: Kreuzberg, Moskau, Washington
NSA Der Grüne Hans-Christian Ströbele ist nun weltbekannt als „der Mann, der Edward Snowden traf“. Hilft das der Sache des Whistleblowers? Eine Woche im politischen Berlin
■ Zugriff: Edward Snowden soll der Agentur Reuters zufolge auch über Passwörter seiner Kollegen an die NSA-Informationen gekommen sein, die seit Juni geleakt werden. Zwischen 20 und 25 Kollegen habe er als Systemadministrator um ihre Passwörter gebeten.
■ Angriff: Vor dem Parlament in London kritisierten die Chefs der drei wichtigsten britischen Geheimdienste Snowden am Donnerstag scharf. Seine Enthüllungen gefährdeten die Einsätze der britischen Spione. Al-Qaida sauge die Informationen nur so auf.
■ Abwehr: Bei einem Besuch deutscher Geheimdienstchefs in Washington wurde Anfang der Woche klar, dass die USA nicht beabsichtigen, ein generelles Anti-Spionage-Abkommen mit Deutschland zu unterzeichnen. Höchstens könne man sich vielleicht darauf einigen, dass weder die Kanzlerin noch Unternehmen ausspioniert werden sollen.
■ Exil: Die Bundesregierung hat laut Bundesinnenministerium keinen Kontakt zu den drei Kritikern des US-Geheimdienstes NSA, die sich in Berlin aufhalten. Neben dem Internetaktivisten Jacob Appelbaum und der Dokumentarfilmerin Laura Poitras zählt dazu neuerdings auch die Snowden-Vertraute Sarah Harrison.
VON ASTRID GEISLER UND GABRIELA M. KELLER
Er hat das Fenster weit aufgerissen, feuchte Novemberluft drückt aus dem Hof in sein Bundestagsbüro. Sauerstoff für die nächste Runde. Seit zwei Stunden gibt er Interviews, fast sechs Stunden hat er noch vor sich. Das polnische Fernsehen ist gerade weg, das irakische kommt noch, der US-Nachrichtensender CNN hat ihn, diesen „Hans-Christian Stroebel“ aus Berlin, vor ein paar Tagen versehentlich zum „German Foreign Minister“ erklärt.
Der vermeintliche Außenamtschef Hans-Christian Ströbele sitzt zwischen Papierstapeln und Wasserflaschen in einem kleinen Naturholzsessel. Eine irre Zeit sei das. Nicht mal seine Tasche habe er fertig ausgepackt seit der Moskaureise. Eben laufen die neuesten diplomatischen Verstimmungen über die Ticker: Auch die britische Botschaft soll das Berliner Regierungsviertel ausspioniert haben.
Im Juni ist Ströbele 74 Jahre alt geworden. Gerade wirkt er, als hätte man ihn mit dem Dimmer ein paar Watt heller gedreht. Ein wenig entrückt. Der CNN-Irrtum gefällt ihm. Außenminister – ausgerechnet er, der einstige Gegenspieler Joschka Fischers. „Das wollte ich nie werden!“, sagt Ströbele amüsiert. Als hätte das je zur Debatte gestanden. Aber wen stören solche Details?
Der Grüne aus Kreuzberg macht schließlich Weltpolitik. In Gedanken schwenkt er hin und her zwischen Kreml, Weißem Haus und Berliner Regierungsviertel – ein Angelpunkt dieser globalen Geschichte: er selbst, Hans-Christian Ströbele, der Berliner Direktkandidat mit dem Fahrrad. Der erste Politiker der Welt, der im russischem Exil den NSA-Informanten Edward Snowden traf. Eine Agentenstory: Einreise mit Diplomatenpass, Fahrt durch Moskau mit verdunkelten Scheiben, vertrauliches Treffen an unbekanntem Ort.
Es ist Dienstag. Seit Donnerstag vergangener Woche steht er auf der Weltbühne. Und in dieser Woche, in den nächsten Wochen, wird sich zeigen, ob sein Auftritt letztlich nur ihm hilft oder auch dem amerikanischen Asylanten Edward Snowden, der Aufklärung. Was kann die weltpolitische Initiative eines Abgeordneten der kleinsten Oppositionspartei im deutschen Bundestag bewirken?
