KOMMENTAR VON BERND PICKERT ÜBER RASSISTISCHE ERFAHRUNGEN SCHWARZER US-BÜRGER: Wut, Gewalt und Schüsse
Es ist schon wieder passiert. Ein unbewaffneter schwarzer Teenager wird von der Polizei erschossen, und weder der Beamte, der die tödlichen Schüsse abgegeben hat, noch die vielen anderen Uniformierten, die Michael Browns Leiche im August viereinhalb Stunden lang auf der Straße haben herumliegen lassen, werden zur Verantwortung gezogen.
Leben und Menschenwürde von Schwarzen, das ist die Schlussfolgerung, die die Menschen in Ferguson und anderswo auf die Straße getragen haben, sind nicht viel wert. Das macht wütend.
Es war erwartet worden, dass die Grand Jury aus zwölf zufällig ausgewählten Geschworenen gegen eine Anklageerhebung gegen den Polizisten Darren Wilson entscheiden würde. Aber genau das, diese Erwartung und ihre Erfüllung, machen den Frust aus.
Für die Menschen auf der Straße steht fest: Das System schützt uns nicht, und vielleicht liegt das nicht mal daran, dass es nicht richtig funktioniert – vielleicht ist es auch gerade dafür gemacht.
Die US-Gesellschaft ist einerseits sensibler für alltäglichen Rassismus als etwa die deutsche – und doch hat er dort noch fatalere Folgen als hier. Daran hat sich auch durch die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama nichts geändert.
Was in Ferguson passiert ist, ja all die Fälle von immer besser dokumentierter Polizeigewalt gegen Schwarze in den letzten Jahren, haben die schwarze Bevölkerung vom Enthusiasmus der Wahlnacht 2008 in die Realität eines Alltags zurückgeholt, der von weißen Privilegien gekennzeichnet ist. Rassismus, das sind auch in den Vereinigten Staaten nicht mehr vor allem Ku-Klux-Klan und diskriminierende Gesetze, Rassismus ist in den Köpfen auch jener, die sich für nicht rassistisch halten. Gepaart mit einer irrwitzigen Vorliebe für den Besitz von Waffen und ihren Gebrauch, ist er tödlich.
Die Ausschreitungen in Ferguson werden daran nicht viel ändern, und auch viele derjenigen, die seit Monaten in Ferguson und anderswo demonstriert haben, sind wütend und enttäuscht über das Anzünden von kleinen Läden in Familienbesitz.
Martin Luther King, der selbst Gewaltfreiheit predigte, sagte einmal, „Der Riot ist die Sprache derjenigen, die nicht gehört werden.“ Das könnten, wenn sich nicht bald etwas ändert, immer mehr werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen