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Dresdner Stadtschreiber schreibt rechts

Die Presse der sächsischen Landeshauptstadt hält den Autoren Ulrich Schacht als Stadtschreiber für politisch untragbar, weil er ein verkappter Rechtsradikaler sein soll. Die Jury, die ihn gewählt hat, verbittet sich vehement jegliche politische Einmischung

Für Ulrich Schacht sind die 68er ebenso schlimm wie Stasi-Mitarbeiter

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Ulrich Schacht kandidierte 1997 in Hamburg für den rechtskonservativen „Bund freier Bürger“ und arbeitete als Autor für neurechte Postille Junge Freiheit. Jetzt soll er Stadtschreiber Dresdens werden. Nach Berichten in der Lokalpresse wird nun darüber diskutiert, ob der Mann politisch tragbar ist.

SPD-Stadtrat Wilm Heinrich beschleicht ein „mulmiges Gefühl“. Die Grünen erinnern daran, dass er wie die Nazis Opfer linker und rechter Gewalt gegeneinander aufrechne.

Keine der Parteien erhebt bisher die Forderung, Schacht solle sein Amt im April nicht antreten. Zur Linkspartei ist die problematische Personalie scheinbar noch gar nicht vorgedrungen. Der CDU sind keine verfassungsrechtlich bedenklichen Positionen Schachts bekannt. Brisant ist seine Wahl durch eine Dresdner Literatenjury Ende voriger Woche dennoch. Der 55-Jährige ist zum einen ein wortmächtiger Erzähler und Lyriker. Seine literarische Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit gerade im jüngsten Erzählband „Verrat. Die Welt hat sich gedreht“ steht an Sensibilität einem Film wie „Das Leben der anderen“ nicht nach.

Zum anderen scheint Schacht aber nach wie vor ein biografisches Trauma aufarbeiten zu müssen, das ihn in die Nähe des rechten Randes treibt. Er wurde im Frauengefängnis Hoheneck geboren und saß später selbst fast vier Jahre in einem Stasi-Gefängnis, aus dem er 1976 freigekauft wurde. Ein fanatischer Hass auf die DDR und ihr Erbe wie auf die 68er spricht aus Artikeln in der Welt am Sonntag, der Zeit, dem politischen Magazin Cicero oder eben der Jungen Freiheit und dem Ostpreußenblatt. Bei einer Lesung in Rostock bezeichnet er die 68er als „Menschen vom gleichen Typus wie die bei der Stasi“.

Vor dem „Augiasstall“, den sie hinterlassen hätten, ist er mittlerweile nach Schweden geflohen. Seine journalistischen Arbeiten hätten bei der Juryentscheidung nicht zur Debatte gestanden, sagte der Dresdner Schriftsteller Norbert Weiß. Die seien ihm auch nicht sympathisch. „Die Auswahl unter 90 Bewerbern erfolgte nach literarischer Qualität.“ Er bekomme seinerseits ein „mulmiges Gefühl“, wenn der Stadtrat aus politischen Gründen erstmals eine Juryentscheidung für die Stadtschreiberstelle kippen würde. „Das muss die Stadt aushalten!“

Schacht selbst, der für die taz in Schweden gestern nicht erreichbar war, hatte gegenüber den Dresdner Neuesten Nachrichten erklärt, die SPD habe sich bei der „Internet-Gestapo“ über ihn informiert, anstatt ihn zu lesen. „Dem generösen Amt des Stadtschreibers wurde aus billiger Political Correctness heraus Schaden zugefügt.“ Dieser Meinung ist Jurymitglied Norbert Weiß angesichts der „überzogenen Diskussion“ ebenfalls. Die Entscheidung in der Jury fiel einstimmig, also auch unter Zustimmung beispielsweise des angesehenen Literaturwissenschaftlers Klaus Stiebert. Der im Kulturamt der Stadt zuständige Wolfgang Mähnert, ebenfalls Jurymitglied, hält die Entscheidung für bindend. Neue Überlegungen müssten nur angestellt werden, „wenn sich Schacht tatsächlich als ein verkappter Neonazi herausstellen sollte.“

Stadtsprecher Kai Schulz hatte eine Sichtung der Fakten und eine „besonnene Abwägung“ angekündigt. In der kommenden Woche soll Ulrich Schacht vom Kulturausschuss des Stadtrates angehört werden. Er selbst hält sich für einen „konsequenten Antinazi wie Antikommunisten“. Die Stadtschreiberstelle in Dresden wird von der Sparkassenstiftung mit 900 Euro monatlich und freier Wohnung gefördert. Die Stadtschreiber amtieren ein halbes Jahr und sollen neben ihrem sonstigen literarischen Schaffen sich auch mit Dresden beschäftigen.

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