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Deutschland gerät in den Sog des Kongo

Forderungen nach Ausweitung des geplanten Bundeswehreinsatzes mehren sich – selbst bei den Grünen

BERLIN taz ■ Das Kongo-Fieber erfasst die deutsche Politik. Immer mehr Bundestagsabgeordnete reisen in den Kongo, und fast immer kommen sie mit der Gewissheit zurück, der geplante Bundeswehreinsatz zur Absicherung der Wahlen im Kongo sei nicht nur richtig, sondern müsse viel größer sein als geplant.

Hans-Christian Ströbele (Grüne), lange Zeit Oberskeptiker seiner Partei in Sachen Bundeswehr, hält es sogar für denkbar, dass er im Bundestag den Kongo-Einsatz ablehnt, wenn er nicht gegenüber den bisherigen Plänen deutlich ausgeweitet wird. Deutschland hat bisher zugesagt, bis zu 500 Soldaten in eine 1.500 Mann umfassende EU-Truppe zu entsenden, die in Kinshasa sowie außerhalb des Kongo stationiert werden soll und laut UN-Mandat die UN-Truppe im Kongo (Monuc) unterstützen sowie kurzfristige Kriseneinsätze durchführen soll. Eine Beschränkung des Bundestagsmandats auf 500 Soldaten in Kinshasa zu Evakuierungszwecken sei „falsch und verhängnisvoll“, erklärte Ströbele gestern in Berlin nach seiner Rückkehr aus dem Kongo. „Das Mandat muss so weit gefasst sein, dass vieles, fast alles, möglich ist.“ Es gehe um „Sicherheit für die Bevölkerung“, die vor allem von Kongos Regierungsarmee bedroht sei.

Der mitgereiste verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, warnte vor einer nutzlosen „Operation Wasserschlag“. Nötig sei ein „klares, ehrliches und glaubwürdiges Mandat“, bei dem man mit der Anzahl von Soldaten „nicht dogmatisch“ umgehe, sondern „mandatsangemessen“.

Ausweitungen des Bundeswehreinsatzes hatten zuvor bereits andere Politiker gefordert. Selbst der dem Kongo-Einsatz grundsätzlich ablehnend gegenüberstehende Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, erklärte am Mittwoch: „Die Bundeswehr wird die Begrenzung auf Kinshasa nicht durchhalten können; dies würde auch nicht wirklich Sinn machen.“ Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann sagte diese Woche nach einer Kongoreise, der Einsatz werde „kein Spaziergang“, sondern man müsse die deutsche Öffentlichkeit auf „Auseinandersetzungen“ vorbereiten.

Die Bundesregierung geht hingegen nach wie vor davon aus, dass das Mandat der Bundeswehr auf Kinshasa begrenzt sein wird. Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, lehnte Ende April während einer Kongoreise eine Vergrößerung und Ausweitung ab: „Das wäre eine ganz andere Debatte.“

Eventuell kommt diese aber früher, als der Bundesregierung lieb ist. Das UN-Mandat vom 25. April sowie der endgültige EU-Beschluss vom 27. April enthalten keine geografische Beschränkung des Truppeneinsatzes. Das Bundeskabinett will am 17. Mai das genaue Mandat für die Kongo-Truppe festlegen, das anschließend dem Bundestag vorgelegt wird. Die Wahlen im Kongo sind für den 30. Juli geplant; der EU-Einsatz soll ab diesem Termin vier Monate dauern.

Die Grünen bereiten in diesem Zusammenhang einen eigenen Entschließungsantrag vor, in dem ein über den Militäreinsatz hinausgehendes politisches Konzept gefordert wird. Dabei geht es um die Reform des Sicherheitssektors im Kongo, den Aufbau von Infrastruktur, die Bekämpfung von Korruption und einen verbesserten Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Gewünscht wird auch ein verstärkter Einsatz europäischer Wahlbeobachter – bisher sind lediglich 200 geplant. DOMINIC JOHNSON

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