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Lächeln, lächeln, lächeln

Wird die Weltausstellung eine einzige Spielwiese für Industriemanager? Expo-Chefin Birgit Breuel findet: nein.Doch selbst dem Expo-nahen Verein „frauen & expo“ ist es nicht gelungen, dem Motto „Mensch – Natur – Technik“ eine weibliche Sicht abzugewinnen

von ISABELL RODDE

Irgendwann im Sommer will Thais Corrais die Weltausstellung in Hannover besuchen. Immerhin wird dort das Projekt vorgestellt, das sie seit zehn Jahren erfolgreich koordiniert. „Redeh“, ein Zusammenschluss von Frauen-Gesundheitsinitiativen aus ganz Brasilien, zählt zu den 770 weltweit registrierten Expo-Projekten. In Hannover sollen sie als „Beispiele nachhaltiger Entwicklung“ präsentiert werden und beweisen, dass von der Expo mehr zurückbleibt als ein aufgepepptes Messegelände, viel Schutt und ein Berg Schulden.

Allerdings weiß Thais bis heute nicht, in welcher Weise ihre Arbeit ausgestellt wird, auch eine Einladung hat sie nicht erhalten. „Die Informationen aus Hannover waren immer sehr verwirrend“, meint die 43-jährige Journalistin aus Rio de Janeiro. „Wir wollen zeigen, dass Fraueninteressen in alle politischen Entscheidungen mit einbezogen werden müssen. Ich hoffe, dies wird eine der zentralen Botschaften der Expo sein.“

Glaubt man den Versprechungen der OrganisatorInnen, so soll die Genderthematik tatsächlich ein Querschnittsthema der Weltausstellung werden. Immerhin, erklärt Expo-Chefin Birgit Breuel, hätten Frauen beim Expo-Motto „Mensch – Natur – Technik“ eine große Bedeutung. Auf die inhaltlichen Vorbereitungen hat dies indes wenig Einfluss gehabt. Bereits 1991 monierte Hannovers damalige Frauenbeauftragte Ursula Müller, feministische Gesellschaftsanalysen würden bei den Planungen zur Expo überhaupt keine Rolle spielen. Ihre Forderung: Das Thema müsse konsequent als „Mann – Frau – Natur – Technik“ umgesetzt werden. „So vorzugehen“, schrieb Müller, „wäre geradezu eine revolutionäre Tat.“

Die Revolution blieb aus, stattdessen wurden massenwirksame Konzepte für eine riesige Erlebnisausstellung entwickelt. Mit kräftiger finanzieller Unterstützung von IBM, Siemens, der Stromwirtschaft und dem Verband der Chemischen Industrie wurden für den Themenpark „Lösungen der weltweiten Probleme“ entwickelt. Die AusstellungsmacherInnen kündigten Entdeckungsreisen in die Welt der vernetzten Kommunikation, der Gentechnologie, Kernfusion und Ressourcenforschung an.

„Die ersten Entwürfe haben damals alle meine Befürchtungen bestätigt“, erinnert sich die Sozialwissenschaftlerin Sigrid Häfner. „Die Lebenswirklichkeit von Frauen kam schlicht nicht vor.“ Um den Männern das Feld nicht ganz zu überlassen, gründete sie 1997 mit 120 weiteren Frauen den Verein „frauen & expo“. Erklärtes Ziel: die Entwicklung der weiblichen Sicht in Projekten und Exponaten der Weltausstellung.

Autonome Frauengruppen indes übten heftige Kritik am Engagement des Vereins: „Die Weltausstellung ist das Beispiel für patriarchal-technokratischen Machbarkeitswahn schlechthin“, schrieb „mamba“, eine Gruppe feministischer Expo-KritikerInnen. Experten wollten durch technologische Optimierung die Welt verbessern, während Frauen den Müll trennten und energiesparend Biogemüse brutzelten. „Auch durch kritisches Mitmachen wird das nicht besser.“ Die mageren Ergebnisse der inzwischen dreijährigen Lobbyarbeit scheinen den Expo-Gegnerinnen Recht zu geben. Die Vorsitzende von „frauen & expo“, Mechthild Schramme-Haack, verweist zwar auf die Einrichtung von thematischen Frauenführungen auf dem Expo-Gelände und auf ein Gastgeberinnenprojekt, das etwa 25 Frauen aus weltweiten Projekten den Aufenthalt in Hannover ermöglichen soll. Auch eine internationale Frauenkonferenz für dreihundert geladene Gäste wird es während der Weltausstellung geben. Die Bilanz von Vereinskollegin Regine Othmer fällt dennoch ernüchternd aus: „Ich könnte spontan keinen Ausstellungsbereich nennen, in dem unsere Kritik zu konkreten Veränderungen geführt hat.“

Selbst die weltweiten Projekte, von den Expo-Verantwortlichen immer wieder als Beispiele für die Beteiligung von Frauen angeführt, sprechen ihrer Meinung nach eine deutliche Sprache: Von den 487 internationalen Projekten würden rund fünfzig geschlechtsspezifische Fragestellungen berücksichtigen, bei den 280 deutschen Projekten seien es gerade mal sieben. Othmer: „Von Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsthema der Expo kann überhaupt keine Rede sein.“

