■ Castor: Auch wenn Merkel nichts wußte, muß sie zurücktreten: Heimlicher Händedruck
Aufpassen, Deutschland! läßt der CDU-Mann fürs Grobe, Peter Hintze, auf seiner neuen Wahlplakatkreation ausrufen. Und diesmal hat er recht. Deutschland sollte wirklich aufpassen. Nur ist die Duldung von Höppners SPD-Minderheitsregierung die größte Gefahr für Deutschland, wie uns es das Plakat mit dem „roten Händedruck“ suggerieren will?
Nein, beim Blick auf den Plakatentwurf drängt sich die Assoziation mit einem anderen, viel gefährlicheren Händedruck auf: dem heimlichen Händedruck zwischen der Umweltministerin und der Atomindustrie. Und wenn Helmut Kohl angesichts des Castor- Desasters der Ministerin eine hervorragende Arbeit bescheinigt, könnte man sogar von dem Händedruck zwischen Bundesregierung und Atomlobby sprechen.
Die „Halbwertszeit“ der politischen Systeme und der sie tragenden Parteien liegt im menschlichen Ermessen – die jener Produkte atomarer Spaltungen, um die es bei diesem „Händedruck“ geht, in Dimensionen, die sich ein Mensch kaum vorstellen kann. Auch wenn es wahr sein sollte, daß die Ministerin von der radioaktiven Kontaminierung erst Ende April erfuhr, so hat sie ihre Amtszeit lang der Atomlobby Signale gegeben, daß sie sich ihrer Sympathie sicher sein kann. Eine weniger atomfreundliche Ministerin hätte schon allein durch ihre Haltung die Atomlobby veranlaßt, auf die Sicherheit der Transporte mehr zu achten. Wenigstens in diesem Sinne trägt Angela Merkel volle politische Verantwortung für das, was jetzt über ihrem Kopf zusammenbrach. Sie ist zu einem Sicherheitsrisiko geworden.
Atomkonzerne versuchen nun Schadensbegrenzung, empfehlen mehr Zwischenlager und ergo weniger Castoren. So wollen sie zeigen, daß sie begriffen haben, daß die Sache ernst ist und nichts zu tun nicht mehr nützt. Angela Merkel kann dem Staat, dem Gemeinwesen und letztlich auch ihrer Partei jetzt nur auf eine einzige Art und Weise dienen – wenn sie möglichst schnell zurücktritt. Damit könnte sie wenigstens etwas von der Glaubwürdigkeit retten, die die Bonner Politik immer mehr vermissen läßt. Vielleicht könnten wir ihr dann sogar zugute halten, daß es ihre atomfreundliche Politik war, die der Atomlobby am meisten geschadet und zu ihrer Bloßstellung beigetragen hat. Übrigens, was wird jetzt mit den Gerichtsverfahren, die wegen der Behinderung der Castortransporte anhängig sind? Alena Wagnerová
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen