: Wer wie wo in den Bezirken
KIEZPOLITIK In fast allen Bezirken steht nun fest, wer für die nächsten fünf Jahre den Bürgermeister stellt und die Posten im Bezirksamt erhält. Ein Überblick und ein Glossar
In Neukölln bleibt es beim Alten – womit jetzt mal direkt Bezirkschef Heinz Buschkowsky gemeint ist. Denn abgesehen von der Wiederwahl von Berlins bekanntestem Bezirksbürgermeister ändert sich doch etwas im Bezirk: Nicht mehr mit den Stimmen der Grünen, sondern mit denen der CDU wird die SPD ihren Bürgermeister diesmal durchsetzen. Die rot-grüne Zählgemeinschaft war vor Monaten an dem Streit über eine Erklärung zu Extremismus und Gewalt, aber auch über die Finanzierung der Jugendhilfe im Bezirk gescheitert.
Die bislang einzige grüne Bezirksstadträtin Gabriele Vonnekold, die für Jugend zuständig war, will zwar wieder antreten, wird aber wohl künftig das Amt der Sozialstadträtin zugeteilt bekommen.
Die SPD hat ihre bisher amtierenden StadträtInnen Franziska Giffey für Bildung und Thomas Blesing für Bauwesen wieder nominiert, und die Neuköllner CDU, die bisher zwei Stadtratsposten innehatte, schickt für die Bereiche Jugend und Gesundheit Falko Liecke ins Rennen. (awi)
Ein Schulleiter und noch dazu ein ziemlich junger wird Bürgermeister in Berlins tiefem Westen. Helmut Kleebank, 46, und in Spandau aufgewachsen, ist seit 18 Jahren Mitglied der SPD. Er ist Lehrer für Mathematik und Physik und leitet die Heinrich-Böll-Oberschule in Spandau-Hakenfelde. Damit löst die SPD nach 16 Jahren die CDU im Bezirk ab – und wird dabei von den sechs Bezirksverordneten der Grünen unterstützt. Auch die drei BVV-Piraten werden voraussichtlich für Kleebank stimmen.
Nominell hat die CDU immer noch die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung: mit 23 vor der SPD mit 21 Sitzen. Deshalb können die ChristdemokratInnen auch 3 der 5 Stadtratsposten besetzen. Der künftige Bürgermeister, der bisher keinen Posten im Bezirksamt inne-hatte, dürfte es also nicht leicht haben. (awi)
VON STEFAN ALBERTI
Andrea Fischer hat doch noch ihren Platz gefunden. Statt wie erhofft Bürgermeisterin wird die einstige Bundesgesundheitsministerin nun Fraktionsvorsitzende der Grünen in der BVV. Stadträtin hätte sie auch werden können, aber das wollte sie nicht, nachdem die CDU die fast schon sicher geglaubte Zusammenarbeit mit den Grünen gekippt und eine Zählgemeinschaft mit der SPD gebildet hatte. Bürgermeister bleibt somit Christian Hanke (SPD). Jugendstadtrat wird Uli Davids (SPD), Carsten Spallek (CDU) bekommt das Superressort Bauen und Wirtschaft. Dafür ließ die SPD ihren profilierten Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe fallen. Vizebürgermeister wird Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne). Offen ist, wer für die Grünen Stadträtin Bildung, Kultur und Umwelt wird. „Wir schreiben den Posten jetzt aus“, so Fischer. (ga)
Auch im Osten Berlins steht ein Wechsel an – schon fast eine Wende: Ein Sozialdemokrat übernimmt den Bürgermeistersessel, den bisher Dagmar Pohle von der Linkspartei innehatte. Seit der Wende haben die Linken die Mehrheit in der BVV. Auch nach der Wahl am 18. September ist die Linkspartei wieder die stärkste Fraktion – wenn auch mit 20 Prozentpunkten weniger als 2001, als sie als PDS noch 51 Prozent der Stimmen bekam.
Doch nun haben sich CDU und Grüne entschlossen, den Kandidaten der SPD mitzuwählen: Stefan Komoß, SPD-Mitglied seit 1989, war bisher Bildungs- und Finanzstadtrat sowie Vizebürgermeister des Bezirks. Der 46-jährige gebürtige Badener, der Geschichte und Politologie studierte, lebt seit 1991 in Marzahn-Hellersdorf. Heute nimmt der für die Berliner SPD fast zu bieder wirkende zweifache Familienvater der Linken eine ihrer Hochburgen ab.
