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Ausbau verlangsamt

PRAXIS Wenn weniger Windräder gebaut werden, braucht man auch weniger Stromtrassen

Windkraftwerke vor der Küste zu bauen ist aufwendiger als an Land. Die Unternehmen müssen alles neu lernen – und das kostet Zeit und Geld

BERLIN taz | Die Nordsee ist noch immer Meer und nicht Kraftwerk. Nur an zwei Stellen ragen bisher Windräder aus den Wellen. 72 Maschinen drehen Rotoren im Wind. In der Ostsee stehen 21. Mehrere tausend sollen es werden, um Städte und Industrieanlagen an Land mit Strom zu versorgen. Bis dahin könnte noch viel Zeit vergehen.

Große Pläne, große Probleme, wenig Konkretes – das ist noch die Bilanz bei der Offshore-Windenergie. Denn Windkraftwerke vor der Küste zu bauen ist aufwendiger als an Land. Die Unternehmen müssen alles lernen: wie sie die Fundamente im Meeresboden verankern, wie sie Schweinswale vor dem Krach beim Einrammen der Stahlbeine schützen, wie sie die Anlagen bei rauer See warten, die Technik vor der Korrosion durch Salz und Wasser bewahren und die Unterseekabel verlegen.

Hinzu kommen wohl Finanzierungsprobleme beim Netzbetreiber Tennet, einem niederländischen Staatsunternehmen, das die Leitungen zu den Windparks auf der Nordsee bauen muss. Die Firma bestreitet Schwierigkeiten beim Zugang zu Investitionskapital. Nicht unwichtig sind auch die Ansprüche der Bundesländer im Süden. Die Landesregierungen in Bayern und Baden-Württemberg fragen sich, warum so viel Ökostrom aus dem Norden kommen soll, wenn man ihn auch vor Ort herstellen kann.

Nach Jahren der Offshore-Euphorie macht sich also Ernüchterung breit. Bei der Politikberatung Agora Energiewende sieht man die „Tendenz zur Optimierung des Windenergie-Ausbaus auf dem Meer“.

Dies spiegelt sich in unterschiedlichen Prognosen darüber, wie schnell wie viele Windräder in Nord- und Ostsee errichtet werden. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Windkraftwerke auf dem Meer bis 2023 eine Leistung von 14,1 Gigawatt (Milliarden Watt) erreichen. Das wären knapp 3.000 Rotoren. Deutlich vorsichtiger ist dagegen Tennet. Festlegen will man sich nur darauf, dass bis 2017 maximal 6 Gigawatt am Netz sein können. Das entspricht etwa 1.200 Maschinen.

Diese Diskussion hat Auswirkungen auf die Debatte über die neuen Stromleitungen. Wirtschafts- und Umweltverbände, Bürgerinitiativen und auch die Bundesnetzagentur hinterfragen inzwischen den Bedarf für neue Nord-Süd-Stromleitungen. Zahlreichen Bürgern, die Angst vor Elektrosmog haben und nicht wollen, dass die Landschaft verschandelt wird, wäre eine Sorge abgenommen. HANNES KOCH

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