: Die Königin der Hanse wird ihren Hafen los
Lübeck verkauft nach wochenlangem Konflikt seine städtische Hafengesellschaft nicht ganz, sondern nur teilweise. Geld für das klamme Stadtsäckel aber gibt es nicht, und ob das Modell für Investoren interessant ist, bleibt fraglich
Es ist juristisches Neuland, und allein schon deshalb ist der Vertrag wegweisend, der gestern in Lübeck unterzeichnet wurde, wie alle Seiten betonen. Die Hansestadt an der Ostsee wirft einen Großteil ihres Hafens auf den Markt. „Wir suchen einen strategischen Partner“, sagt Bürgermeister Bernd Saxe (SPD), per europaweiter Ausschreibung.
Im Angebot sind zunächst 25,1 Prozent der städtischen Lübecker Hafengesellschaft (LHG). Diesen Anteil kann der Investor im Jahr 2012 auf 37,5 Prozent erhöhen. Die unternehmerische Führung jedoch, so ist es in der Vereinbarung fixiert, verbleibt in jedem Fall bei der Stadt. Zudem steht die gesamte Infrastruktur nicht zum Verkauf. Sie wird in eine neu zu gründende Lübeck Port Authority (LPA) nach Hamburger Vorbild überführt. Veräußert werden nur Anteile an der LHG, die zu einer reinen Hafenbetriebsgesellschaft werden soll.
Darauf haben sich nach langen Verhandlungen Saxe, die CDU-Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft, der Betriebsrat der LHG und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di geeinigt. Den Ausweg aus einer zuvor festgefahrenen Situation hatte Bernd Rohwer gewiesen, sagte der Lübecker Landtagsabgeordnete Frank Sauter (CDU). Der Hauptgeschäftsführer der Lübecker Industrie-und Handelskammer und ehemalige SPD-Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war Anfang voriger Woche von allen Seiten als Moderator akzeptiert worden. Es sei ein Kompromiss gefunden worden, der gut ist für die Zukunft des Lübecker Hafens, sagt Rohwer.
Reservierter zeigte sich Andreas Bergemann, Bundesfachgruppenleiter Häfen bei Verdi. Er könne mit der Vereinbarung gut leben, sagt er, zumal auf einer Betriebsversammlung am Vorabend von 650 LHG-Beschäftigten nur vier dagegen votiert hatten. Im Grundsatz, sagt Bergemann, „halte ich den Verkauf von Anteilen weiter für unnötig“.
Ursprünglich hatte die CDU-Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft bis zu 90 Prozent der Hafengesellschaft privatisieren wollen. Das hatte zu heftigen Protesten von SPD und Gewerkschaften geführt, die um die Arbeitsplätze im größten deutschen Ostseehafen fürchteten. Die Folge war ein wochenlanger Konflikt mit Warnstreiks und Dienst nach Vorschrift. Deshalb stapelt sich auf den Lübecker Terminals Ladung, die ohne Überstunden nicht rechtzeitig umgeschlagen werden konnte.
Entscheidend für die jetzige Vereinbarung war letztlich Geld aus Brüssel. Mit 60 Millionen Euro aus Regionalisierungsmitteln war der Ausbau des Hafens an der Trave gefördert worden. Bei einer Privatisierung hätte die EU ihr Geld zurückgefordert. „Das könnten wir nicht“, sagt Bürgermeister Saxe, „und förderungswürdig bleiben wollen wir auch.“
Der juristische Ausweg ist deshalb, nur Anteile an der Hafenbetriebsgesellschaft anzubieten, die Infrastruktur aber in städtischem Besitz zu lassen. Deshalb könnte das Lübecker Modell zum Vorbild für ebenfalls geförderte Häfen in Mecklenburg-Vorpommern werden, wenn dort in Zukunft über einen Verkauf nachgedacht würde.
Der Nachteil für die Stadt ist, dass sie nun nicht auf Erlöse hoffen kann, die ihre Finanzprobleme mildern. Lübecks Haushaltsentwurf für 2008 sah ein Defizit von fast 160 Millionen Euro vor – und wurde am Montag von der schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht genehmigt. Einsparungen von weiteren 40 Millionen Euro verlangt Kiel, und Saxe fragt sich, wo die herkommen sollen. Eine Antwort hat er nun: nicht aus dem Verkauf des Hafens.
Zudem ist fraglich, ob dieses Modell für Investoren interessant ist. „Wir werden das genau prüfen müssen“, sagt Florian Marten, Sprecher der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Die hatte in der Vergangenheit ihr deutliches Interesse an einer Filiale an der Ostsee nicht verheimlicht. „Nun aber“, sagt Marten, „ist das eine neue Situation.“ SVEN-MICHAEL VEIT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen