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Sie ist der Albtraum ihrer Gegner

Mit einem Sieg ihrer Demokraten könnte Nancy Pelosi bald die erste Frau an der Spitze des Repräsentantenhauses in der Geschichte der USA werden

AUS WASHINGTON BERND PICKERT

Heute ist ihr Tag. Wenn sich nicht alle Demoskopen verrechnet haben, dann werden die US-amerikanischen WählerInnen heute mehr Demokraten als Republikaner ins US-Repräsentantenhaus wählen – und damit wird sie, Nancy Pelosi, im Januar die erste Sprecherin des Hauses in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Um ihre eigene Wiederwahl muss sich die 66-jährige Pelosi dabei am wenigsten Sorgen machen: Schon seit fast 20 Jahren vertritt sie auf Capitol Hill einen der liberalsten Wahlkreise der USA, den 8. Kongressbezirk in Kalifornien mit der Stadt San Francisco und ein bisschen drumherum.

Selbst wenn sie ihren WählerInnen mitunter nicht links genug ist, zeigt ihr Abstimmungsverhalten zu ideologischen Kernfragen doch einen lupenreinen Rekord US-amerikanischer Liberals. Pelosi ist für das Recht auf Abtreibung, für eingeschränkten Waffenbesitz, für Migrantenrechte sowie für staatlich finanzierte Bildungs- und Gesundheitsprogramme – auch wenn dafür die Steuern erhöht werden müssen. Sie ist gegen den Irakkrieg, aber für Bürger- und Freiheitsrechte. Und selbst wenn sie im Wahlkampf von der vehementen Verteidigung der Homoehe abgerückt ist: Nancy Pelosi ist der Frau gewordene Albtraum der Konservativen.

Im Wahlkampf malten sie deshalb Pelosi als Schreckgespenst an die Wand: In TV- und unzähligen Radiospots warnten die Republikaner dringend vor der Gefahr aus dem Sündenpfuhl San Francisco. Nur: „Es ist verdammt schwierig, jemanden zu verteufeln, den niemand kennt“, sagt ein republikanischer Wahlkampfberater der New York Times: „Niemand wird aus Angst vor Nancy Pelosi einen Republikaner wählen.“

Tatsache ist: Die unter ihrem Familiennamen D’Alesandro in Baltimore, Maryland, geborene Tochter italienischer Einwanderer würde mit ihrer Wahl zur Sprecherin des Hauses zur mächtigsten Frau der USA aufsteigen. Selbst wenn der Senat in republikanischer Hand bliebe, wäre die Millionärsgattin die wichtigste Gegenspielerin des Präsidenten George W. Bush in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit.

Dass sie ihm das Leben nicht leicht machen würde, das zeigt bereits ihre straffe Fraktionsführung in den letzten vier Jahren, seit sie nach den ziemlich misslungenen Zwischenwahlen 2002 zur demokratischen Fraktionschefin gewählt wurde: So konzentriert wie seit vielen Jahren nicht mehr haben die demokratischen Abgeordneten unter ihrer Leitung auf Linie gewählt. Das Magazin Time notiert: „Im ganzen letzten Jahr hat Pelosi verlangt, dass die Demokraten geschlossen gegen republikanische Gesetzentwürfe stimmen. Indem sie den Republikanern keine Stimmen borgten, haben die Demokraten moderate Republikaner gezwungen, etwa für Kürzungen bei Medicaid und anderen Sozialprogrammen zu stimmen – wofür sie diese Moderaten dann wiederum in Fernsehen scharf angegriffen haben.“

Übernehmen die Demokraten die Mehrheit im Haus und bleiben sie gleichzeitig einigermaßen geschlossen, wird Präsident Bush in seinen letzten zwei Amtsjahren kaum noch Chancen haben, seine Agenda wie bisher durch den Kongress zu peitschen. Er würde schon ab Januar zur Lame Duck, zur lahmen Ente, die nicht mehr viel machen kann. Denn wer die Mehrheit hat, bestimmt die Agenda des Kongresses und seiner Ausschüsse. Auch deren Vorsitz ginge an die Demokraten über. Da ist etwa der Abgeordnete Ike Skelton aus Missouri. Er wird vermutlich den Vorsitz des Verteidigungsausschusses übernehmen – und vertritt die Position, die USA sollten schon in diesem Jahr mit einem Rückzug aus dem Irak beginnen. Für die Demokraten allerdings begänne mit der Mehrheitsübernahme gleichzeitig eine schwierige Zeit im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2008. Positionen wie die Pelosis gelten weiter als nicht mehrheitsfähig für zukünftige Präsidentschaftskandidaten.

Streiten sich die demokratischen Hoffnungsträger im Senat, also vor allem Barack Obama und Hillary Clinton, aber zu offen mit ihren eigenen Parteifreunden im Haus, wird ihre Regierungsfähigkeit angezweifelt werden. Und: Konnten die Demokraten in den vergangenen sechs Jahren stets darauf verweisen, dass das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses fest in republikanischer Hand waren und sie selbst daher keinerlei Verantwortung trugen, werden sie künftig als Teil des Prozesses gesehen werden. In dieser Situation eine politische Balance zu finden, die den erwarteten Wahlsieg am heutigen Dienstag nicht zur Eintagsfliege macht – das ist eine der wichtigsten Aufgaben Nancy Pelosis.

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