: Geld drucken für neue Jobs
Wege aus der Arbeitslosigkeit: Ökonomie-Professor Peter Kuhbier will die Notenpresse anschmeißen. Das ist sehr gefährlich, warnt dagegen Konjunkturforscher Joachim Scheide
Mit der Geldpresse gegen die Wirtschaftskrise – Herr Scheide, ist das eine gute Idee?
Joachim Scheide: Das ist eine Milchmädchenrechnung. Mit der Geldpolitik schafft man keine Arbeitsplätze. Es wäre ein vergeblicher Versuch, Geld über das Land zu werfen und dann zu erwarten, daß die Beschäftigung anspringt.
Professor Kuhbier meint, daß die Strukturkrise durch Gelddrucken zwar nicht beseitigt werden könne, aber immerhin die Konjunktur angeschoben werde.
Was nützen uns 200.000 neue Jobs, die nach einiger Zeit wieder verschwinden? Herr Kuhbier sagt selbst, daß die Notenpresse die Inflation anheizt. Das aber birgt schon den Keim des nächsten Abschwungs in sich. Die Bundesbank wird nämlich sagen: „Wir müssen die Inflation bekämpfen.“
Wieso führen 3,5 Prozent Inflation – nur eine geringfügige Entwertung – zur nächsten Krise?
Weil die Bundesbank gegen die aus ihrer Sicht zu hohe Inflation mit höheren Zinsen vorgehen würde. Diese haben in der Vergangenheit immer einen Abschwung verursacht. Schließlich verteuern höhere Zinsen die Investitionen der Unternehmen. Sie weiten ihre Produktion nicht aus, sondern bauen eher Stellen ab, als neue zu schaffen. Der Abschwung frißt Gewinne und Jobs. Man hat praktisch nichts gewonnen, nur eine höhere Inflation.
1977/78 gelang es der sozialliberalen Koalition jedoch, die Arbeitslosigkeit zu verringern, indem sie Geld druckte.
Am Anfang klappte das. Doch dann ging es andersherum: Durch die starke Erhöhung der Geldmenge zog die Inflation an, worauf die große Bremsaktion folgte. Ähnlich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre: Danach kam die Rezession zu Beginn der neunziger Jahre. Heute ist die Arbeitslosigkeit höher als zehn Jahre zuvor. Wozu also das Ganze?
Im Prinzip aber funkioniert der Mechanismus: mehr Geld, mehr Nachfrage, mehr Jobs.
Zunächst schon. Aber von den neuen Jobs bleibt kein einziger übrig. Letztlich erhöht die Gelddruckerei nämlich nicht die Produktivität der Arbeit. Die Arbeitskraft ist zu teuer, so daß die Unternehmen nicht bereit sind, jemanden langfristig einzustellen. Da muß man ansetzen. Die Bundesregierung sollte endlich bei der Steuerreform einen großen Wurf wagen. Außerdem müssen wir bei den Lohnnebenkosten etwas tun. Da rechnet es sich für die Betriebe wieder, mehr Leute zu beschäftigen.
Unternehmen bieten Jobs, wenn die Arbeit produktiver wird. Sie stellen aber auch ein, wenn die Nachfrage steigt, weil die Leute mehr Geld in der Tasche haben.
Wenn nicht die Produktivität erhöht wird, geht das nur in die Preise – so wie 1994. Damals gab es den Keim eines Aufschungs. Was passierte? Die Löhne wurden sofort kräftig angehoben. Das hat den Abschwung provoziert, den wir 1995 erlebt haben.
In den USA dagegen ist die Inflation ähnlich weit zurückgegangen wie in Deutschland. Trotzdem boomt dort der Arbeitsmarkt. Die Löhne steigen in den Vereinigten Staaten sehr viel langsamer als hier. Die Lohnnebenkosten entwickeln sich schwächer. Die Steuern sind äußerst niedrig. Die haben die große Reform, die jetzt hier diskutiert wird, schon vor fünfzehn Jahren gemacht. Die amerikanische Industrie hat rationalisiert und steht im internationalen Vergleich nun hervorragend da, während die deutsche Industrie diesen Prozeß erst noch vor sich hat. Interview: Hannes Koch
Herr Kuhbier, Sie fordern die Bundesregierung auf, Geld zu drucken, um die Wirtschaftskrise zu mildern. Wie soll das funktionieren?