Man habe doch gar keine Adresse von Snowden, wie solle man den finden, hatte Ströbele oft gehört. Seinen Antrag auf Reisekostenfinanzierung lehnte Bundestagspräsident Norbert Lammert im Sommer ab. Er flog trotzdem.
Dritter Stock, Boulevard Unter den Linden, schräg gegenüber der Russischen Botschaft: Über der Tür zum Büro des Bundestagsabgeordneten Ströbele klebt jetzt die Titelseite des aktuellen Spiegel, kopiert in Schwarz-Weiß: „Asyl für Snowden!“ Sein Appell, prominent platziert. Mit dieser Zwei-Mann-Show hat er den Druck auf die Bundesregierung erhöht, sich mit dem Aufklärer namens Edward Snowden zu befassen. Dinge scheinen in Bewegung zu geraten in Berlin. Es gibt eine neue Asyldebatte. Die Frage ist, wie lange sie andauert, was sich sonst bewegt.
Die Regierung winkt ab. Ströbele sieht Verbündete
Schon ganz am Anfang der Woche bemüht sich die Bundesregierung, das alles abzuwürgen. Den Job übernimmt Steffen Seibert, der Sprecher der Kanzlerin.
Montag kurz vor 12 Uhr, Regierungspressekonferenz. Ein Journalist fragt nach dem Asyl für Snowden. Seibert antwortet knapp: Es gebe „keinen Anlass“, sich damit zu befassen. Er klingt genervt. Dieser grüne Moralist wieder. Seibert will noch „eine grundsätzliche Bemerkung“ loswerden, die der Kanzlerin wichtig sei: „Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung.“ Dreimal erwähnt er die „überragende Bedeutung“ oder „überragende Rolle“ dieses deutsch-amerikanischen Bündnisses.
Am Dienstagmorgen meldet die Bild-Zeitung: „Kanzlerin hat entschieden: Snowden kommt nicht nach Deutschland“.
Für Ströbele ist die Sache damit nicht beendet. Er glaubt, dass er noch einen mächtigen Verbündeten hat, selbst von Merkel gefürchtet: die Öffentlichkeit. „Die Frau Kanzlerin“, sagt er, „hat ja in ihrer Kanzlerschaft gezeigt, dass sie auf Stimmungen in der Bevölkerung reagiert. Das bekannteste Beispiel ist die Wende in der AKW-Frage.“
Man mag das für ein wenig utopisch halten. Aber ein Realpolitiker ist Ströbele noch nie gewesen. Außerdem: Er hat es doch geschafft, dieses Thema wieder ganz oben auf die Agenda zu setzen. Selbst in den USA, auf CNN.
Edward Snowden hat noch neun Monate. Dann endet sein Asyl in Russland. Bis zum nächsten Sommer muss etwas geschehen. Nur Snowden selbst und wenige Vertraute wissen, wie lange das Material hält, mit dem er die Hauptstädte der Welt in Aufruhr versetzen kann. Er hat sich zu einem Player in der Interessenpolitik der mächtigsten Staaten gemacht. Snowden muss interessant bleiben. Jemand muss ein Interesse an ihm haben. Sonst könnte es ihm gehen wie Chelsea Manning, der Wikileaks-Informantin. 35 Jahre Haft.
Mittwochmorgen, Frühschicht im Reichstagskeller. Seit kurz nach sieben läuft Ströbele in Endlosschleife. Im Untergeschoss des Bundestags stehen zwölf Kameras im Halbrund bereit. n-tv sendet live. In einer halben Stunde beginnt hinter Stahltüren die Sondersitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste. Geladen sind elf Abgeordnete, der Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, die Chefs von BND und Verfassungsschutz. Auf der Tagesordnung steht Ströbeles Bericht aus Moskau.
Der Grüne ist als Erster da, flaniert in Turnschuhen von Mikro zu Mikro. Er trägt das gleiche blau-weiß gestreifte Hemd wie beim letzten großen Auftritt, den gleichen roten Wollschal. Es war früher der Schal, der ihn als den Linken unter den Grünen kennzeichnete. Heute ist es ein Schal wie der von Walter Momper, dem Berliner Bürgermeister, der die Mauer fallen sah.
