piwik no script img

Die Hauptstadt des Konflikts

Der Krieg dauerte 1967 zwar nur sechs Tage, dafür tobt seit 40 Jahren zwischen Israelis und Palästinensern der Streit um Jerusalem – ohne Annäherung

SECHS TAGE KRIEG

Am 5. Juni 1967 brach der Sechstagekrieg zwischen Israel und einer Allianz aus Ägypten, Jordanien und Syrien aus. Ägypten hatte zuvor die für Israel lebenswichtige Wasserstraße von Tiran blockiert und war auf dem Sinai aufmarschiert. Eingekreist von arabischen Armeen antwortete Israel mit einem massiven Präventivschlag. Nach nur sechs Tagen endete der Krieg. Die arabische Allianz hatte mehr als 15.000 Opfer zu beklagen, rund 700 Israelis starben. TAZ

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

„Wann immer wir Schüsse hörten, versteckten wir uns hinter einer Mauer, bis die Schlacht wieder vorbei war“, erinnert sich Siad Abu Siad an die Kämpfe um seine Heimatstadt vor 40 Jahren. „Das war nicht unser Krieg“, sagt der ehemalige palästinensische Minister für Jerusalem-Angelegenheiten. Von wenigen Soldaten der jungen PLO abgesehen waren es jordanische Truppen, die um Jerusalem kämpften.

Für die palästinensischen Flüchtlinge bedeutete der Ausgang des Sechstagekriegs, der vor 40 Jahren am 5. Juni 1967 ausbrach, das vorläufige Ende ihres Traums. Die Israelis jubelten. Innerhalb von sechs Tagen hatten die jüdischen Soldaten den gesamten Sinai, die Golanhöhen und das Westjordanland besetzt, darunter Ostjerusalem. Das von Israel kontrollierte Land reichte vom Jordantal bis zum Sueskanal. Zwar erließ die UNO noch im gleichen Jahr eine Resolution, in der Israel zum Rückzug aus den besetzten Gebieten und eine gerechte Lösung für das Flüchtlingsproblem aufgefordert wurde, doch fanden darin weder die Palästinenser noch die PLO namentlich Erwähnung, nur Jordanien.

Trotz der Euphorie über den Sieg machten sich unter den Israelis bald die ersten Zweifel bemerkbar an den Chancen, mit den arabischen Nachbarn Frieden zu schließen. „Wann werden wir die Altstadt von Jerusalem wieder zurückgeben und an wen“, fragte damals der Erziehungsminister Salman Aran. Die Debatte war bald beendet. Die Abgeordneten der Knesset, darunter auch der spätere Friedensaktivist Uri Avnery, stimmten mehrheitlich für die Annexion Jerusalems.

Über die restlichen Gebiete wollten die Israelis verhandeln. Er warte, so meinte der damalige Verteidigungsminister Mosche Dajan „auf einen Telefonanruf“ aus Jordanien. Der Anruf blieb aus. Knapp drei Monate nach dem Krieg verabschiedete der arabische Gipfel, der in Khartum tagte, seine „3-Nein-Resolution“: nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit dem jüdischen Staat und nein zum Frieden. Im Juni 1968 schloss sich der Palästinensische Nationalrat der Resolution nahezu im Wortlaut an und fügte hinzu, dass die Befreiung Palästinas fortan durch den bewaffneten Kampf vorangetrieben werden müsse.

Der Nahostkonflikt war zementiert, Jerusalem geteilt – und die in der Heiligen Stadt lebenden Palästinenser blieben Jordanier. Aus politischen Gründen lehnten es die meisten ab, die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen. „Wir sind Touristen mit einer Aufenthaltsgenehmigung, die aber jederzeit beendet werden kann“, erklärt Siad Abu Siad – „bis heute“. „Visa expired“ (Visum abgelaufen), so der palästinensische Politiker, „ist eine der Säulen der antiarabischen Politik in Ostjerusalem“. Ziel Israels sei nach wie vor, die Zahl der Araber zu reduzieren und die Zahl der Juden in der Stadt zu steigern. Auf der jüdischen Seite boomt das Baugeschehen, auf arabischer gebe es noch immer dramatische Einschränkungen. „Es ist fast unmöglich, eine Baugenehmigung zu bekommen“, erklärt Abu Siad. Die muslimisch-christliche Bevölkerung wurde zum illegalen Bau gezwungen, immer bedroht von dem Abriss des eigenen Heims oder auf der Suche nach Auswegen in den Vororten.

