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Linkspartei: Wolf im Spitzenpelz

Wirtschaftssenator Harald Wolf führt die PDS in den Wahlkampf und schimpft auf die „ökoliberale Politik“ der Grünen. Auch Oskar Lafontaine schmäht „Die Verwelkten“ und fordert Kampf gegen Privatisierungen und Stellenabbau

Nicht nur das sonnige Wetter war schuld, dass so wenige Parteimitglieder den Weg zum PDS-Parteitag fanden. Samstag früh hatten sich nur 90 der fast 130 Delegierten nahe der Neuen Nationalgalerie eingefunden, um Wirtschaftssenator Harald Wolf zu ihrem Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl zu küren. Es lag auch am Realitätssinn der Genossen.

Am Wochenende stellte die Linkspartei ihre Landesliste auf. Natürlich stimmten die PDSler mit großer Mehrheit für Wolf auf Platz 1, hatte der 49-Jährige doch keinen Gegenkandidaten zu fürchten. Der Partei ging es nicht darum, öffentlich schmutzige Wäsche zu waschen, sondern um die Demonstration der Einigkeit. Wie viele nun abstimmten, war da zweitrangig. Hauptsache, das Ergebnis fiel eindeutig aus: Wolf erhielt 86 Prozent der Stimmen.

Wie es sich im beginnenden Wahlkampf gehört, versuchte der Spitzenkandidat, seiner Basis die bevorstehende Arbeit schmackhaft zu machen. „Wir haben die Verhältnisse in der Stadt seit 2001 zum Tanzen gebracht“, rief Wolf im Saal des Hotels Maritim seinen Parteifreunden zu. Doch weiß nicht nur Wolf, sondern auch Bundestagsfraktionschef Oskar Lafontaine, dass Selbstlob nicht zum Sieg reichen wird.

Als Gastredner predigte Lafontaine den Genossen, dass der Feind auch bei den „Verwelkten“ zu suchen sei: den Grünen. In Wahlumfragen liegen PDS und Grüne seit Monaten Kopf an Kopf, schwankend zwischen 12 und 17 Prozent. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) denkt seit langem laut über Rot-Grün in der Hauptstadt nach. Ein klarer PDS-Erfolg müsse am 17. September her, um die Grünen für fünf weitere Jahre in die Opposition zu verbannen. Nur die PDS könne weitere Privatisierungen landeseigener Unternehmen und Personalabbau im öffentlichen Dienst verhindern, so Wolf.

Dass die Delegiertenplätze zu einem Drittel frei blieben, hatte noch einen weiteren Grund. Die Plätze auf der Landesliste waren schon zuvor ausgekungelt worden. Erwartungsgemäß kam Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner auf Platz zwei, die Vizefraktionsvorsitzende Carola Bluhm auf Platz drei und Kultursenator Thomas Flierl auf den vierten Rang. Fraktionschef Stefan Liebich und der Landesvorsitzende Klaus Lederer landeten auf dem achten beziehungsweise zehnten Platz.

Doch da gibt es ein Problem. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 kam die PDS auf sensationelle 22,6 Prozent – 33 Parlamentssitze. 32 davon sind Direktmandate, die die Partei in ihren Ostberliner Hochburgen errang. Wer ein Direktmandat innehat, erhält Vorrang vor den Landeslistenkandidaten. Kurz: Selbst wer auf der Landesliste vorne steht, kann seines Abgeordnetenhaussessels nicht sicher sein.

Heute fehlt ein Zugpferd vom Schlage des damaligen Spitzenkandidaten Gregor Gysi, 18 bis 20 Mandate sind realistisch. Die Delegierten wussten im Vorfeld bereits um die Vergeblichkeit ihres Tuns. Deshalb hatte ein Drittel von ihnen ein sonniges Wochenende. MATTHIAS LOHRE

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