Tatsächlich existiert die Geschlechterdifferenzierung im Sprachschatz der OrganisatorInnen der Themenparks bis heute allenfalls am Rande. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert der Themenpark „Mensch“: Unterschiedliche Rollenzuschreibungen und Machtpositionen thematisiert das dreißigseitige Ausstellungskonzept an keiner Stelle. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, vom Menschen zu sprechen und nicht von Frauen und Männern“, meint Projektmanagerin Heike Niemeier ganz postfeministisch. Dabei geht es schwerpunktmäßig um Humangenetik, Bevölkerungswachstum und Reproduktionsmedizin – Themen, mit denen sich Wissenschaftlerinnen und Frauenbewegung seit Jahrzehnten intensiv beschäftigen. Ihre Kritik an gesellschaftlicher Biologisierung und Auslese wird man in der Ausstellung vergeblich suchen. Stattdessen veranschaulichen riesige Würfel mit bunten Stecknadeln die Erfolge der Human-Genom-Forschung, und eine Fernsehsoap erklärt, wie man sich in einem Reproduktionszentrum ein Kind nach Maß aussuchen kann.

Das „21. Jahrhundert“ ist die einzige der elf Einzelausstellungen, die in ihren Zukunftsentwürfen auf das „selbstbestimmte Handeln kompetenter Frauen“ setzt. Allerdings wird auch hier keineswegs nach den Ursachen der Weltprobleme gefragt. Im Mittelpunkt der Inszenierung steht Maria, eine – fiktive – allein erziehende Mutter aus einem Elendsviertel in São Paulo, die sich in einer Bürgerbewegung für ein vernetztes Verkehrssystem einsetzt. Im Jahr 2030 ist es so weit: Mit Hilfe des – realen – Expo-Wirtschaftspartners Allianz werden neue U-Bahnstationen eingeweiht, in denen ein zentraler Computer die Fahrgäste über Verkehrssituation und aktuelle Schadstoffkonzentration der Luft informiert.

Per Handy und Pager können sie sich über die jeweils schnellste, umweltschonendste und sicherste Beförderungsvariante informieren. „Nicht mehr das eigene Auto wird das Statussymbol sein, sondern das Handy für alle“, lobt die Allianz das neue Verkehrskonzept, das bereits zum Patent angemeldet ist.

„Die Probleme der Favelabewohnerinnen in São Paulo werden nicht durch ein Handy gelöst“, kommentiert Thais Corrais das angeblich frauenfreundliche Ausstellungskonzept enttäuscht. „Es sind nicht verkehrstechnische Informationen, die fehlen, sondern vor allem Bildung und Arbeit.“

Auch Barbara Duden, Professorin an der Uni Hannover, beklagt die „wattierte Gewaltförmigkeit“, die in den Konzepten der Themenparks zum Ausdruck kommt. Schon vor Monaten hat die Historikerin erklärt, sie halte die Konzepte zum Thema Gesundheit für menschenfeindlich und geschichtslos – und sähe keinen Sinn darin, Frauen als eine zusätzliche Variable zu integrieren. Sie ist überzeugt: „Hauptsache dabei sein ist für Frauen das falsche Motto.“ Im Rahmen der erstmalig stattfindenden „Internationalen Frauenuniversität“ (ifu) im Sommer will sie gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen aus Indien, Südafrika und den USA eine „Körperakademie“ als Alternativkonzept verwirklichen: „Wir werden mit 150 Frauen aus siebzig verschiedenen Ländern intensiv Themen wie Klitorisbeschneidung, Pränataldiagnostik und reproduktive Frauenrechte diskutieren.“

Mit diesem Vorhaben vollbringt Duden allerdings ihrerseits einen umstrittenen Spagat. Denn auch die ifu in Hannover zählt inzwischen zu den registrierten Expo-Projekten und wird von der Expo GmbH finanziell unterstützt. Gegnerinnen der Weltausstellung kritisieren die hunderttägige Veranstaltung für neunhundert postgraduierte Studentinnen als feministisches Feigenblatt und organisieren eine „Interkulturelle FrauenLesbenSommeruni“ als Gegenveranstaltung.

Am Donnerstag ist es so weit: Nach dreizehn Jahren Auseinandersetzung um Sinn, Ausrichtung und Finanzierung der ersten Weltausstellung in Deutschland wird die Expo 2000 ihre Tore öffnen. Um die bisher nur tröpfelnde BesucherInnenschar zu mobilisieren, freuen sich Steffi Graf und Siemens-Chef Heinrich von Pierer in ganzseitigen Anzeigen auf das große Zukunftsfest.

GegnerInnen rufen zu Blockadeaktionen gegen die „schöne neue Welt der Technokraten, Konzerne und Regierungen“ auf. Auf dem Gelände sollen siebentausend ZeitarbeiterInnen täglich dafür sorgen, dass die Weltausstellung störungsfrei über die Bühne geht. Die Jobvermittlungsfirma Adecco sucht dafür noch immer „flexible und engagierte“ MitarbeiterInnen, die nach Aussagen von Vermittler Hauke Kühl vor allem eins können müssen: lächeln, lächeln, lächeln. Um in bestimmten Ausstellungsbereichen einen Job als Hostess zu bekommen, muss frau übrigens noch ein weiteres Kriterium erfüllen: Sie muss Konfektionsgröße 34 haben.

Während andernorts der Magersucht der Kampf angesagt wird und Models unter Größe 40 verboten werden, haben Frauen jenseits der Barbiemaße hier keine Chance. Wie formulierte es eine Mitarbeiterin des Themenparks so treffend: „Bei uns ist die Situation von Frauen überall ein bisschen versteckt mit drin.“

ISABELL RODDE, 36, ist Redakteurin des Expo-kritischen Internetforums www.xposition.de und lebt in Hannover

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