Von den restlichen vier Bezirksamtsposten stehen einer der CDU, ein weiterer der SPD und stehen zwei den Linken zu. (awi)
Bezirksverordnetenversammlung: Gern als BVV abgekürzt und Bezirksparlament genannt, obwohl sie rechtlich Teil der Verwaltung ist und ihren 55 Mitgliedern die entscheidenden Befugnisse eines echten Parlaments fehlen – die Finanzhoheit und das Fassen bindender Beschlüsse. Denn den Bezirkshaushalt beschließt letztlich das Abgeordnetenhaus. Zudem soll die BVV zwar das Bezirksamt kontrollieren, kann es aber nicht zu etwas zwingen: Die Beschlüsse ihrer je 55 Mitglieder haben nur empfehlenden Charakter. In der Praxis war das bislang kein Problem, weil die Mehrheit in der BVV auch eine Mehrheit im Bezirksamt hatte und die in der Regel an einem Strang zogen.
So weit ging der Ehrgeiz von Jens-Holger Kirchner – und die Rache an Klaus Wowereit – doch nicht. Der grüne Bürgermeisterkandidat für Pankow hätte seinen Vorgänger Matthias Köhne (SPD) beerben können – wenn er eine Zählgemeinschaft mit der Linken eingegangen wäre. Am Ende aber schlossen die Grünen – anders als im Roten Rathaus – einen Pakt mit der SPD. Mit Matthias Köhne wird damit erstmals in Pankow ein Bürgermeister wiedergewählt. Zur Belohnung darf Kirchner nun Vizebürgermeister werden. Den zweiten Stadtratsposten für die SPD erhält Lioba Zürn-Kasztantowicz. So steht es in einem Kooperationsvertrag, den Kirchner als „eine Art Koalition“ bezeichnete. Am meisten Platz nimmt darin die Bebauung des alten Rangierbahnhofs ein. Hier mussten die Grünen ihre Fundamentalopposition aufgeben. Die Bebauung des Mauerparks lehnt Rot-Grün hingegen ab.
Die Linken sind auch in Pankow der große Verlierer. Sie stellen zwar noch eine Stadträtin, aber nicht mehr den BVV-Chef. (wera)
Zur Wahl bei der ersten Sitzung der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Donnerstag reichte es noch nicht. Das liegt aber nicht an einer fehlenden Einigung zwischen Schwarzen und Grünen, den Norbert Kopp (CDU) erneut zum Bürgermeister zu wählen. Die steht im Grundsatz – bloß muss noch die jeweilige Parteibasis zustimmen. 2006 hatten beide Parteien das landesweit erste schwarz-grüne Bündnis auf Bezirksebene verabredet. Nun sondierten die Grünen auch mit der SPD. Doch Rot-Grün hätte wenig bewirken können. Denn wegen ihres guten Wahlergebnisses besetzt die CDU im Bezirksamt drei von fünf Posten. Für den Stadtrat, der den Grünen zusteht, wollen sie ihre bisherige Fraktionschefin Christa Markl-Vieto vorschlagen. (sta)
Was auf Landesebene schiefgegangen ist, scheint im Westen zu klappen: SPD und Grüne haben sich dort erneut auf eine Zählgemeinschaft geeinigt. Der Bürgermeister soll von der SPD gestellt werden – es dürfte auf Reinhard Naumann hinauslaufen. Elfi Jantzen (Grüne), die den Sprung in den Bürgermeistersessel nicht geschafft hat, übernimmt von Naumann das Bildungsressort. Sie war zuletzt familienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Marc Schulte (SPD) soll sich wie bisher um Wirtschaft kümmern, zudem um Stadtentwicklung und Verkehr. Die beiden übrigen Stadtratsposten gehen an die CDU, die bei der Wahl die meisten Stimmen erreicht hatte, aber durch die rot-grüne Vereinbarung ausgebootet wurde. (pez)
Bezirksamt: Im Grunde eine Bezirksregierung für jeweils rund eine Viertelmillion Menschen, also mehr als in manchen Landeshauptstädten. Hat aber weit weniger zu sagen – Berlin ist nicht nur Land, sondern auch eine sogenannte Einheitsgemeinde, in der letztlich nur der Senat und das Abgeordnetenhaus entscheiden. Besteht aus 5 (früher 6) Stadträten, von denen einer zugleich Bürgermeister ist. Die Stadtratsposten werden nach den Wahlergebnissen der Parteien besetzt, anders als auf Landesebene, wo die Parlamentsmehrheit alle Regierungsposten besetzt. Bestrebungen, aus diesem jetzigen Proporzbezirksamt ein „politisches Bezirksamt“ zu machen, verliefen im Sand. Wegen der Vergabe über das D’Hondt’-sche Höchstzahlverfahren kommen bei der Besetzung nur die großen Parteien und diese teils überproportional zum Zuge: In Spandau erhielt die CDU ca. 36 Prozent der Stimmen, hat aber drei Stadträte und damit eine absolute Mehrheit im Bezirksamt. Das führt bei der anstehenden breiten Zählgemeinschaft gegen die CDU dazu, dass der SPD-Bürgermeister im Bezirksamt dauerhaft in der Minderheit ist.
