Analyse: Justitias Rauchzeichen
■ Verfassungsrichter für Rauchen unzuständig. Arbeitsrichter schon
Militante NichtraucherInnen haben es nicht leicht. Nachdem der Kampf um ein Nichtrauchergesetz im Bundestag vorerst gescheitert ist, versagte auch das Bundesverfassungsgericht seine Hilfe. Es lehnte gestern eine Verfassungsbeschwerde gegen die Untätigkeit des Gesetzgebers ab. (Az. 1 BvR 2234/97) Einen Tag zuvor hatte immerhin das Bundesarbeitsgericht den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz verbessert. (Az. 9 AZR 84/97)
Ein Nichtraucher fühlte sich durch das Rauchen in der Öffentlichkeit in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrheit verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde. Der Staat solle endlich seinen bisher „völlig unzulänglichen“ Nichtraucherschutz verbessern. Die Klage wurde von einer mit drei RichterInnen besetzen Kammer erst gar nicht zur Entscheidung angenommen.
Zwar habe der Staat, so die Roten Roben, tatsächlich eine „Schutzpflicht“ für die Gesundheit seiner Bürger. Wie er diese Pflicht allerdings ausfülle, könne er im wesentlichen selbst entscheiden. Eingreifen könne das Verfassungsgericht nur, wenn die staatlichen Organe „gänzlich untätig geblieben oder die getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind“. Beides ist nach Auffassung des Verfassungsgerichts beim Nichtraucherschutz nicht der Fall.
Immerhin fallen den RichterInnen eine ganze Reihe von Bestimmungen ein, die NichtraucherInnen sowohl am Arbeitsplatz als auch im Zug oder im Taxi vor Qualm und Nikotin schützen sollen. Wenn der Gesetzgeber allerdings den Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens nicht weiter verstärken wolle, könne dies „von Verfassung wegen nicht beanstandet werden“.
Daß die Hoffnung auf den Staat nicht immer vergebens ist, erfuhr am Tag zuvor die Angestellte einer Autovermietung. Ihr sprach das Bundesarbeitsgericht (BAG) das Recht auf einen „tabakrauchfreien Arbeitsplatz“ zu. Die Frau litt unter einer chronischen Atemwegserkrankung und mußte ihr Großraumbüro mit mindestens zwölf starken RaucherInnen teilen. Das Gericht stützte den Anspruch der Frau auf eine Bestimmung im Bürgerlichen Gesetzbuch, wonach der Arbeitgeber seine Beschäftigten vor Gesundheitsgefahren schützen muß, soweit die Tätigkeit der Beschäftigten dies erlaube (§ 618 BGB).
Ob sich auch gesunde Arbeitnehmer hierauf berufen können, blieb offen. 1996 hatte das BAG die Klage einer Stewardeß abgelehnt, die rauchfreie Flüge gefordert hatte. Dies greife, so das BAG damals, zu sehr in „unternehmerische Entscheidungen“ ein. Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz dagegen schon länger anerkannt. Christian Rath
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