Hisbollahs Macht, Israels Ohnmacht: KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY
Wenngleich sie damit einen Flächenbrand riskiert: Hisbollah hat erfolgreich eine zweite Front eröffnet. Die international fast in Vergessenheit geratene Schiitenorganisation hat sich in Szene gesetzt. Die arabische öffentliche Meinung kann sich kaum ihrer Logik entziehen, dass das Verschleppen israelischer Soldaten nicht minder legitim oder illegitim ist als das Einsperren tausender arabischer Gefangener in israelischen Gefängnissen ohne rechtsstaatliches Verfahren. Selbst gemäßigte arabische Regime sind daher heute gezwungen, die Hisbollah zu unterstützen oder zu schweigen.
Auch die Angriffe Israels im Südlibanon kommen der Hisbollah gelegen. Als einzige Kraft beantwortet sie die Militärschläge ebenfalls militärisch. Die innerlibanesische Diskussion über die Entwaffnung Hisbollahs ist nun vorbei. Das gilt umso mehr, als die libanesische Armee erneut beweist, dass sie die Souveränität ihres Landes nicht garantieren kann. Aber die Hisbollah pokert hoch. Sie hat auch eine Situation geschaffen, die US-Präsident George Bush und Israels Premier Ehud Olmert nutzen können, um offene Rechnungen mit Damaskus und Teheran zu begleichen. Beide gelten als Verbündete Hisbollahs – und die Gelegenheit ist günstig. Doch das kann den Flächenbrand entfachen.
Bisher belegt die israelische Machtdemonstration im Libanon und in Gaza allerdings nicht viel mehr als Machtlosigkeit. Militärische Stärke ist nur nützlich, wenn dadurch ein politisches Ziel erreicht wird. Mit den Angriffen auf die libanesische Infrastruktur soll die Regierung in Beirut unter Druck gesetzt werden, damit sie diesen an Hisbollah weitergibt. Ganz Libanon soll den Preis für Hisbollah bezahlen, lautet der israelische Slogan. Eine Taktik, die schon bisher nicht funktioniert hat. Im Gegenteil – sie hat stets zum Schulterschluss unter den Libanesen geführt.
Dass die israelische Armee tatsächlich in den Libanon einmarschiert und dort bleibt, ist zweifelhaft. Wir erinnern uns an die Erleichterung der israelischen Soldaten, als sie nach hohen Verlusten das letzte Mal dort ihre Zelte abgebrochen haben. Letztendlich zeigt der neue Brandherd im Libanon, dass die Nahostfrage einfach international neu aufgerollt werden muss.
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