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SCHILYS NEUSTE IDEEN ZUR TERROR-PRÄVENTION SIND UNHALTBARRechtliche Unsicherheiten

Im edlen Wettstreit um die Mittel und Wege, wie die Sicherheit der Bürger vor der terroristischen Bedrohung zu schützen sei, hat Otto Schily ein weiteres Mal mit seinem bayrischen Rivalen gleichgezogen. Gerade noch hatte Günter Beckstein den Sicherheitsgewahrsam für diejenigen potenziellen islamistischen Gewalttäter ins Spiel gebracht, die leider wegen rechtlicher Hindernisse (deutsche Staatsangehörigkeit, Gefahr der Folter im Heimatland) nicht abgeschoben werden können. Jetzt hat Schily im Interview mit der SZ Wege zur Durchführung dieser Maßnahme aufgezeigt.

Schily stützt sich bei seinen Vorschlägen zum einen auf den Unterbindungsgewahrsam, der in den deutschen Südstaaten in Kraft ist und eine 14-tägige Vorbeugehaft all derer gestattet, bei denen die Teilnahme an terroristischen Taten zu vermuten ist. So ausgedehnt und damit verfassungsmäßig zweifelhaft diese Bestimmungen sind, sie können nur bei Einzelereignissen angewandt werden, erfüllen Schilys Zweck also nicht zur Genüge. Deshalb schlägt er ersatzweise vor, nach dem Vorbild der Unterbringungsgesetze potenzielle terroristische Täter in Gewahrsam zu nehmen.

Die Unterbringungsgesetze legen fest, dass psychisch Kranke, die akut sich selbst oder andere gefährden, durch eine Verfügung des Vormundschaftsrichters für einen festgelegten Zeitraum in Anstalten untergebracht werden können, wobei ein amtspsychiatrisches Gutachten vorliegen muss. Die Rechtsprechung hat die Anwendung dieser Gesetze an sehr strenge Voraussetzungen gebunden. Schon der erste Blick auf die Unterbringungsgesetze zeigt, dass eine analoge Vorschrift für die „Unterbringung“ potenzieller terroristischer Straftäter nach Schilys Maßstäben ausscheidet. Was sind die Kriterien für die terroristische Gefährdung, wer prüft sie, wie lange soll die Unterbringung anhalten? Schließlich befinden wir uns im „lang anhaltenden Krieg gegen den Terror“. Will Schily die islamistische Gesinnung (nicht vorherige Gewalttaten, die müssen ja nicht vorliegen) dem Krankheitsbild einer psychischen Störung samt ihrem Gefährdungspotenzial gleichsetzen? Das ist nach Schilys „Täterbild“ von der von ihm anvisierten Zielgruppe zu befürchten. CHRISTIAN SEMLER

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