piwik no script img

Kolumne LiebeserklärungDie EZB hat Recht

Ulrike Herrmann
Kolumne
von Ulrike Herrmann

Blockupy sollte nicht gegen die Europäische Zentralbank demonstrieren. Denn damit ähneln sie den Rechtspopulisten.

Der schlechte Ruf der EZB ist ungerecht. Bild: dpa

D ie Europäische Zentralbank hat keinen guten Ruf – jedenfalls nicht bei den Blockupy-Demonstranten. Das ist ungerecht. Die EZB ist die einzige europäische Institution, die sich in der Eurokrise weitgehend richtig verhalten hat. Es ist keine Übertreibung: Der Euro wäre längst auseinandergebrochen, wenn die Europäische Zentralbank nicht immer wieder eingegriffen und ihr Mandat kreativ ausgelegt hätte.

Ein Beispiel ist besonders berühmt geworden: Im Sommer 2012 kündigte EZB-Chef Mario Draghi an, dass seine Bank „alles“ tun würde, um den Euro zu retten. Spekulanten und Anleger verstanden sofort, was dieses „alles“ meinte. Draghi würde unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen, um die Panik auf den Finanzmärkten zu bekämpfen und die Zinsen nach unten zu drücken. Der Trick wirkte. Am Ende musste Draghi nicht eine einzige Anleihe kaufen, weil die Investoren beruhigt waren. Reine Psychologie hatte genügt, um Italien und Spanien vor der Pleite zu bewahren.

Nur einige deutsche Rechtskonservative konnten nicht fassen, was vor ihren Augen geschah – und zogen vors Bundesverfassungsgericht. Es war ein bunter Trupp, der da gegen die EZB klagte: ältere VWL-Professoren, versprengte CSUler und nicht wenige AfD-Sympathisanten.

Blockupy versteht sich als links. Aber der Kampf gegen die EZB kommt auch bei Rechtspopulisten bestens an. Die Aktivisten sollten nicht länger ignorieren, wie gefährlich diese seltsame Allianz ist.

Es ist daher nur gut, dass Blockupy die nächsten Demos nicht mehr in Frankfurt abhalten will, sondern das Bundeskanzleramt anpeilt. Da sind die Aktivisten endlich richtig. In der Krisenpolitik werden viele Fehler gemacht. Aber nicht von der Europäischen Zentralbank, sondern von der Bundesregierung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Wie andere KommentatorInnen sehe auch ich das Problem in der mangelnden demokratischen Legitimation und Kontrolle der EZB. Dass dieses Problem von rechts, links, oben, unten, hinten und vorne so gesehen wird, macht es umso gewichtiger. Da hilft es auch nichts, wenn in der EZB etwas vermeintlich oder tatsächlich "richtig" gemacht wird. Auch ein blindes Huhn findet 'mal ein Korn.

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    In "Die Ansatalt" nannte man das "Mediale Meinungsmathematik". Wie recht die doch immer haben!

     

    https://www.youtube.com/watch?v=KR6kIf564AQ

  • Billiges binäres Argumentationsschema:

     

    1. Rechte kritisieren die EZB. Folge: Man darf die EZB nicht kritisieren.

     

    2. Die EZB hat den EURO gerettet. Folge: Man darf die EZB nicht kritisieren.

     

    Die EZB ist Teil eines komplexen Zusammenhangs, der dazu führt, dass es vor allem die onehin Schwächsten in Europa am schlimmsten trifft. Blockupy hat das auch nie anders dargestellt.

  • WTF? Die EasyB hat überhaupt keine demokratische Legitimation für gar nichts! Draghi führt sich auf wie ein Diktator und verteilt Maulkörbe für alle potentiellen Kritiker! Und gestern noch die diese Meldung:

     

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/965399.leuchttuerme-der-prekarisierung.html

     

    Also wenn die EZB Recht hat, muss ich wohl der Kaiser von China sein?!

  • Eine Runde Debattenbingo:

     

    "Blockupy sollte nicht gegen die Europäische Zentralbank demonstrieren. Denn damit ähneln sie den Rechtspopulisten."

    * Hinkender Vergleich (Blockupy hat sich die EZB nur als Symbol ausgesucht. Bei näherer Betrachtung der Argumente erkennt mensch sehr wohl, dass Blockupy eine differenzierte Kapitalismuskritik vertritt und eben _nicht_ strukturell antisemitisch argumentiert wie es die Rechten machen.)

    * Herkunftstrugschluss (Rechte wettern gegen die EZB, also ist es falsch gegen die Eröffnung der EZB zu demonstrieren oder Positionen zu vertreten, die denen von rechts ähneln.)

     

    "Der schlechte Ruf der EZB ist ungerecht."

    * Mitleidargument (Die arme EZB...)

     

    "In der Krisenpolitik werden viele Fehler gemacht. Aber nicht von der Europäischen Zentralbank, sondern von der Bundesregierung."

    * Selektive Wahrnehmung (Was die Panik auf den Finanzmärkten beruhigt, hat auch andere Auswirkungen. Spardiktat? Entlassungen, Gehaltskürzungen, Rentenkürzungen, Arbeitslosigkeit, Privatisierungen, usw. ?)

    * Gegenargument/Suggestion (Das Argument "die EZB hat alles falsch gemacht" wurde lediglich mit einem Gegenargument entkräftet. Trotzdem wird damit suggeriert, dass jegliche Kritik an der EZB ungerechtfertigt ist.)

     

    Zusammengefasst: Sehr löchrig, voreingenommen und einseitig argumentiert.

  • Die Rechtsextremen haben ein fundamentales Interessen daran, die Repräsentanten in Staat, Wirtschaft und Medien zu diskretitieren (ist ja wohl logisch), wobei diese Institutionen leider tatkräftige Mithilfe leisten. Wen kann es da wundern, dass sie berechtigte Systemkritik für sich vereinnahmen? Aber too big to fail ist keine Erfindung von irgendwelchen Reichsbürgern. Die Macht der Banken, die 90% der Geldschöpfung betreiben und damit Wirtschaftskreislauf, Unternehmen und Politik kontrollieren ist unbestritten. Das sich die EZB hier zum Erfüllungsgehilfen macht ebenfalls. Zu glauben dass die paar Parlamentarier im deutschen Bundestag wesentliche Veränderungen herbeiführen könnten ist schlichtweg naiv und realitätsfremd. Die Wirtschaft hat das Primat über die Politik! Anscheinend wurden wesentlichen Entwicklung wie Ende Bretton-Woods-System, Ölkrise, Liberalisierung der Finanzmärkte, Verschuldung von der Autorin verschlafen bzw. nicht richtig verstanden.

  • Der taz Artikel "Aufarbeitung der Proteste -Blockupy griff Flüchtlinge an" (http://taz.de/Aufarbeitung-der-Proteste/!156824/) zeigt auf dass "Autonomen Nationalisten" dort ebenfalls mit gemischt haben.

    • @Arcy Shtoink:

      Die Worthülsen ähneln sich zum teil beängstigend. Solche Sätze im Blokupy Zusammenhang finden sich beispielsweise bei der NPD "Die EZB wird damit zur Marionette der internationalen Finanzmärkte, die nach frischem Geld gieren. Für mindestens ein Fünftel des billionenschweren Programms soll das Risiko sogar vergemeinschaftet werden. [...] Vor dem Hintergrund dieser gigantischen Risiken für den deutschen Staat und die ihn finanzierenden deutschen Steuerzahler ist Widerstand gegen die Politik der EZB legitimer denn je! Auch friedliche Proteste gegen die offenkundigen Auswüchse des Kapitalismus sind nicht nur berechtigt, sondern notwendig. [...] legitimen Protest gegen die verantwortungslose und unsoziale Politik der Banken und Finanzkonzerne."

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @Arcy Shtoink:

        Auch NPD ist nicht fähig, 100% Mist von sich zu geben. Sie disqualifiziert sich zu genüge durch die restlichen 90%.

  • Die Argumentation ist aber jetzt schon sehr dünn. Und zu Ende gedacht ziemlich schwachsinnig.

     

    Dürften doch die Rechten einfach mal jegliches Thema besetzen, während die Linke zu diesem Thema sich selber einen Maulkorb verpassen müsste, weil sie sonst ja rechts wäre.

     

    Schlussendlich überlassen wir dann die Politik halt den Rechten...

    • @Thomas Loos:

      Der Unterschied zwischen linker und rechter Kritik sollte sein, dass sich erstere an die richtige Adressen wendet, während letztere einfach stumpf auf alles eindrischt, was sie nicht versteht.

       

      Zuende gedacht ergibt das sehr viel Sinn. Ziel muss sein, dass sich der Unsinn von Frankfurt nicht wiederholt!

      • @Dhimitry:

        Das lässt sich nicht verhindern, wenn du die Gewalt meinst. Bei 17.000 bis 20.000 Demonstrant*innen hast du immer welche dabei, die rumrandalieren. Wenn du die EZB als Adressaten meinst, war das kein Unsinn (s. viele Kommentare hier, die an so vieles erinnern, was auch auf das Konto der EZB geht).

      • @Dhimitry:

        Darf ich dann jetzt als Linker nicht mehr gegen die EZB sein, weil Ulrike Hermann in der Taz der Meinung ist, die EZB sei gut und mache alles richtig? Ohne wirklich weitergehende Analyse? Und natürlich macht es ja auch nix, daß die EZB als Mitglied der Troika brav dabei hilft die Menschen in Griechenland zu pauperisieren.

         

        Imho darf die EZB sehr wohl angegriffen werden, allerdings müssen dann halt Analyse und Begründung stimmen.Das dies bei den Rechten praktisch nie der Fall ist versteht sich von selbst.

         

        Um es ganz deutlich zu sagen: Querfront ist der größte Müll ever. Und es darf unter keinen Umständen sein, daß Linke sich mit Rechten verbünden, weil sie glauben einen gemeinsammen Feind zu haben. Never.

        Aber umgekehrt darf das genausowenig heißen, daß Etwas oder Jemand sakrosankt wird, nur weil Rechte dagegen demonstrieren.

        • @Thomas Loos:

          Die Troika wurde doch eigentlich letztlich nur als Vorwand genutzt, um Regierungsziele umzusetzen...

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Es ist daher nur gut, dass Blockupy die nächsten Demos nicht mehr in Frankfurt abhalten will, sondern das Bundeskanzleramt anpeilt."

     

    Es ist nicht gut. Könnte wie Heiligendamm 2007 ablaufen. Nur mit Krawalle.

     

    Bzgl. der Geldpolitik der EZB: Geldflutung, die letztendlich in spekulativen Märkten mündet, hat vielleicht exportstimulierende Kursauswirkungen und "rettet" den Euro, letztendlich wird aber das Gros der Summe in die oberen (relativ verbrauchsarmen) Bevölkerungsschichten gepumpt.

     

    Letztens bei Anne Will schwärmte der Wirtschaftsredakteur der ZEIT, Rainer Hank, für 19. Jahrhundert mit seiner Vermögensverteilung und sozialen Verhältnissen. Er ist wohl keine Ausnahme. "Gilded Age" mit Smartphones - das ist was solchen Leuten vorschwebt und letzendlich von den 1,x Bio. der EZB unterstützt wird. Die haben wohl zu viel Buddenbrooks und zu wenig Dickens gelesen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Wir sollten der ZEIT nicht Unrecht tun. Der Wahnsinnige, der zurück in die Gesellschaft 19. Jahrhundert möchte, arbeitet für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @Dhimitry:

        Sorry, FAZ natürlich. Soweit ist die ZEIT noch nicht ;).

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Nun, sie eilet darob schon wie der Wind.

  • Liebe Frau Herrmann,

    es gibt fraglos gute Argumente dafür zu sagen, dass die EZB nicht die beste Adresse für linke Proteste gegen die europäische Krisenpolitik ist. Ich teile zwar ihre Ansicht, dass die EZB wenig kritikwürdig sei, nicht, aber der Protest gegen die EZB ist sehr symbolisch und gefährlich anschlussfähig für verkürzte Kapitalismuskritik. Ihre Argumentation, dass damit Rechtspopulisten in die Hände gespielt werde, halte ich jedoch für falsch. Denn es scheint mir absurd anzunehmen, dass eine "seltsame Allianz" welcher Art auch immer besteht, wenn zwei Gruppierungen zwar die selbe Organisation kritisieren, aber aus völlig verschiedenen Gründen, mit völlig verschiedenen Argumenten und mit völlig verschiedenen Zielen.