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Kampf gegen Milchpulver ausgezeichnet

Der Alternative Nobelpreis geht in diesem Jahr an vier Organisationen und AktivistInnen für Gesundheitsvorsorge, Umweltschutz und Friedenserziehung. Preis soll „praktische Lösungen“ auszeichnen  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Das internationale Babynahrungsnetz, eine chilenische Umweltschutzbewegung, ein US- Krebswissenschaftler und zwei kroatische Friedensaktivistinnen bekommen in diesem Jahr den mit insgesamt 380.000 Mark dotierten „Right-Livelihood“-Preis, eher bekannt als „Alternativer Nobelpreis“. Ausgewählt von einer internationalen Jury – darunter die niedersächsische Ex-Umweltministerin und neugewählte SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn —, sollen die seit 1980 jährlich vergebenen Preise „Individuen und Organisationen ehren und stützen, die an praktischen Lösungen großer Probleme auf unserem Planeten arbeiten“, so Preisinitiator und -stifter Jakob von Uexküll.

Ausgezeichnet wird in diesem Jahr das in London ansässige „Internationale Babynahrungsnetzwerk“ (IBFAN), das gegen die aggressive Vermarktung von Muttermilch-Ersatzprodukten kämpft. Zu dem seit zwei Jahrzehnten aktiven Netzwerk von 150 Organisationen in 90 Staaten gehört in Deutschland u.a. die „Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen“. Die einträgliche Vermarktung von Milchpulver, für die vor allem der Nestlé-Konzern zum Symbol wurde, hat speziell in Entwicklungsländern zu katastrophalen Konsequenzen geführt. Nach Schätzung des UN-Kinderhilfswerks Unicef sterben jährlich 1,5 Millionen Babys, weil sie keine Muttermilch erhalten. Oft verzichten die Mütter auf das Stillen und verabreichen ihren Kindern vermeintlich „besseren“ industriell hergestellten Muttermilchersatz.

Zwar gibt es seit Beginn der 80er Jahre einen „Verhaltenskodex“ zur Vermarktung von Milchpulver. Doch wird laut IBFAN von Milchpulver-Herstellern oder deren Vertriebspartnern umfänglich hiergegen verstoßen. Den Müttern wird durch Werbekampagnen vermittelt, der Ersatz sei wertvoller als die Milch aus der eigenen Brust. In Kliniken werden massiv kostenlose Proben verteilt, so daß die Milchproduktion der Mütter mangels Stillen versiegt. IBFAN hat nachgewiesen, daß Regierungen in Ländern der Dritten Welt unter massivem Druck stehen, den Kodex nicht zu unterschreiben oder auf seine Kontrolle zu verzichten.

Auszeichnet wird auch die chilenische Umweltbewegung GAAB. Die 1991 von dem speziell geehrten Juan Pablo Orrego mitbegründete Organisation kämpft gegen Staudammbauten am Fluß Biobio. Sie befürchtet Zerstörung eines beispiellosen Ökosystems und die Vernichtung der Kultur der dort lebenden rund 10.000 Pehuenche-Indianer. 1997 wurde trotz aller Proteste der erste Staudamm, der Pangue-Damm, eingeweiht. Doch seither ist Stopp. Der Biobio-Ausbau wurde zum zentralen Thema der chilenischen Umweltbewegung. GAAB schickte eine Delegation zur Weltbank, die daraufhin deutlich Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts bekam und nun neue Berechnungen von der Regierung in Santiago haben will.

Ebenfalls geehrt wird der US- Krebsforscher Samuel Epstein von der Koalition zur Krebsvorbeugung. Die Forschungsarbeiten des jetzt 72jährigen Professors für Arbeits- und Umweltmedizin an der Universität Chicago über den Zusammenhang von Umweltgiften und Krebserkrankungen zwang in den letzten zwei Jahrzehnten die Gesetzgeber in den USA und der EU wiederholt zum Handeln, zuletzt beim Verbot synthetischer Hormone in der Milchviehzucht.

Auch die Kroatinnen Katarina Kuhonja vom „Zentrum für Frieden, Gewaltlosigkeit und Menschenrechte“ in Osijek und Vesna Tercelić von der 1991 gegründeten „Anti-Kriegs-Kampagne“ (ARK) zählen zu den diesjährigen PreisträgerInnen. ARK ist ein Netzwerk von 15 lokalen Organisationen der Friedenserziehung, das sich besonders um die Arbeit in multiethnischen Gebieten bemüht und sich bereits nach Bosnien und Serbien ausgedehnt hat. Laut von Uexküll erhalten die beiden Frauen und ihre Organisationen den Preis „stellvertretend für alle Initiativen“, die dort arbeiteten.

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