Im Rathaus Lichtenberg wird es einen Wechsel auf dem Chefsessel geben. Andreas Geisel (SPD), amtierender Bezirksstadtrat für Bauen und Umwelt, kandidiert für das Bürgermeisteramt und hat alle Chancen, die langjährige „Bezirksmutter“ Christina Emmrich (Linke) zu verdrängen. Nach den Kreisdelegierten der SPD haben sich die Lichtenberger Gremien von CDU und Grüne darauf verständigt, gemeinsam eine Zählgemeinschaft zu bilden. Damit hätten sie vor der Linkspartei (20) eine knappe Mehrheit in der BVV. Mit insgesamt 28 Stimmen könnten die SPD (17) mit CDU (7) und Grünen (4) die Mehrheit für einen neuen Bürgermeister holen. „Optimistisch“, nennt deshalb Geisel die Lage. Die Piraten sind mit 5, die NPD ist mit 2 Abgeordneten vertreten. Die rote Bastion Lichtenberg wäre damit gefallen.
Ausschließen wird Andreas Geisel die Linke von der Politik nicht können – will er auch nicht. Denn in dem Bezirk, der durch die Einführung des „Bürgergeldes“ Schlagzeilen machten, werden neben jeweils einem SPD- und CDU-Stadtrat zwei Linken-Stadträte Politik machen. (rola)
Auch im Südosten der Stadt verdrängt ein Mann eine Frau vom Bürgermeistersessel. Gabriele Schöttler (SPD) räumt den Posten für ihren Parteikollegen Oliver Igel, den erst 33-jährigen bisherigen SPD-Fraktionsvorsitzenden. Igel sollte Donnerstagabend gewählt werden. Die Sozialdemokraten haben in Treptow-Köpenick im Vorfeld eine Zählgemeinschaft mit CDU und Grünen gebildet.
Für die SPD soll Rainer Hölmer zudem Baustadtrat werden. Die Union erhält einen Stadtratsposten im Bezirksamt.
Die Linkspartei, bei der Wahl zweitstärkste Kraft im Bezirk, hat Anspruch auf zwei Posten. Sie hat Sozialstadträtin Ines Feierabend und ihren Bezirksvorsitzenden Marko Tesch nominiert. (bis)
Alles ist noch offen in Friedrichshain-Kreuzberg: Fünf Wochen nach der Wahl hat sich im Bezirk immer noch keine Zählgemeinschaft gefunden. Zwar holten die Grünen bei der Wahl satte 35,5 Prozent der Stimmen, mit 22 von 51 BVV-Sitzen fehlt ihnen allerdings eine absolute Mehrheit. In den Gesprächen läuft nun alles auf eine Fortsetzung einer Zählgemeinschaft mit den Linken hinaus. Zu angespannt war in den vergangenen Jahren das grüne Verhältnis mit der SPD.