„Die Rechtslage macht es selbstverständlich möglich, dass wir Herrn Snowden in Deutschland Asyl oder Aufenthalt gewähren“, sagt Ströbele in die n-tv-Kamera: „Man muss es nur wollen.“
Sonst haben Journalisten oft gespottet über diesen Mann und seine Schusseligkeiten hier im Reichstagskeller: Mal redete er von Franz-Walter Steinmeier. Dann von Herrn Prism statt Herrn Snowden. Nun bestimmt der Alte plötzlich die Agenda.
Um 7.57 Uhr rauscht Merkels Mann für die Geheimdienste mit seinen Leuten die Treppe hinunter. Hand in der Hosentasche. „Morgen“, nuschelt Pofalla – und schon ist er weg, verschwunden im abhörsicheren Kellerraum.
Nach drei Stunden eilt Pofalla als Erster vor die Presse. Er legt einen Sprechzettel auf das Pult, darauf fünf kurze Absätze, die Schriftgröße wäre für Kinder im ersten Lesealter geeignet. Im Weißen Haus habe man die Dimension der Affäre inzwischen „voll erkannt“, trägt der Kanzleramtsminister vor. „Ist die Affäre beendet, Herr Pofalla?“, ruft ein Journalist. Pofalla hastet weg.
„Eine Befragung in Deutschland steht im Augenblick nicht zur Debatte“, sagt dann Thomas Oppermann von der SPD, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der im Sommer noch Pofallas schärfster Widersacher war. Jetzt formuliert er, wie Merkels Sprecher es fast nicht schöner hinbekäme.
Man dürfe Snowden nicht nach Deutschland holen, wenn man seine Auslieferung an die USA nicht definitiv ausschließen könne, argumentiert Oppermann. Vermutlich wird demnächst eine Große Koalition das Land regieren, im Bundestag bleibt dann nur eine winzige Opposition übrig. Ströbele hat Jahrzehnte in der Opposition hinter sich. Ihm ist klar, dass er die Regierungspolitik nicht groß beeinflussen kann. „Ich bin kein Illusionist.“
Der Transatlantiker fordert Folgen. Nur welche?
Die SPD hätte zu seinem Verbündeten werden können. Aber die SPD traut sich nicht.
Die Macht der USA offenbart sich wohl selten so sehr wie in diesen Wochen, in denen Edward Snowden sie infrage stellt.
Auf eines immerhin konnten sich die Geheimdienstkontrolleure in ihrem fensterlosen Raum im Reichstagskeller einigen. Die Bundesregierung soll prüfen, „unter welchen Umständen“ man Snowden in Moskau befragen könnte. Das bringt Zeit, sonst aber wenig. Schließlich ließ Snowden über Ströbele ausrichten: Die Befragung in Moskau komme derzeit für ihn nicht infrage. Die Gründe, sagt der Grünen-Politiker, wolle er „ungern öffentlich ausbreiten“.
Russland müsse eine Vernehmung durch einen deutschen Untersuchungsausschuss ja genehmigen. „Und die russische Regierung wird vermutlich Bedingungen stellen. Da ist vieles denkbar. Die werden nicht einfach sagen: Reisegruppen sind uns willkommen!“ Deutschland als neue Heimat für Snowden – am Ende dieser Sondersitzung wirkt das unwahrscheinlich.
Und doch: Es beginnt in dieser Woche eine Grundsatzdebatte zum deutsch-amerikanischen Verhältnis. John Kerry, der US-Außenminister, meldet sich mit einer Liebeserklärung an Deutschland zu Wort, neben all den Exgeheimdienstlern in Radio und Fernsehen und neben dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, der die Praktiken der NSA für „nicht verfassungsgemäß“ und „unklug“ hält.