„Milliarden von Dollar wurden investiert, um rund 200.000 Juden in den Ostteil der Stadt und umgebende Siedlungen zu bringen“, schreibt der Stadthistoriker Mosche Amirav in seinem Buch „Das Jerusalem-Syndrom“. Israel sei trotz großer Anstrengungen „daran gescheitert, die Stadt zu vereinen“. Ende der 80er-Jahre, als sich die Palästinenser Jerusalems der Intifada anschlossen, verkündete Bürgermeister Teddy Kollek: „Die Koexistenz ist tot.“

Doch mit der angestrebten demografischen Veränderung zugunsten der jüdischen Bevölkerung läuft es nicht ganz so wie gedacht. Gerade der Aufstieg des rechten Likud, der 1977 unter Menachem Begin die Regierung übernahm, führte während der 80er- und 90er-Jahren zum Wegzug von 120.000 Juden aus dem Stadtkern in die anliegenden Siedlungen. Ergebnis sei ein Bevölkerungswachstum von 3,5 Prozent unter den Arabern im Vergleich zu nur 1,5 unter den Juden.

Daran hat sich bis heute wenig geändert. „Jerusalem im Jahr 2007 ist eine Stadt, die von ihren Bewohnern verlassen wird“, schrieb unlängst die Ha’aretz. „Die Zahl der Araber, die in der Stadt leben, wächst und verändert das demografische Verhältnis zu eigenen Gunsten, während die Welt eine Anerkennung der Souveränität Israels über die Stadt verweigert.“ Selbst die USA lehnen es ab, Jerusalem als Hauptstadt Israels zu bezeichnen.

„Es ist ein Spießrutenlaufen, wenn man versucht, Papiere zu bekommen“, berichtet Abu Siad. Jeder Gang zur Behörde zwingt die Palästinenser nachzuweisen, dass sie ihr Lebenszentrum in Jerusalem haben. Wer ein neugeborenes Kind registrieren lassen will oder einen Antrag auf Reisedokumente stellt, muss den Zahlungsnachweis für die Fernsehgebühren vorlegen.

Um ihren Status als Bürger Jerusalems nicht einzubüßen, zogen 1993, als Israel und die PLO über die Osloer Friedensprinzipien einig wurden, zahlreiche Palästinenser in die Stadt zurück, die sie zuvor aufgrund der Enge in den Häusern verlassen hatten. 40.000 Menschen, so sagt Abu Siad, „leben in kleinen Einzimmerwohnungen“, um die blaue ID-Karte für Jerusalem behalten zu können. Der Ausweis bedeutet für sie Reisefreiheit und eine deutlich bessere Gesundheitsversorgung als im Rest der Palästinensergebiete.

Für Abu Siad kam es „wenig überraschend“, als im Sommer 2000 die israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen in Camp David an der Jerusalem-Frage scheiterten. „Beide Parteien begreifen nicht, wie wichtig die Stadt für die jeweils andere Seite ist.“

Um den Konflikt zu lösen, müsse Jerusalem bei künftigen Verhandlungen außen vor bleiben, meint Mosche Amirav. „Arafat wollte, dass die palästinensische Flagge auf dem Tempelberg weht“, erinnert er sich an Camp David. Einzige Lösung sei eine Internationalisierung Jerusalems. Ein Vorschlag, den Palästinenserpräsident Mahmud Abbas strikt ablehnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen