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Der Blick ins Dekolleté: Ist das Flirten – oder schon Sexismus?

AUSSPRACHE Ein Jahr nach dem Brüderle-Skandal und der #aufschrei-Debatte haben wir Protago- nistinnen des Streits an einen Tisch gebeten. Sofort prallten die Ansichten wieder aufeinander. Steht diese feministische Debatte tatsächlich noch am Anfang?

Die Politikerin

■ Gesine Agena, 26, ist im Bundesvorstand der Grünen und dort frauenpolitische Sprecherin. Sie studiert Politikwissenschaft und war bis 2011 Sprecherin der Grünen Jugend. 2012 initiierte sie einen Aufruf für die Quotierung der Spitzenkandidatinnen zur Bundestagswahl in der Partei. In der #aufschrei-Debatte thematisierte sie Sexismus innerhalb der Politik.

INTERVIEW HEIDE OESTREICH UND SIMONE SCHMOLLACK FOTOS DAVID OLIVEIRA

taz: Vor einem Jahr warf die Stern- Autorin Laura Himmelreich dem FDP-Politiker Rainer Brüderle Sexismus vor. Es entbrannte eine Debatte, die Sie alle geprägt haben. Wann ist Ihnen zuletzt Sexismus begegnet?

Anne Wizorek: Im Netz tauchen fast täglich diffamierende Kommentare zu meiner Person auf. Und die sind oft sexistisch, weil sie sich auf mich als Frau beziehen. Etwa, ich sei eine „attention whore“, also aufmerksamkeitsgeil, wenn ich mit den Medien spreche.

Christiane Hoffmann: Aufmerksamkeitsgeil – das ist doch nicht sexistisch.

Wizorek: Das wird aber Frauen viel schneller vorgeworfen als Männern. Mein Anliegen ist angeblich nicht wichtig genug, als dass ich darüber öffentlich sprechen dürfte.

Hoffmann: Die Sucht nach Aufmerksamkeit wird vor allem stark bei männlichen Politikern thematisiert.

Gesine Agena: Der Vorwurf, man suche nur Aufmerksamkeit, wird Frauen auch in der Politik häufiger gemacht als Männern. Das bedeutet auch, dass ihre Anliegen offenbar unwichtig sind.

Frau Hoffmann, haben Sie nie Sexismus erlebt?

Hoffmann: Doch. Ich war als Journalistin lange in Russland und im Iran. Da bin ich sehr handgreiflich angemacht worden. Aber hier im Berliner Betrieb habe ich damit keine Probleme.

Und Sie, Frau Agena?

Agena: Die taz hat mich in einem Interview einmal als Erstes gefragt, wie lange ich morgens für meine Haare brauche. Mit so einer Nebensächlichkeit anzufangen – das hätte man mit einem Mann so nicht gemacht.

Hoffmann: Im ersten Artikel, der im Spiegel über Anton Hofreiter erschien, ging es fast ausschließlich um seine Haare. Das hat sich sehr angeglichen.

Agena: Thema war, ob lange Haare bei Männern noch politisch sind. Das ist etwas anderes.

Hoffmann: Viele Männer fallen halt nicht auf. Haare und Kleidung sind eine Zeichensprache, die von Journalisten, die genau beobachten, gelesen wird. Und wenn Frau Agena nach ihren Haaren gefragt wird, ist das gar nicht negativ gemeint.

Wizorek: Es lenkt von den eigentlichen Kompetenzen ab.

Agena: Es reduziert Frauen auf das Aussehen.

Auch solche Themen wurden vor einem Jahr auf Twitter unter dem Begriff „Aufschrei“ diskutiert. Sie, Frau Wizorek, haben den Begriff damals mit einer Twitter-Nachricht in die Welt gebracht. Wie nennen Sie das, was da passiert ist?

Wizorek: Eine Ad-hoc-Kampagne. Das war insofern zuerst überraschend.

Hoffmann: Mich hat überrascht, wie viele jüngere Frauen mitmachten. Und mich hat überrascht, wie sehr sie sich als Opfer fühlen. Ich habe mich in übergriffigen Situationen immer dagegen gewehrt, Opfer zu sein.

Wizorek: 58,2 Prozent aller Frauen haben laut einer Studie des Familienministeriums sexuelle Belästigung erlebt. Wenn man das bedenkt, ist die Zahl eigentlich nicht mehr überraschend.

Das Thema Sexismus gab es vorher lange nicht mehr. Was war da passiert?

Wizorek: Es wurde jahrelang unter den Teppich gekehrt. Nach dem Motto: Frauen können sich schon selbst wehren. Es brauchte wieder dieses Erlebnis: Ich bin kein Einzelfall, da steckt ein Muster dahinter. Das war für viele ein Aha-Moment. Da haben viele erst verstanden, wozu man Feminismus heute noch braucht.

„Sie können ein Dirndl auch gut ausfüllen.“ Das hat FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle zur Journalistin Laura Himmelreich abends an der Bar gesagt. War das sexistisch oder nicht?

Hoffmann: Ich war an dem Abend auch an der Bar. Ich glaube nicht, dass Brüderle die Kollegin anmachen wollte. Die Bar war ein Ort, wo Smalltalk gemacht wird. Der ist in diesem Fall allerdings total verunglückt.

Wizorek: Es war eine eindeutig sexistische Bemerkung, eine Machtdemonstration. Smalltalk heißt ja wohl kaum, dass man anfängt, über das Dekolleté des Gegenübers zu reden.

Agena: Das war eindeutig Sexismus. Brüderle geht klar über die Intimitätsgrenzen der Frau hinweg.

Hoffmann: Ich sage jetzt mal etwas Unkorrektes: Ich glaube, dass Herr Brüderle auf seine ungeschickte, total gestrige Art versucht hat, ein Kompliment zu machen. Mit Männern finden solche Politiker ganz schnell eine andere Ebene jenseits der Politik. Mit jungen Frauen eben nicht.

Agena: So reflektiert sollte ein Politiker sein, dass er weiß, wo er Grenzen verletzt. Da geht es um Macht.

Hoffmann: Ich glaube nicht, dass es ein Machtgefälle zwischen Politikern und Journalistinnen gibt. Das sieht man doch an diesem Fall: Laura Himmelreichs Artikel hat Rainer Brüderle vernichtet.

Wizorek: Die FDP hatte selbst auch einen guten Anteil daran.

Hoffmann: Warum hat Frau Himmelreich sich nicht gewehrt? Sie hätte ja sagen können: „Sagen Sie mal, ticken Sie noch richtig?“

Die Bloggerin

■ Anne Wizorek, 32, ist selbstständige Beraterin für digitale Medien und engagiert sich für Geschlechtergerechtigkeit. Seit Januar 2013 bloggt sie auf kleinerdrei.org. Sie ist Namensgeberin des Twitter-Hashtags #aufschrei, unter dem mehrere Tausend Nutzerinnen ihre Erfahrungen mit Sexismus kundtaten. Das löste eine umfassende Debatte über Alltagssexismus aus.

Wizorek: Wenn Sie sich die Aufschrei-Tweets ganz genau durchlesen, sehen Sie, dass Frauen sich wehren und dass das noch mehr Gewalt, auch physische, nach sich zieht. Es geht nicht so: Man tut dir was an, du wehrst dich, und dann ist alles gut. Weil wir in einer sexistischen Gesellschaft leben, ist der Täter am Ende immer geschützt. Was er macht, ist normal, die Frau ist die Querulantin. Viele Frauen schämen sich auch und lassen so etwas daher über sich ergehen.

Agena: Das war genau die Funktion von „Aufschrei“: Zeigen, dass man sich nicht mehr schämt, weil man Opfer wurde, sondern diese Rolle zurückweist. „Aufschrei“ war die geballte Kraft von Frauen, die sagen: Das machen wir nicht mehr mit.

Frau Hoffmann, Brüderle hatte auch schon den Arm um Ihre Schulter gelegt, Sie sind einfach gegangen. Ist das nicht feige?

Hoffmann: Das kann eine vernünftige Art sein, mit Übergriffen umzugehen. Ich habe mich so entschieden, weil ich Brüderle keine bösen Absichten unterstellt habe. Er hat mich als Journalistin immer respektiert. Ich glaube auch nicht, dass Frau Himmelreich hilfsbedürftig war.

Wizorek: Nicht jede sexistische Äußerung signalisiert eine Gefahrensituation. Vieles ist einfach nur unfassbar nervig.

Hoffmann: Genau. Und dann kann ich mich dem entziehen oder mich wehren. Frauen müssen aus der Opferrolle herauskommen.

Agena: Erst werden sie zu Opfern gemacht, und dann sollen sie sich bitte selbst daraus befreien? Das ist doch eine Verkehrung der Verantwortung.

Wizorek: Die taz-Autorin Margarete Stokowski hat gerade einen Text zu „Aufschrei“ geschrieben mit dem Schlusssatz: „Eine Gesellschaft, in der eine Frau ständig zum Rückschlag bereit sein muss, ist eine Arschlochgesellschaft.“ Die Twitter-Userin Ninia LaGrande hat ebenso schön zusammengefasst: „Das Problem ist nicht das Sich-wehren-Können, sondern das Sich-wehren-Müssen.“

Leuchtet Ihnen das ein, Frau Hoffmann?

Hoffmann: Ich nehme das Verhältnis zwischen den Geschlechtern als weniger problematisch wahr als Sie.

Agena: Wir nehmen es nicht als problematischer wahr, wir haben nur höhere Erwartungen.

Hoffmann: Ich würde nicht sagen, dass wir in einer sexistischen Gesellschaft leben.

Wizorek: Wie soll ich das denn nennen, wenn ich 2014 darüber diskutieren muss, ob Männer den Busen von Frauen kommentieren dürfen oder nicht? Allein schon, dass so etwas aus der männlichen Perspektive besprochen wird, ist übrigens ein eindeutiges Indiz dafür, dass wir in einer sexistischen Gesellschaft leben. Wir wollen, dass sich das mal weiterentwickelt.

Agena: Deshalb hat der „Aufschrei“ überhaupt so eingeschlagen. Viele haben gesagt: Diese Gesellschaft ist gleichberechtigt. Kanzlerin, Ministerinnen – wo ist das Problem? „Aufschrei“ hat gezeigt, dass dieses Gefühl trügt.

Hoffmann: Wir reden pausenlos über Frauen. Die Emanzipation der Frauen und ihre veränderte Rolle haben aber auch fundamentale Auswirkungen auf die Männer. Sie fühlen sich bedroht, sie sind verunsichert. Darüber wird kaum gesprochen.

Im Spiegel wird pausenlos über Frauen gesprochen?

Hoffmann: Der Spiegel war lange ein extrem männerdominierter Betrieb. Mehrere Frauen haben aus diesem Grund das Hauptstadtbüro verlassen.

Und wie ist das heute?

Hoffmann: Das wirkt bis heute nach. Aber es ändert sich, je mehr Frauen es in den Redaktionen gibt. Viele, vor allem jüngere Kollegen, wollen eine andere Kultur, auch die Männer.

Um Frauen zu fördern, gäbe es ja ein Instrument: die Quote.

Hoffmann: Ich habe viel Sympathie für die Quote, bin aber trotzdem keine Anhängerin. Ich hoffe immer noch, dass Frauen es schaffen, sich selbst durchzusetzen.

Gibt es Sexismus bei den Grünen, Frau Agena?

Agena: Deutlich weniger als in anderen Parteien. Bei uns gibt es allein durch die Quote keine Männerklubs mehr. Frauen haben die gleichen Redeanteile. Auch bei uns fällt im Informellen mal ein Machospruch. Aber Sexisten, die Frauen systematisch degradieren, hätten bei uns keine Überlebenschance.

Die Journalistin

■ Christiane Hoffmann, 46, ist stellvertretende Ressortleiterin im Parlamentsbüro des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Zuvor arbeitete sie als Korrespondentin der FAZ in Moskau und in Teheran. Sie hat zwei Töchter. Zur Brüderle-Debatte trug sie einen Text im Spiegel bei, dessen Unterzeile lautete: „Warum wir Frauen aufhören sollten, uns zu Opfern zu erklären“.

War es sexistisch, als Ihr Fraktionschef Jürgen Trittin 2009 seiner damaligen grünen Kollegin Agnes Krumwiede im Bundestag ganz offen auf den Hintern starrte? Ein Video zeugt davon.

Agena: Ich glaube nicht, dass Jürgen Trittin bewusst auf ihren Hintern geguckt hat. Er hat sich immer für Gleichberechtigung starkgemacht und sich für die Einhaltung der Quote eingesetzt. Er ist definitiv kein Sexist.

War sein Starren auf den Hintern sexistisch?

Agena: Wenn Männer bewusst Blicke einsetzen, um Frauen zu zeigen, dass man sie auf das Geschlecht reduziert, ist das sexistisch. Das war in diesem Fall einfach nicht so.

Sexismus geht mit Abwertung einher. Machen Sie in der Politik solche Beobachtungen?

Agena: Dass es Sexismus im Politikbetrieb gibt, zeigt allein die Laura-Himmelreich-Debatte. Selbst bei den Grünen kommen Abwertungen hin und wieder vor. Da bringt etwa eine Frau eine Idee auf, und niemand reagiert. Dann kommt ein Mann mit derselben Idee, bauscht sie ein wenig auf, und alle sagen: Super Idee, so machen wir das jetzt.

Hoffmann: Ich kenne diese Situation genau. Aber wir Frauen müssen lernen, uns besser zu verkaufen. Wir kommen nicht weiter, wenn wir beklagen, wie Männer sind.

Agena: Männer sollten lernen, dass es so nicht geht. Das passiert nur, indem man Aufmerksamkeit dafür schafft, zum Beispiel mit „Aufschrei“. Und indem die Strukturen verändert werden: Die Männer, die von Anfang an mit Quoten aufwachsen, bekommen automatisch mit: Ich muss die Macht teilen.

Wizorek: Wenn Durchsetzungsvermögen nicht als akzeptiertes Verhalten für eine Frau gilt, sondern sie als Querulantin wahrgenommen wird, dann ist das Problem komplexer. Und man kann nicht sagen: Wir müssen uns alle männlich verhalten, und dann geht das schon. Wir müssen eher eine Kultur schaffen, in der alle gehört werden, ohne sich wie Kampfhähne aufzuführen.

Frau Hoffmann, glauben Sie, dass eine Kampagne wie „Aufschrei“ eine Änderung bewirken kann?

Hoffmann: „Aufschrei“ und Laura Himmelreich hatten enorme Wirkung auf die Politik. Brüderle war danach ein gebrochener Mann, sein Image: ein ältlicher Lüstling, ein Mann von gestern. Sein Zustand hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die FDP aus dem Bundestag geflogen ist. Und dieser überkommene Männertypus hat ausgestrahlt auf Peer Steinbrück und sogar auf Jürgen Trittin. Weibliche Wähler wurden dadurch abgeschreckt. Die SPD zieht jetzt die Konsequenz und stellt endlich mehr Frauen nach vorne.

War das eine Vernichtungsaktion oder eine segensreiche Entwicklung?

Wizorek: Brüderle hat sich selbst sabotiert. Er hätte sich ja auch entschuldigen können.

Hoffmann: Das hätte er tun sollen. Es war ein riesiger Fehler, dass er es nicht getan hat.

Agena: Die FDP als Ganzes hat ein Sexismusproblem.

Eine Folge ist, dass FDP-Mann Wolfgang Kubicki nicht mehr allein mit Journalistinnen unterwegs ist. Frau Wizorek, haben Sie das gewollt?

Wizorek: Ich finde es nicht sehr schlau von ihm, so zu reagieren, wenn es darum geht, das gesellschaftliche Miteinander zu verhandeln.

Der #aufschrei

■ Anfang: Als einige Twitter-Nutzerinnen in der Nacht vom 24. auf den 25. Januar 2013 über Sexismus im Alltag schreiben, mischt sich auch Anne Wizorek als @marthadear ein: „Wir sollten diese Erfahrungen unter einem Hashtag sammeln. Ich schlage #aufschrei vor.“ Hashtags sind Filter für ein bestimmtes #Thema.

■ Ausschnitte: @EinAugenschmaus: „Du hast so schöne Beine – wie wär’s, wenn du sie für mich breitmachst?“ Ich: „Hau ab!“ Oberschenkeltätscheln. „Wer nicht will..“ #aufschrei @schwarzblond: Seit Anfang an und immer noch überlegen, wo man nachts langlaufen kann. #aufschrei @FrDingens: Liebe Männer*, bei #Aufschrei geht es nicht darum „euch alle zu verteufeln“ sondern alltägliche Erfahrungen in Masse sichtbar zu machen. @Fischblog: Die Art, wie einige Herren glauben, #aufschrei kommentieren zu müssen, finde ich ausgesprochen unverschämt.

Was erreicht Kubicki denn damit, wenn er so etwas verkündet?

Wizorek: Das sind die klassischen Ablenkungsargumente: „Hab dich mal nicht so.“ Damit wird ins Lächerliche gezogen, was an sexuellen Übergriffen unter „Aufschrei“ beschrieben wurde. Wenn sich Männer wie Kubicki nun hinstellen und sagen, sie wüssten jetzt nicht mehr, was sie tun sollen, dann sollten sie sich mal weiterbilden.

Hoffmann: Ich nehme eine ehrliche Verunsicherung von Männern wahr, was ihre Rolle angeht und die Frage, was eine positiv besetzte Männlichkeit sein kann. Testosteron ist zum Schimpfwort geworden. Dazu gehört auch, wie dominant oder zurückhaltend sie beim Flirten sein dürfen. Nehmen wir mal den Blick aufs Dekolleté. Kann das ein Teil des Flirts sein?

Agena: Es geht nicht darum, einen Kriterienkatalog aufzustellen. Kubickis Verhalten ist so unverschämt, weil er die ganze Debatte umdreht und sagt: Ihr Frauen seid schuld daran, dass ich jetzt immer allein Aufzug fahren muss.

Hat „Aufschrei“ darüber hinaus weitergeholfen?

Wizorek: Auf der emotionalen Ebene hat „Aufschrei“ ein hohes Identifikationspotenzial geboten. Das war hilfreich. Und es hat sichtbar gemacht: Es gibt ein Problem. Und jetzt müssen wir gucken, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Wie gehen wir respektvoll miteinander um?

Agena: Wir Grüne erleben, dass es wieder deutlich mehr junge Frauen gibt, die sich für Feminismus und Frauenpolitik interessieren. „Aufschrei“ hat dazu beigetragen.

Alice Schwarzer sagte: „Die alte Kacke dampft noch.“ Gibt es seit dieser Debatte einen Schulterschluss zweier Generationen, die sich sonst stark voneinander abgrenzen?

Wizorek: In der Sexismusdebatte sind wir uns einig. Aber das ist kein Generationending, es gibt immer Punkte, in denen man übereinstimmt, und in anderen nicht. Das sieht man auch an der Prostitutionsdebatte. Da gibt es auch viele Altfeministinnen, die die Emma-Kampagne für ein Prostitutionsverbot nicht unterstützen.

Was hat „Aufschrei“ denn Ihrer Ansicht nach bewirkt, Frau Hoffmann?

Hoffmann: Die konkrete Folge war, dass Herr Brüderle nicht mehr mit mir gesprochen hat. Ich glaube, er hat es nicht ertragen, dass ich ihn in einem Artikel als Opfer dargestellt habe. Er hat das vermutlich als imageschädigend empfunden. Insgesamt sind Politiker im Umgang mit weiblichen Journalisten vorsichtiger geworden. Das kann man positiv sehen – aber auch eine gewisse Angespanntheit daraus ablesen, die nicht immer nur positiv ist.

Wizorek: Die Anspannung kann ja vielleicht auch einen Lernprozess in Gang setzen.

Heide Oestreich, 45, und Simone Schmollack, 49, sind taz-Redakteurinnen für Geschlechterpolitik

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