Peter Kuhbier: Wir haben zur Zeit eine eigenartige Konstellation: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Inflationsrate dagegen mit 1,5 Prozent sehr niedrig. Erinnern Sie sich an einen Ausspruch von dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt: Lieber fünf Prozent Inflationsrate als fünf Prozent Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund macht der Staat heute alles falsch, was er nur falsch machen kann.
Wie hängt die geringe Inflation mit der hohen Arbeitslosigkeit zusammen?
Die niedrige Inflationsrate ist ein Indiz dafür, daß die Nachfrage der privaten Haushalte und des Staates nach Gütern gering ist. Denn bei einer geringen Nachfrage und großem Angebot stagnieren die Preise. In dieser Situation halten sich auch die Unternehmen mit Erweiterungs- und Neuinvestitionen zurück, die neue Arbeitsplätze schaffen würden. Sie rationalisieren lieber und schmeißen Leute raus. Die Nachfrage sinkt dadurch weiter. Durch seine Sparpolitik verstärkt der Staat diesen Teufelskreis.
In dieser Sichtweise ist die niedrige Inflationsrate gleichbedeutend mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Wenn man sich eine geringe Inflation leistet, geht das auf Kosten der Beschäftigung. Was natürlich im Umkehrschluß nicht heißt, daß Inflationsraten von 50 Prozent pro Jahr auch viele Arbeitsplätze schaffen müssen.
Die Bundesbank soll also die Inflation anheizen?
Der Staat muß Zeichen setzen. Im Augenblick kann er relativ problemlos die Notenpresse der Bundesdruckerei anstellen. Die sogenannte Geldmenge M 1 – das sind die Guthaben auf den Girokonten und das umlaufende Bargeld – beläuft sich auf rund 800 Milliarden Mark.
Würde die Bundesbank die Geldmenge um ein Prozent erhöhen, kämen 8 Milliarden Mark hinzu. Wenn Sie einen Arbeitsplatz mit 60.000 Mark ansetzen, könnte man mit dieser Summe rund 135.000 Jobs schaffen. Wenn das neue Stellen für Arbeitslose sind, sparen Sie auch noch die Arbeitslosenunterstützung. Dann ließen sich mit den 8 Milliarden etwa 200.000 Menschen in Lohn und Brot bringen.
Indem die Bundesregierung mit den frischgedruckten Scheinen zum Beispiel ein Investitionsprogramm für Solarenergie finanziert?
Die öffentliche Hand kann auch mehr Pflegepersonal in Krankenhäusern und Lehrer in Schulen einstellen. Der Staat würde als Nachfrager nach Arbeitskräften und nach Gütern auftreten. Die zusätzlich beschäftigten Menschen würden zusätzlich konsumieren und damit ihrerseits Nachfrage für die Industrie schaffen.
Soll der Staat nun jedes Jahr die Geldmenge um 8 Milliarden Mark steigern?
Das darf man nur zwei oder drei Jahre machen. Dieser Impuls zur Ankurbelung der Wirtschaft kann langfristige strukturelle Maßnahmen nicht ersetzen.
Warum soll die Notenpresse nicht länger rotieren?
Auf die Dauer würde die Inflation zu sehr beschleunigt.
Um wieviel Prozent erhöht sich die Inflation, wenn man drei Jahre zusätzliches Geld druckt?
In diesem Zeitraum um maximal zwei Prozentpunkte.
Inklusive der heutigen Inflationsrate wären das 3,5 Prozent. Die Geldentwertung frißt dann das Realeinkommen der normalen Leute.
Man bekommt nichts kostenlos. Irgend jemand ist immer betroffen. Verlierer sind zum Beispiel Sparer, die Geld auf dem Konto haben. Aber schließlich steigen auch die Zinsen, so daß sie etwas verdienen. Es gibt natürlich auch hier Gewinner. So reduziert die Inflation die Hypothekenschulden, die auf Immobilien lasten.
Die heutige Politik des knappen Geldes ist ein Dogma?
Für die Bundesregierung und die Bundesbank ist das primäre Ziel, die Inflationsrate herunterzukriegen, seit langem eine heilige Kuh. Interview: Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen