Grüne schelten SPD: Rückzugsgefechte, keine Angriffe
Der Traum der Grünen ist ausgeträumt. Nichts hat ihnen genützt. Nicht die Wahlkampfmonate, in denen die Grünen die SPD zugleich kritisierten und umwarben. Nicht der massive Stimmenzuwachs bei der Abgeordnetenhauswahl. Und nicht die euphorisch begonnenen Sondierungsgespräche mit der SPD. Die Grünen müssen nun eine neue Rolle finden. Ihr erster Reflex: Vom Schmuse- wechseln sie auf den Konfrontationskurs. Doch das wird nicht reichen.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Führende Grüne beschuldigen die SPD, von ihr nur zu Wahlkampfzwecken missbraucht worden zu sein. Wowereit habe Sympathie für Rot-Grün vorgetäuscht, um Stimmen für die SPD einzusammeln – Rot-Rot aber stets gewollt. Das mag stimmen. Doch zeigt es nur, wie abhängig die Grünen noch immer von einem Bündnis mit der SPD sind.
Die Sozialdemokraten haben mit der Linkspartei einen zweiten Partner gefunden, mit dem es sich regieren lässt. Die Grünen aber können nur so tun, als eröffneten sich ihnen neue politische Bündnisse. Denn Berlin ist weit von einer schwarz-gelb-grünen Koalition entfernt. Mindestens eine Legislaturperiode lang werden die Grünen abhängig bleiben von sozialdemokratischer Gunst. Die Tiraden gegen die SPD sind daher keine kühnen Angriffe, sondern Rückzugsgefechte.
In der Opposition müssen die Ex-Alternativen lautstark vertreten, wofür sie im Wahlkampf geworben haben: Geld aus Mehrwertsteuermehreinnahmen für Schulen, Förderung von Umwelttechnologien und wettbewerbsfähige Verkehrsunternehmen. Die Grünen dürfen sich nicht länger als weltläufigeres Gegenstück zur PDS verkaufen. Ihr Anbiedern gegenüber der SPD hat nichts gebracht. Eine selbstbewusste Oppositionsarbeit könnte den Grünen sogar mehr nutzen als das Mitregieren.
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