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Wohlstand ohne WachstumOuting der Kleinen

Nicht alle Unternehmen wollen expandieren. Manche setzen auf Qualität und Regionalität – auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen.

Wachstum kann schön sein. In der Natur gibt es Werden und Vergehen. Ist es nicht vermessen, wenn Unternehmen unendlich wachsen wollen? Bild: dpa

BERLIN taz | Der kleine Betrieb bricht mit einem großen Prinzip. „Wachstum führt zu vielen unangenehmen Dingen“, sagt Herwig Danzer. Er ist Chef der Möbelmacher im bayerischen Kirchensittenbach und findet, dass sein Unternehmen nicht wesentlich größer werden soll – auch wenn das dem Wachstumsdogma der Marktwirtschaft widerspricht. Zusammen mit zehn weiteren Firmen hat Danzer sich am Mittwoch öffentlich geoutet.

Das ist neu. Lautet doch eine oft verkündete Grundregel des modernen Kapitalismus: Wer nicht wächst, stirbt. Auch die Bundesregierung glaubt das, wenngleich sie viel von grünem Wachstum redet.

Was kleine und mittlere Unternehmen vom Zwang zum Wachstum wirklich halten, wollte nun das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin (IÖW) wissen. 700 Betriebe nahmen an der Umfrage teil, einige präsentierten ihre Geschäftsmodelle jetzt in Berlin.

Wachstumsdogma und Erhaltung des Planeten geht nicht zusammen

Politisch ist das Wachstumsdogma mindestens angekratzt. Denn deutlich zeigt sich, dass der zunehmende weltweite Ausstoß von Kohlendioxid aus Fabriken, Fahrzeugen und Kraftwerken die Erde gefährlich schädigt. Auch Unternehmen versuchen deshalb, weniger Emissionen zu verursachen – was leichter wäre, wenn die Produktion nicht so stark zunähme.

In reichen Länder wie Deutschland müssen sich Firmen zudem damit auseinandersetzen, dass ihre Märkte nicht mehr wachsen. Hinzu kommen betriebswirtschaftliche Überlegungen: Gerade für kleine und mittlere Firmen kann eine Wachstumsstrategie mehr Probleme als Lösungen bringen.

Das IÖW präsentierte keine Hungerleider auf dem Weg zum Bankrott, sondern erfolgreiche Firmen, die freiwillig auf Wachstum verzichten. Möbelmacher Danzer etwa fertigt mit 15 Beschäftigten Sofas, Tische, Küchenschränke oder ganze Haus- und Büroeinrichtungen aus Vollholz nach den individuellen Wünschen der Kunden.

Wollte das Unternehmen die Produktionsmenge verdoppeln oder verdreifachen, müsste man zur systematischen Serienfertigung übergehen. Einzelanfertigungen wären dann kaum noch möglich. Das aber will Herwig Danzer nicht: „Damit würden wir die Arbeit unserer Beschäftigten entwerten.“ Und aus Sicht der Kunden wäre die Qualität der Produkte infrage gestellt.

Nische ohne den ganz großen Preisdruck

Hohe Stückzahlen bedeuten laut Danzer außerdem, weniger auf einem regionalen Markt zu verkaufen, statt dessen müssen größere Möbelhändler als Vertriebsweg genutzt werden. Damit stünden die Produkte in Konkurrenz zu anderen überregionalen Anbietern, der Preiskampf beginnt. Die Firma müsste möglicherweise billiger verkaufen und würde weniger verdienen. In der Nische des regional begrenzten Marktes dagegen können die Möbelmacher dem Preisdruck entgehen.

Aus einem ähnlichen Grund verzichtete auch das Spielzeuggeschäft Wupatki in Rostock mit neun Beschäftigten darauf, einen Onlineshop einzurichten. „Unsere Produkte wären mittels Smartphone analysierbar“, erklärte Inhaber Mike Saul. Auch hier ist der befürchtete Effekt Druck in Richtung Preissenkung.

Wie aber schaffen es diese Unternehmen, die permanent wachsenden Energie-, Rohstoff- und Arbeitskosten hereinzuholen, wenn ihre Produktion nicht zulegt? Oft besteht ihre Strategie darin, schlicht die Preise zu erhöhen. Diese müssen dann allerdings auch eine so hohe Qualität aufweisen, dass die VerbraucherInnen bereit sind, mehr Geld als für Massenware auszugeben.

