Kuhhandel zwischen Fußball und ZDF: Kritiker müssen draußen bleiben
Dynamo Dresden entzieht einem kritischen Journalisten die Akkreditierung. Das ZDF löscht den Beitrag, der Mann darf wieder ins Stadion. Zufall?
Der Anruf traf ihn wie ein direkt verwandelter Freistoß: Ullrich Kroemer stand kurz vor der Abfahrt nach Dresden, wo er über das Pokalspiel von Dynamo Dresden gegen Borussia Dortmund berichten wollte. Den Weg könne er sich sparen, sagte der Dynamo-Sprecher am Telefon. Der Klub habe Kroemer die Akkreditierung entzogen. Geschäftsführer Robert Schäfer habe sich über einen Bericht des freien Journalisten so geärgert, dass er ihm den Zugang zum Stadio verwehrte.
In Kroemers Artikel, der am Morgen des Spieltags auf zdfsport.de zu lesen war, ging es um Dynamos Fanproblem. Tenor: Der Vulkan Dynamo breche auch deshalb immer wieder aus, weil es dem Verein nicht gelinge, zu seinen gewaltbereiten Anhängern auf Distanz zu gehen. Schäfer kontaktierte den ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz, wenig später war der Bericht von der Seite verschwunden, und Kroemer erhielt seine Stadion-Erlaubnis zurück.
Diese Geschichte klingt verdächtig nach einem Kuhhandel zwischen Dynamo Dresden und dem ZDF: Ihr entfernt den unliebsamen Bericht, dafür lassen wir euren Mitarbeiter ins Stadion. Dem widerspricht ZDF-Sportchef Gruschwitz. Einen solchen Deal habe es nicht gegeben. „Wir haben von uns aus entschieden, den Artikel offline zu stellen, bevor wir mit Herrn Schäfer und Dynamo Dresden gesprochen haben.“ Es sei um „redaktionelle Gründe“ gegangen, sagt Gruschwitz vage. Das Thema Dynamo Dresden und seine Fans sei „äußerst sensibel“, bei der ersten Prüfung von Kroemers Bericht habe „die redaktionelle Sorgfalt nicht ausgereicht“. Der Artikel habe „intern und extern für großen Wirbel gesorgt“.
Mit seinem Mitarbeiter nahm Gruschwitz übrigens erst eine knappe Woche später persönlich Kontakt auf, um ihm die Vorgehensweise des ZDF zu erläutern. Gleiches gilt für Dynamos Geschäftsführer Robert Schäfer. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten dieser an Merkwürdigkeiten reichen Geschichte, dass die Angelegenheit zur Chefsache erklärt wurde, ohne den Autor direkt in die Diskussion einzubeziehen. Kroemer erfuhr davon lediglich über Mitarbeiter der ZDF-Sportredaktion sowie Dresdens Pressesprecher.
Beim Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) hat der Fall für Beachtung gesorgt. Etwas Vergleichbares habe es bis dato nicht gegeben. Er halte es für „besorgniserregend, wenn kritische Berichterstattung auf diese Weise sanktioniert wird“, sagt VDS-Präsident Erich Laaser: „Wir sind die ’vierte Gewalt‘ im Staat. Wenn Akkreditierungen entzogen werden, ist das ein Angriff auf die Pressefreiheit.“
Dresdens Geschäftsführer lässt über seinen Pressesprecher ausrichten, die Angelegenheit sei zwischen Dynamo, dem ZDF und dem Journalisten inzwischen ausgeräumt. Im Jargon der Kicker heißt das: „Mund abputzen, weiter geht’s.“
Tatsächlich wurde in Dresden schon am Wochenende wieder Fußball gespielt und darüber berichtet. „Ich bin bemüht, mit Dynamo wieder eine Basis herzustellen“, sagt Ullrich Kroemer. Dazu gehört aber eben auch kritische Berichterstattung. Kroemer hat den Artikel mittlerweile auf seinem privaten Blog veröffentlicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen