbungs- und Veranstaltungskosten vom IOC übernommen? Gibt es eine Übereinkunft mit dem Bund, dass eine Berliner Bewerbung auch eine deutsche Bewerbung ist und dieser uns auch finanziell unterstützt? Müssen bestehende Sportstätten teuer erweitert werden, um höhere Zuschauerkapazitäten zu fassen?

Der Senat rechnet mit einer Milliarde Euro allein für temporäre Sportbauten.

Pop: Aber mir erschließt sich nicht, wie diese Summe zustande gekommen ist. Was hat das mit Bescheidenheit zu tun?!

Delius: Ich halte die Berliner gerade nach Tempelhof für schlau genug, dass sie erkennen, dass sie hier veralbert werden in dieser Abstimmung. Allein der eine Satz, der zur Abstimmung steht, den könnte man schnell als Forsa-Umfrage machen. Das kostet ein paar Euro und keine 3,3 Millionen. Das merken die Berliner auch, die wissen, dass das nur vorgeschoben ist.

Wäre die Frage denn bei einer Ihrer Meinung nach verfassungsgemäßen Abstimmung anders?

Delius: Es hätte ein Konzept vorliegen müssen und nicht nur eine Frage: mit Erläuterungen, Hintergründen, Plänen, finanziellen Auswirkungen.

Pop: Volksentscheide, wie es sie bisher gibt, darf man gar nicht über den Haushaltsplan machen. Der Senat macht das hier mit seiner Olympia-Volksbefragung einfach mal freihändig und will sich einen Blankocheck ausstellen lassen. Das ist völlig inakzeptabel.

Wolf: Müller hat bei seiner Regierungserklärung zur Staatsoper gesagt, dass es künftig keine Großprojekte mehr geben werde, ohne dass vorher eine abgeschlossenes Bauplanung sowie eine seriöse Kostenplanung existieren und auch die Kostenkontrolle gesichert ist. Bei Olympia gibt es das alles nicht. Es gibt einen Schätzungsrahmen - von 2 bis 11 Milliarden Euro! Damit kann man doch nicht derartige Haushaltsrisiken für das nächste Jahrzehnt eingehen! Da sind wir uns auch einig. Ansonsten haben wir unterschiedliche Abstufungen, was man sich unter einer Reformolympiade vorstellt.

Und wie sieht das bei Ihnen aus?

Wolf: Es muss vorher ein Infrastruktur- und Investitionsprogramm in die bauliche und soziale Struktur der Stadt abgesichert sein, dann schaut man, welchen finanziellen Spielraum man übrighat. Das sind nach unseren Rechnungen allerhöchstens 200 Millionen Euro. Wenn man dafür Olympische Spiele in Berlin organisieren kann, einverstanden. Glaube ich aber nicht.

Sie alle haben den Senatsals dauerhaft untätig dargestellt. Wann erwarten Sie denn, wann die Konzeption zu Olympia vorliegt?

Delius: Nie.

Das heißt aber doch: Es wird keine Olympische Spiele mit diesem Senat geben!

Pop: Das sehe ich anders. Es ist noch ein halbes Jahr Zeit, und ich erwarte tatsächlich von einer Regierung, dass sie anfängt, an dem Konzept zu arbeiten, mit dem Parlament spricht, auch kritische Fragen beantwortet und die Bürgerbeteiligung endlich auf den Weg bringt.

Sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben?

Pop: Nein. Sonst könnten wir ja nach Hause gehen und was anderes tun. Der Senat muss sich endlich an die Arbeit machen.

Wolf: Weil Sie ja mit Macht nach Differenzen in der Opposition suchen: Ich habe nicht die Hoffnung, dass mit IOC und DOSB eine wie auch immer geartete Reformolympiade in Berlin möglich ist. Deswegen ist diese Bewerbung nichts anderes, als Geld zu verbrennen, und deswegen sind wir dagegen.

Pop: Damit macht man es allen zu leicht. Ich sehe den Senat in der Pflicht, Zahlen vorzulegen.

Hält Rot-Schwarz durch bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2016?

Wolf: Fragt man nach politischer Substanz, dann ist nicht genug Stoff da, was SPD und CDU bis Herbst 2016 bringen können. Auf der anderen Seite ist das auch genau der Grund, warum sie zusammenbleiben.

Pop: Beide fürchten vorgezogene Neuwahlen. Deswegen gehe ich davon aus, dass SPD und CDU sich aneinanderklammern, obwohl die Gemeinsamkeiten längst aufgebraucht sind.

Wolf: Zumal manche Senatoren noch nicht so lange im Amt sind, dass sie pensionsberechtigt sind.

Delius: Auch Neuwahlen anzustreben kostet ja Kraft. Dafür muss man sich entscheiden - aber dazu ist die CDU gar nicht in der Lage.

Pop: Auch wenn es keine Neuwahlen gibt, heißt das nicht, dass bis 2016 regiert wird. Vielmehr hat der Wahlkampf längst begonnen. Die beiden Koalitionspartner gönnen sich gegenseitig nicht mehr viel. Die vielen unerledigten Aufgaben - neuer Großflughafen Berlin-Brandenburg, S-Bahn-Ausschreibung, ICC-Sanierung, Personalentwicklung, Flüchtlinge - werden der nächsten Regierung vor die Füße gekippt.

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