: Vernetzt lernen via Bildschirm
■ Weiterbildung in der Firma, Studium an der Fernuni oder das Online-Training bei Siemens Nixdorf. Drei Erfahrungsberichte in Sachen Telelearning und Video-Conferencing
Ramona Wolfram leitet seit 1990 mit ihrem Mann die Firma „Wolfram Bürokommunikation“ in Berlin. Das mittelständische Unternehmen vertreibt Kopierer, Telefaxtechnik und unterhält einen Reparaturservice für die Geräte. Seit Mai letzten Jahres wird die Hälfte der Mitarbeiter via Telelearning geschult: Eine Gruppe lernt Buchhaltung mit einer neuen Software, die andere wird fit gemacht in diversen Computertechniken.
Die Unternehmerin:
Auf Telelearning sind wir durch ein Infoblatt des Berliner Instituts für Wirtschaftsberatung gekommen. Wir hatten zwar schon vorher mal von der Möglichkeit gehört, über Videokonferenz zu lernen, aber wir wußten nicht, wer das überhaupt anbietet. Die technische Ausstattung war ein geringes Problem: PCs haben wir, eine Euro-ISDN-Leitung auch, Kameras, Mikrofon und Lautsprecher bekamen wir leihweise. Jetzt gibt es bei uns einmal die Woche zwei Telelearning-Kurse. Jeden Montag von 8 bis 10.15 Uhr macht nun die Buchhaltung Telelearning, Freitag vormittag ist der allgemeine Kurs dran.
Die Methode ist ideal für ein kleineres Unternehmen wie unseres: Die Leute sind nicht lange für Schulungen außer Haus, sondern können zur Fortbildung im Betrieb bleiben. Wir müssen ohnehin schon ständig Mitarbeiter zur Fortbildung nach Westdeutschland schicken. Überhaupt wird Telelearning längst noch nicht genug genutzt. Wir haben den Herstellern deshalb angeboten, sich unsere Fortbildung hier mal anzuschauen. Warum sollte es nicht reichen, mit Hilfe von Kamera und Mikro aus der Ferne zu erklären, wie ein neuer Kopierer funktioniert, wenn hier der Mitarbeiter dasselbe Gerät vor sich hat. Hinzu kommt, daß beim Telelearning Leute in gewohnter Atmosphäre zusammensitzen, die sich kennen. Vor allem wird das Fortbildungsprogramm genau auf das Unternehmen zugeschnitten. Sicher taugt die Methode nicht für alles. In der Kommunikationsschulung zum Beispiel, wo es auch auf Körpersprache und Wirkung ankommt, ist der persönliche Kontakt besser.
Jürgen Voss ist bei Siemens Nixdorf verantwortlich für das Online-Training im Bereich Training Informationstechnik. Das Unternehmen entwickelt innovative Trainingskonzepte mit computergestütztem Lernen: User Centered Computing. Ein Bereich ist das „teletutorgestützte Lernen“, das Siemens Nixdorf seit zwei Jahren seinen Kunden anbietet. Schon zuvor hat Simens Nixdorf in Rahmen von Projekten Telelearning erprobt und didaktische Grundlagen entwickelt.
Der Online-Trainer:
Man muß sich erst daran gewöhnen, daß man sich visuell über PC begegnet. Die Gestik muß anders sein als im Klassenraum, da das Videobild klein ist und die Übertragung bei schneller Bewegung ruckartig oder verzögert läuft. Man darf nicht zu schnell sprechen oder hektisch reagieren. Alle Unterlagen für das Online-Training müssen natürlich elektronisch sinnvoll aufgearbeitet werden. Dabei sollte man auf Standardprogramme zurückgreifen. Umfangreiche Graphiken etwa brauchen zu lange Übertragungszeiten. Videokonferenzstudios benutzen für eine bessere Übertragung deshalb mehrere Leitungen. Doch das bedeutet auch höhere Kosten.
Bei Siemens wird Telelearning über Videokonferenzstudios in der Vertriebsschulung eingesetzt. Mittlerweile haben wir mehrere hundert Leute geschult. Die meisten kommen gut damit zurecht, unabhängig vom Alter. Die Lernfortschritte sind oft sogar größer als bei vergleichbaren Schulungen im Klassenraum, weil die Gruppen kleiner sind und sich die Teilnehmer mehr zu fragen trauen. Der visuelle Kontakt ist schon wichtig. Da sieht der Trainer, ob ein Teilnehmer Probleme hat und sich die Haare rauft. Die Arbeit ohne Bildleitung läuft längst nicht so konzentriert. Natürlich eignet sich Telelearning nicht für jeden Bereich. Auch kann es das Klassenraumtraining nicht ersetzen. Ein Methodenmix ist sinnvoll.
An der Fernuni Hagen ist Telelearning längst Alltag. Virtuelle Universität nennt sich das Projekt, (http://vu.fernuni-hagen.de) das 1995 angeschoben wurde. 1996 haben sich die ersten Studenten eingeschrieben. Mittlerweile klinken sich rund 3.200 Studierende multimedial und visuell in Informatik oder Wirtschaftswissenschaften, Elektrotechnik oder Germanistik auf der Plattform der Hochschule ein. Birgit Feldmann-Pempe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Projekt Virtuelle Universität.
Die Wissenschaftlerin:
Das virtuelle Lernen wird mit großem Interesse angenommen, auch in den Geistes- und Wirtschaftswissenschaften. Der Kontakt über Videokonferenz ist zur Zeit noch weniger gefragt. Zum einen gibt es Hemmschwellen vis-à-vis in Kontakt zu treten, zum anderen sind die technischen Möglichkeiten längst noch nicht so schön, wie man das immer hört. Ein verwackeltes, briefmarkengroßes Bild, das nur verlangsamt die Bewegungen wiedergibt, ist halt nicht so toll. Viel beliebter sind Chat-Tools, Audiokonferenzen und Mail-Kontakte, allesamt Techniken, die eine viel schnellere Kommunikation ermöglichen. Den meisten Teilnehmern kommt es auf die Geschwindigkeit, auf schnellen Austausch und die Integration verschiedener Techniken an. Auch ist der visuelle Kontakt über PC eine anstrengende Sache. Zwar kostet eine Schwarzweiß-Kamera nicht mehr als 200 Mark, aber nicht alle haben die Technik, oder die Modems sind nicht leistungsfähig genug, um das nutzen zu können. Daher müssen wir als Dozenten immer gleichzeitig verschiedene Nutzungsmöglichkeiten anbieten: visueller Kontakt, Audio-Kontakt, Mails und Chatfenster. Anja Dilk
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