: Miserable Zahlen
STROMKONZERNE Veraltet ist ihr Geschäftsmodell
FREIBURG taz | Bei den vier deutschen Stromkonzernen herrscht Krisenstimmung. Eon bestätigte gestern, dass im Konzern bis zu 11.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Zugleich kündigte das Unternehmen eine Kürzung der Dividende für das Jahr 2011 auf voraussichtlich 1 Euro pro Aktie an; die in Aussicht gestellte Mindestdividende von 1,30 Euro sei nicht zu halten. Schließlich lag der um einmalige Sondereffekte bereinigte Konzernüberschuss im ersten Halbjahr 2011 mit 900 Millionen Euro um 71 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Zwar benennt Eon als Ursache des Gewinneinbruchs gerne den Atomausstieg, doch es gibt hausgemachte Probleme: „In den letzten Jahren ist es trotz zahlreicher Anstrengungen nicht gelungen, unsere Verwaltung zu vereinfachen“, gestand der Eon-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen gestern bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz ein.
Ähnlich trüb ist die Situation beim RWE-Konzern. Auch der hatte schon vor Fukushima Schwierigkeiten und daher im Februar 2011 Unternehmensverkäufe in Höhe von 8 Milliarden Euro beschlossen. Zur Disposition stehen unter anderem die Tochter Dea und eine Beteiligung an Berlinwasser. Die RWE drücken seit Jahren Milliardenschulden. Zwar arbeitet der Konzern profitabel, doch geht er für das laufende Jahr von einem Rückgang des Gewinns (7,7 Milliarden Euro im Jahr 2010) um etwa 25 Prozent aus.
Schlechter noch steht EnBW da. Für das erste Halbjahr 2011 vermeldete das Unternehmen einen Verlust von fast 600 Millionen Euro. Er resultierte zwar vor allem aus Abschreibungen aus anderweitigen Beteiligungen, doch auch hier durfte der Hinweis auf den Atomausstieg nicht fehlen. Fast gleichzeitig verkündete Vattenfall einen Quartalsverlust von 3,2 Milliarden Kronen (250 Millionen Euro) – ebenfalls mit besagter Begründung.
Doch aller Rhetorik vom angeblich so harten Ausstiegskurs zum Trotz – die Konzerne stehen längst erheblich unter Druck des Strommarktes. Denn sie können ihren Kohle- und Atomstrom immer schlechter am Markt platzieren. Vor einigen Jahren noch konnten sie mittags zur Zeit der maximalen Stromnachfrage mit ihren Kraftwerken gute Preise erzielen. Diese Mittagsspitzen jedoch sind durch den Ausbau der Photovoltaik fast komplett verschwunden. Und auch durch die Windkraft nimmt die Zahl der Stunden ab, in denen die Großkraftwerke noch gebraucht werden.
So war der Niedergang des angestammten Geschäftsmodells der Großkonzerne schon vor Fukushima absehbar. Hermann Scheer, der im Herbst 2010 verstorbene Energievisionär der SPD, hatte schon vor einem Jahr auf die Forderung von Vertretern der Linken nach einer Verstaatlichung der Stromkonzerne mit dem Satz reagiert: „Warum sollte sich der Staat das antun? Das ist doch so, als würde man sich darum reißen, eine Bad Bank zu verstaatlichen.“ BJ
Wirtschaft + Umwelt SEITE 9
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