Nicht mehr möglich ist ein Stadtratsposten für die Piraten, die mit 14,3 Prozent drittstärkste Kraft wurden. Die Neulinge haben ihren Anspruch auf das Amt an die Linkspartei verloren, nachdem drei ihrer Bezirkskandidaten ins Abgeordnetenhaus eingezogen sind und deswegen nicht im Bezirksparlament vertreten sein dürfen. Die Piraten wollen nicht mehr dagegen klagen, sondern hoffen auf eine Zusammenarbeit mit dem alten und wohl auch neuen Linken-Stadtrat Knut Mildner-Spindler.
An der Bezirksspitze wird Grünen-Bürgermeister Franz Schulz weitermachen. Auch zwei Stadträte stellt die Partei, die Zuschnitte sind noch offen. Die bisherige Bildungsstadträtin Monika Herrmann ist gesetzt, Baustadtrat Hans Panhoff muss bangen: Laut Grünen-Quotenregel müssen auf die drei Posten zwei Frauen. Am Dienstag einigte sich die Partei nun auf ein offenes Verfahren, bei dem sich auch Panhoff bewerben darf. (ko)
Zählgemeinschaft: Im Kern die Bezirksvariante einer Koalition. Dient teilweise nur dem Zweck, den Bürgermeister zu wählen, kann aber auch auf dauerhafte Zusammenarbeit für die fünfjährige Wahlperiode ausgelegt sein und auf einem Vertrag basieren. Die größte Fraktion hat zwar das Vorschlagsrecht für den Bürgermeister, kann aber auch außen vor bleiben – wie die CDU in Spandau und die Linkspartei in Lichtenberg und Marzahn.
Damit hätte vor dem 18. September kaum jemand gerechnet: dass die CDU in Reinickendorf auf eine Zusammenarbeit mit den Grünen angewiesen ist. Und das, obwohl sie ihre relative Mehrheit in der BVV auf komfortable 26 von 55 Sitzen hat ausbauen können. Das Problem: Die FDP flog aus der BVV im Nordwesten genauso wie in allen anderen Bezirken. SPD, Grüne und Piraten hätten also im Prinzip per Zählgemeinschaft einen CDU-Bürgermeister verhindern können.
Soweit reichte die linke Solidarität dann aber nicht. Nachdem die CDU Gespräche mit der SPD und den Grünen geführt hatte, fanden sich letztere bereit, für die Bürgermeisterwahl eine Zählgemeinschaft mit der CDU zu bilden und Amtsinhaber Frank Balzer erneut in den Chefsessel zu heben. Die Zusammenarbeit geht aber noch weiter: In einer schriftlichen Vereinbarung verspricht man sich, eine „gemeinschaftliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit“ zu pflegen. Gepunktet haben die Grünen insbesondere in Bezug auf die Gemeinschaftsschule, die die bisherige und auch künftige Bildungsstadträtin Katrin Schulze-Berndt (CDU) bislang nach Kräften verhindert hatte: Die Schule im Märkischen Viertel kann kommen.
Im Bezirksamt sind die Grünen freilich nicht vertreten: Die restlichen Posten besetzen Martin Lambert (Bau, CDU), Andreas Höhne (Soziales, SPD) und Uwe Brockhausen (Wirtschaft, SPD). (clp)
In Tempelhof-Schöneberg stellt die CDU mit 18 Sitzen die stärkste Fraktion, die SPD mit 16 die zweitstärkste. Die Grünen kommen auf 15, die Piraten auf 4 Sitze. Die Linkspartei hat in dieser Legislaturperiode doppelt so viele Verordnete wie davor: zwei. Für das Bezirksamt heißt das: CDU und SPD bekommen je zwei Posten, einer geht an die Grünen. Wer den Bezirksbürgermeister stellt, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Derzeit verhandeln SPD und Grüne über eine Zählgemeinschaft. „Wir sind in der ersten Phase der Verhandlungen“, sagt der grüne Kreisvorsitzende, Jürgen Roth. Es gebe viele Fragen, die geklärt werden müssten; man setze auf längere Verhandlungen mit einem soliden Ergebnis. (sve)
Bürgermeister: Repräsentiert den Bezirk und führt das Bezirksamt, ist aber eigentlich nur Primus inter Pares, weil jeder Stadtrat seinen Bereich eigenverantwortlich führt.
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