: Kritik an Berlin und Warschau
Ausschuss des Europaparlaments verschärft seinen Abschlussbericht über CIA-Geheimflüge
AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
Der CIA-Ausschuss des EU-Parlaments hat seinen Abschlussbericht gestern deutlich verschärft. Einige Regierungen, darunter auch Deutschland, werden deutlich kritisiert. Sie hätten illegale Aktivitäten der CIA auf ihrem Territorium zumindest geduldet und unzureichend mit dem Ausschuss zusammengearbeitet. Lediglich die Konservativen (EVP) distanzierten sich von diesen Vorwürfen. „Es gibt nach unseren Erkenntnissen keine Belege dafür, dass Regierungen und Geheimdienste der EU-Mitgliedstaaten in die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes involviert waren“, sagte Ewa Klamt, innenpolitische Sprecherin der EVP.
Mit den Stimmen von Liberalen, Grünen, Sozialisten und Linkspartei wurde hingegen der Verdacht in den Bericht eingefügt, dass im Fall Kurnaz deutsche Dienste Ermittlungserkenntnisse an amerikanische Stellen weitergaben: Der Bericht stellt fest „dass Murat Kurnaz in den Verhören Details aus seinem persönlichen Leben vorgehalten worden sind“. Im Fall des Deutschtunesiers El Masri wird festgestellt, „dass die deutschen Behörden von der rechtswidrigen Entführung mindestens Kenntnis hatten. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages wird aufgefordert, „seine Ermittlungen fortzusetzen und die Rolle von deutschen Beamten in dieser Angelegenheit zu klären.“
Viele Erkenntnisse, auf die sich der Bericht in seiner neuen Fassung bezieht, stammen aus vertraulichen Dokumenten oder Gesprächen von Ausschussmitgliedern mit ehemaligen CIA-Mitarbeitern, die ihre Identität nicht preisgeben wollen. Die Exgeheimdienstler schätzen, dass es in den letzten Jahren 30 bis 50 Fälle von Verschleppungen gegeben hat. Sie bezeichnen es als „sehr klar“, dass die Behörden derjenigen Länder, aus denen „außerordentliche Überstellungen“ stattgefunden hätten oder wo Geheimgefängnisse eingerichtet waren, von den illegalen Vorgängen unterrichtet waren. Besonders gut sei die Zusammenarbeit mit den Diensten in Deutschland, Frankreich, Italien und den östlichen EU-Ländern.
Vonseiten der EVP wird kritisiert, dass derartige interne Erkenntnisse nicht gerichtsverwertbar seien. Außerdem habe der Ausschuss Regierungen danach beurteilt, ob sie dem Parlament mit hochrangigen Zeugen „ihre Referenz erwiesen“ hätten. So habe der spanische Außenminister „sehr jovial und wortgewaltig“ seine Sache vertreten. Deshalb komme Spanien im Bericht trotz zahlreicher ungeklärter CIA-Flüge über Palma de Mallorca gut weg. Polen hingegen habe die Zusammenarbeit verweigert, da es dem Gremium die Legitimität abspricht, über innerpolnische Vorgänge zu urteilen. Entsprechend harsch seien im Bericht die Abschnitte über Polen ausgefallen.
Der Ausschuss fordert die EU-Kommission und den Rat auf, zu klären, ob die kritisierten Regierungen die Grundwerte der EU teilen. Polen droht als Folge dieser Prozedur im extremsten Fall die Aussetzung seiner Stimmrechte nach Artikel 7 EU-Vertrag.
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