Dies zeigt allerdings, dass die Bezeichnung „Postwachstumsfirma“ auch missverständlich sein kann. Denn wenn die Preise steigen, wächst immerhin der Umsatz – und womöglich der Gewinn. Im Übrigen sind natürlich auch die vom IÖW ausgewählten Vorbildbetriebe durchaus selbst einmal größer geworden, bis sie ihre gegenwärtige Dimension erreichten.

Das Ziel ist deshalb nicht, nicht zu wachsen, sondern eine optimale Größe zu erreichen, mit der die Unternehmen gut leben können. „Weiter wachsen wollen wir nicht“, sagt Jutta Platz von der Textilfirma Carl Klostermann Söhne aus Wuppertal mit 33 MitarbeiterInnen, die unter anderem Schuhbänder fertigt.

Noch würden die wenigsten Firmen so etwas öffentlich sagen – wenngleich vermutlich hunderttausende kleine Betriebe nur so eben über die Runden kommen und ohnehin kaum eine Chance auf Wachstum haben. Die Stimmung aber wird von den großen Unternehmen geprägt, die oft für globale Märkte arbeiten. Ein Manager, der VW-Chef Martin Winterkorn vorschlüge, die Fahrzeugproduktion solle nicht mehr wachsen, würde ausgelacht oder rausgeworfen.

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5 Kommentare

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  • Sicherlich ein Konzept (Wachstumsrücknahme usw.), das (zwar nicht ganz neu ist, aber), interessant und zukunftsweisend ist!

  • Wer nicht [mehr] wächst, stirbt? Diese These könnte in ihrer ignoranten Simplizität von einem oder einer 15-jährigen stammen, der gerade richtig Zoff mit seinen Eltern hat!

     

    Wachstum muss strukturiert ablaufen, weiß das Lexikon. Die leidgeprüften Eltern renitenter Teenager wissen es vielleicht sogar noch besser. Was nützt es, wenn die Füße alle halbe Jahre aus den Schuhen wachsen, wenn das Gehirn nicht Schritt hält? Das Einzige, was in der Biologie permanent wächst, ist der Krebs. Der aber führt früher oder später gerade deswegen zum Tod. Weil er nämlich alles, was zum Leben gebraucht wird aber nicht seinem eigenen Wachstum dient, verdrängt.

     

    Börsennotierte Großunternehmen wirken auf eine Gesellschaft ähnlich wie ein Malignom auf einen Körper. Ihr Wachstum ist nicht nur ein weitgehend unkontrolliertes, es wird überflüssigerweise auch noch politisch gefördert von den verschiedenen, an Siegessucht erkrankten "Playern". Dieser Umstand schafft Probleme, die die Erde an den Rand der Katastrophe gebracht haben.

     

    Jeder, der sich auch nur ansatzweise für gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge interessiert, weiß das. Trotzdem wird nichts unternommen. In der Medizin ist solche Zurückhaltung ein Todesurteil. Eltern, die ihren Kindern notwendige Operationen vorenthalten, werden vom Gesetzgeber bestraft. Aber Spitzenpolitiker sind keine Eltern. Sie machen die Gesetze selbst, die sie zu vernünftigem Handeln zwingen müssten. Das heißt: Sie machen sie nicht. So lange ihre Wähler das noch nicht kapiert haben, werden sie an der Misere auch nichts ändern.

     

    Wir haben vier auf einen Streich erschossen. Wir sollten uns 5 Särge machen lassen.

  • "Grüner Kapitalismus". "Ökologische Marktwirtschaft"."Postwachstumsgesellschaft". "Bewusster Konsum". Der neue Spleen derjenigen Linken, die sich nicht eingestehen wollen, dass der Kapitalismus nicht reformierbar ist. Traurig...

  • Meine Großmutter mütterlicherseits pflegte in diesem Zusammenhang gerne zu sagen: "Die Größe macht es nicht allein sonst holt die Kuh den Hasen ein..."

  • Wie schön.

     

    Qualität ist bei einigen Handwerken ja schon zum Schimpfwort geworden, "weil die zu teuer ist und der Kunde nur das Billige will" (habe ich erst vor Tagen gehört).

     

    Daher kann ich diesen Ansatz nur begrüßen. Die richtige Größe finden und dann optimale Arbeit machen. Danke, danke, danke.