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Sozis nehmen Heuschrecken ins Visier

Auf dem SPD-Parteitag zur „sozialen Stadt“ geht es heute um den Erhalt der landeseigenen Wohnungsbestände und um Integrationspolitik. Die Wiederwahl des Parteivorsitzenden Michael Müller gerät dabei fast schon zur Nebensache

Jede soziale Gruppe braucht einen Gegner. Einen, an dem sie sich reiben kann. Einen, der ihr das Gefühl gibt, auf der richtigen Seite zu sein. Hier die Guten, dort der Böse. Auf dem heutigen Landesparteitag der SPD zur „sozialen Stadt“ fällt die Rolle des Bösen einer Figur aus den eigenen Reihen zu: Thilo Sarrazin.

Sicher, der Finanzsenator ist selbst Sozialdemokrat, aber für Rücksichtnahme auf lieb gewonnene Gewissheiten seiner Parteifreunde ist der markige Sanierer nicht bekannt. Erst recht nicht bei der Milliardenfrage, ob das Land Berlin seine Wohnungsunternehmen besser verkaufen oder zusammenhalten soll. Doch heute wird Sarrazin voraussichtlich öffentlich schweigen. Auf dem Parteitag ist die Delegiertenmehrheit gegen seine Verkaufspläne erdrückend.

Das zeigt sich im Leitantrag „Soziale Stadt“, den die Delegierten verabschieden wollen. „Kostengünstiger Wohnraum für Bewohnerinnen und Bewohner mit niedrigem Einkommen“, so der geplante Wortlaut, „wird geringer und konzentriert sich oft in sehr belasteten Gebieten.“ Um diesen Trend zu bremsen, will die Delegiertenmehrheit 12 bis 15 Prozent des Berliner Wohnungsbestandes in öffentlicher Hand behalten. Derzeit sind es noch 14,7 Prozent.

Stark geprägt hat den Leitantrag die mächtige Gruppe der „Berliner Linken“ (BL). Geht es nach ihnen, dann bleiben möglichst alle der derzeit noch rund 277.000 landeseigenen Wohnungen in öffentlicher Hand. Nur „kleinteilige Einzelbestände“ dürften an Private veräußert werden. „International agierende Finanzinvestoren“ – die sprichwörtlichen „Heuschrecken“ – sollen nicht zum Zuge kommen. Die Chancen für einen solchen weit gehenden Verkaufsstopp stehen gut. Erst vor wenigen Wochen vertagte der Senat auf Druck der Fraktionen von SPD und Linkspartei massive Bestandsverkäufe der hoch verschuldeten Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) – auf die Zeit nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September.

Durch den Fall der Neuköllner Rütli-Oberschule gewinnt das Parteitagsthema Integration besondere Aktualität. „Das wird sicher Thema von Debattenbeiträgen sein“, sagt SPD-Landessprecher Hannes Hönemann. Ob die jüngsten Entwicklungen Niederschlag im langfristig ausgerichteten Leitantrag finden werden, ist aber offen.

Weniger umstritten ist unter den Delegierten die Wahl des Parteivorstands. Der seit 2001 amtierende Vorsitzende Michael Müller ist in weiten Parteikreisen akzeptiert. Für alle Fälle drohte er zu Wochenbeginn in einem Zeitungsinterview den vom Senat entsandten Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern der Wohnungsbaugesellschaft Gesobau: „Offenbar gibt es da immer noch einige, die Verkaufsvorbereitungen treffen.“ Und fügte kühl hinzu, diese Leute könnten ja „auch wieder abberufen werden“. MATTHIAS LOHRE

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