: CDU produziert nur Gegenwind
■ Windkraft unter Beschuß: Regierungskoalition will die Einspeisevergütung kürzen. Sollte sich die CDU durchsetzen, droht der Verlust vieler hundert Arbeitsplätze. Energiekonzerne machen offenbar Druck
Heinrich Reuter ist ein Landwirt, wie ihn sich der Deutsche Bauernverband nicht besser wünschen könnte: „Ich wollte ein sichtbares Zeichen gegen die Vorurteile setzen, daß unser Berufsstand nur immer mit Gülle die Felder versaut.“ So startete der Hattinger Gemüse- und Getreidebauer auf seinem Hof am südlichen Rande des Ruhrgebiets eine Windturbine mit 80 kW Leistung. Nachdem Reuter in diesem Sommer mit der größten privaten Solaranlage Nordrhein-Westfalens (Leistung 10 kWpeak) ans Netz ging, plant er für das kommende Frühjahr den nächsten Coup: Dann soll sich auf dem 30 Hektar großen Hof ein Dreiflügler mit einer Leistung von 1,5 Megawatt (MW) drehen.
Weniger die Technik des neuen Anlagentyps bereitet Reuter Sorgen: „Wenn die Regierungsfraktionen wirklich die Vergütung im Einspeisegesetz drastisch kürzen, wird sich die Anlage kaum amortisieren.“ Etwa drei Millionen Mark wird den Landwirt das neue Öko- Kraftwerk kosten.
Bei seiner ersten „Mühle“ konnte Reuter noch davon ausgehen, daß er für jede Kilowattstunde Windstrom, die er ins öffentliche Netz einspeiste, mehr als 17 Pfennig Vergütung erhält. Diesen Betrag schrieb das von allen Bundestagsfraktionen Ende 1990 verabschiedete Stromeinspeisungsgesetz für regenerative Energien vor, von dem vor allem die Windkraft profitiert hat. Mit mehr als 4.750 Rotoren und einer Kapazität von etwa 1.750 MW sind die Deutschen Weltmeister bei der Windstromerzeugung. Dieser Erfolg stieß auf Widerstand – und zwar bei einigen Naturschützern, die von den „Mühlen-Monstern“ Brutgebiete gefährdet sehen, und insbesondere bei der Mehrheit der Stromversorger.
Den Energieriesen PreussenElektra, RWE oder Viag waren die dezentralen Strommühlen schon seit Gesetzesbeginn ein Dorn im Auge. Als mit einem in konzertierter Aktion beschlossenem Boykott und mit einer Verfassungsklage das Gesetz nicht auszuhebeln war, verlegten sich die Stromerzeuger auf Lobbyarbeit. „Beim Bundeswirtschaftsministerium, das den Stromkonzernen ohnehin fast jeden Wunsch erfüllt, und bei Teilen der Regierungskoalition haben sie Erfolg damit gehabt“, beklagt Curtis Briggs, Geschäftsführer des Künstlervereins Artists for Nature. Briggs zielt dabei auf das „Uldall-Papier“. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Gunnar Uldall, hatte vor der parlamentarischen Sommerpause nach Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium ein Modell präsentiert, das die Windstromvergütung zeitlich und quantitativ stark drosseln soll (s. Kasten). Nicht nur diesen geplanten Einschnitt betrachtet Briggs als Affront: „Bei allen Vorgesprächen für die Gesetzesnovelle hat das Wirtschaftsministerium so unrealistische Berechnungen vorgelegt, die nur von den Energiekonzernen stammen können.“ Daß die Verbundunternehmen demnächst nur noch fünf Prozent Windstrom aufnehmen sollen, paßt in diese Abwehrstrategie: Den erneuerbaren Energien soll allenfalls ein Nischendasein zugebilligt werden. Das nun bereits seit zwei Jahren anhaltende Hickhack um die Windstromvergütung hat Folgen für die junge Branche: Banken sperren sich, Investoren verschieben Bestellungen. Nicht nur das: Ende Juli bekam die Tacke Windtechnik GmbH, der bislang zweitgrößte heimische Windtechnikanbieter, Besuch von einer Konkursverwalterin. 180 Arbeitsplätze sind am Standort Salzbergen bedroht.
„Wir können nur hoffen, daß der Fall Tacke den Politikern in Bonn die Augen öffnet, wie sie dabei sind, die Windbranche kaputt zu machen“, kommentiert Carlo Reeker vom Bundesverband WindEnergie (BWE) den Konkursantrag. Wenn Tacke ein Einzelfall bleiben soll, müsse die jetzige Vergütung beibehalten werden. Sonst könnten Anlagen im Binnenland, so eine Studie, nicht wirtschaftlich betrieben werden. Schon bei der Kürzung um nur einen Pfennig gingen mehr als ein Drittel aller potentiell geeigneten Standorte für Windkraftanlagen verloren. Reeker: „Wenn der Binnenlandmarkt wegbricht, gehen zukunftsfähige Arbeitsplätze verloren.“
So sieht es auch Norbert Allnoch, Leiter des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien an der Universität Münster. Bereits im Vergleich zu 1995 haben die heimischen Hersteller ihre Arbeitsplätze im vergangenen Jahr um 200 auf 1.200 Stellen reduziert. Allnoch befürchtet eine Produktionsverlagerung Richtung Dänemark: „Nachdem die deutschen Hersteller mit ihrer Technologie die Dänen überholt haben, gehen hierzulande – nach denen im Bereich Solarenergie – wieder wichtige Arbeitsplätze verloren.“
Diesen Exodus will die Windbranche stoppen: Am 8. September steht bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuß des Bundestages das „Uldall-Modell“ auf dem Prüfstand. Knapp zwei Wochen später wird Bonn die erste Kundgebung für den Ausbau der erneuerbaren Energie erleben. „Der 23. 9. soll die Politiker noch einmal wachrütteln, welche Chancen sie mit der Verschlechterung des Einspeisegesetzes verspielen.“ Denn am 24. 9. könnte bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses, einen Konsens von Union und Liberalen vorausgesetzt, schon die Vorentscheidung zur Demontage des Einspeisegesetzes fallen. Ralf Köpke
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