Als der Trubel um Ströbele seinem Höhepunkt zusteuert, macht Ruprecht Polenz sich auf den Weg in die Schweiz. Polenz, für die CDU lange Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, ist seit Herbst im Ruhestand. In der Schweiz warten keine Termine auf ihn, sondern Freunde. Er hat in seinem Kurzurlaub viel Zeit, Nachrichten zu lesen. Manchmal denkt er: „Eigentlich ist das jetzt so spannend und so wichtig, da wäre ich gern dabei.“
Mittwochnachmittag, Polenz ist gerade wieder in Münster angekommen. Die Kellnerin im Marktcafé trägt Apfelkuchen vorbei. Mit seinem zerfurchten Gesicht, dem Flanellsakko und der goldenen Brille könnte man Ruprecht Polenz für einen Uni-Professor halten.
Er ist ein überzeugter Transatlantiker, daran hat der Skandal nichts geändert. Nicht, dass er keine Kritik an den Methoden der NSA hätte, dem Ausspähen etwa des Handys der Kanzlerin. „Es ist natürlich ein Vertrauensbruch“, sagt er, „und das muss Folgen haben.“
Das sieht Ströbele ähnlich. Nur welche?
Ruprecht Polenz lässt den Kaffee vor sich auf dem Tisch kalt werden. Er knetet das leere Zuckertütchen, der schwere Siegelring an seinem Finger glänzt im Licht der Lampen. Draußen wird es langsam dunkel. Nieselregen fällt auf das Kopfsteinpflaster vor dem Dom. Polenz war zwanzig Jahre Abgeordneter. Für ihn ist das transatlantische Verhältnis mehr als eine Abwehrphrase, mit der man sich Edward Snowden vom Hals hält.
Er kann auch die Haltung Merkels erklären. „Ich glaub schon, dass sie richtig sauer war“, sagt er. „Und das dürfen die Amerikaner auch ruhig wissen.“ Aber das ändert für ihn nichts daran, dass die Zusammenarbeit mit den USA für Deutschland unverzichtbar ist, wissenschaftlich, wirtschaftlich. Bei der Terrorbekämpfung ohnehin.
„Es hat immer Phasen der Entfremdung gegeben, und man hat immer wieder zueinander gefunden“, sagt Polenz. Er erinnert sich noch an den Vietnamkrieg, an den Streit über den Nato-Doppelbeschluss, an diese tiefen Risse. Im historischen Vergleich relativiere sich das Ausmaß der NSA-Krise. „Es ist keine ganz kleine, aber auch keine Riesensache. Ich sehe das als Delle, aber als eine, die man wieder ausbeulen kann.“
Vielleicht betrachtet das die Kanzlerin ähnlich – sauer hin, Snowden her.
Gysi dreht auf: Spione aus der Botschaft ausweisen
Auch die Amerikaner müssten nun sicherstellen, dass sich solche Verstöße nicht wiederholen, fordert Polenz. Ein umfassendes No-Spy-Abkommen, teilen die allerdings mit, werde es nicht geben. Bei aller Liebe.
Polenz hält es für ausgeschlossen, dass Merkel Snowden Asyl in Deutschland anbietet. „Was soll sie denn tun?“, ruft er in die Ruhe des Cafés hinein. „Dem Snowden Asyl geben? Wir sind hier doch nicht auf einer Theaterbühne, wo man sagen kann: Das wäre ein schöner Schluss für den dritten Akt – uns egal, was im vierten passiert.“
In einem Leitartikel der Washington Post stand neulich: „Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen.“ Darin sieht Polenz keinen Widerspruch: „Unser Interesse sind gute Beziehungen zu Amerika.“
Ihm fällt ein Zitat des gerade verstorbenen Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel ein: „Die Kunst der Politik besteht häufig darin, heiße Eisen mit fremden Fingern anzufassen.“ Die Finger sind die der Russen, das Eisen heißt Snowden. Warum sollten sich die Deutschen die Hände verbrennen?
Polenz nimmt einen kleinen Betriebsunfall zur Kenntnis, Ströbele erkennt einen Super-GAU für Freiheit und Grundrechte, ein Daten-Fukushima.
Es gehe nun darum, die Schäden zu begrenzen – nicht darum, das Debakel noch größer zu machen, sagt Polenz. Die Forderung nach restloser Aufklärung sieht er skeptisch: „Was machen wir denn dann mit unserem Wissen?“, fragt er. „Vielleicht erfahren wir, dass alle unsere Vermutungen wahr sind – und dann?“
Der Handlungsspielraum der Regierung vergrößere sich doch nicht. Polenz lächelt dünn. „Selbst, wenn alles noch schlimmer ist, als wir denken“, sagt er. „Ich sehe nicht, wie wir zu anderen Maßnahmen kommen.“
Zur selben Zeit an diesem Mittwochnachmittag wieselt Gregor Gysi durch seine Berliner Anwaltskanzlei. Altes Westberlin, prächtigster Altbau, sogar einen Dienstboteneingang gibt es noch, den der Fraktionschef der Linken kurz präsentiert. Seine Gelassenheit verliert er dann schnell, als das Gespräch bei der NSA-Affäre ankommt.
„Die Regierung sagt: Nee, du bleibst mal in Russland, wir überlassen das Putin, wir haben damit nichts zu tun, nur dein Wissen wollen wir haben.“ Das sei doch „moralisch überhaupt nicht vertretbar“.
Vielleicht nicht ungewöhnlich, dass unter den pointierten Stimmen die von Gysi eine der schrillsten ist. Das Neue ist aber, dass er in seiner Deutung auf einer Linie mit beispielsweise dem Spiegel oder dem Stern liegt und gar nicht wenigen Prominenten, die Merkel ebenfalls Feigheit vor dem Freund vorwerfen. Die Bundesregierung sei „völlig hasenfüßig, duckmäuserisch“, sagt Gysi.
„Mir wird entgegnet: Eine Asylgewährung wäre eine Backpfeife für die USA.“ Er lächelt kurz angewidert, dann folgt die Pointe: „Da sag ich, na schön: Ne kleine Backpfeife haben die ja auch verdient!“ Gysi deklamiert jetzt richtig: „Wenn jemand die Freundschaft gefährdet hat, dann war es die NSA.“ Überhaupt: „Das ist doch keine Freundschaft, das ist ein Abhängigkeitsverhältnis.“
Wächst aus der Solidarität mit Snowden ein neuer Amerika-kritischer Patriotismus? Viele fordern ja gerade auch ein deutscheres Internet. Der Innenminister schlägt eine Aufrüstung deutscher Geheimdienste vor.
„Ich werde“, kündigt der Fraktionschef im Diktatstil an, „die Bundesregierung auffordern, die Personen aus der US-Botschaft und aus der britischen Botschaft, die die Spionage hier in Deutschland durchgeführt haben, zur persona non grata zu erklären.“ Die Diplomaten müssten Deutschland dann innerhalb einer Frist verlassen. Das sei im Völkerrecht so vorgesehen.
Auch diese Forderung richtet sich weniger an Merkel und mehr an das Publikum. „Wir brauchen Druck – Druck aus der Bevölkerung“, sagt auch Gysi.
Ströbele und Gysi, die zwei großen linken Polarisierer, sie unterscheiden sich im Ton, aber sie teilen ein Ziel.
Am Donnerstag dann, während Edward Snowdens Vater seinen Sohn im Stern wegen der Auslieferungsgefahr davor warnt, nach Deutschland zu kommen, gibt Snowdens Helferin Sarah Harrison bekannt, dass sie künftig in Berlin leben werde. Wie auch Jacob Appelbaum schon, der Internetaktivist, wie Laura Poitras, die Dokumentarfilmerin, die eng mit Snowden kooperiert hat. Berlin ist ein Exil für viele der digital-freiheitlichen Gegner der US-Regierung geworden. Angesichts dieser Nachrichten wirkt die Forderung, auch Snowden hierher zu holen, wieder ziemlich schlüssig.
Der ARD-„Deutschlandtrend“ meldet: 60 Prozent der Deutschen sehen Snowden eher als Helden. Bei der Frage, ob Deutschland ihm Asyl anbieten soll, sind sie laut der Umfrage gespalten: 46 Prozent dafür, 48 Prozent dagegen.
■ Astrid Geisler, 38, ist Parlamentskorrespondentin der taz
■ Gabriela M. Keller, 38, ist Reporterin der taz
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