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Der Kanzler zahlt für die Kanzlerbahn

Stadion, U-Bahn, Kulturfinanzen: In der Berliner Stadtpolitik macht Schröders Schmiermittel Zahnräder flott, die sich heillos ineinander verhakt hatten. Auf der Strecke bleiben – auch in der Hauptstadt – die Reformer innerhalb der CDU

Als Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gestern in der neuen Bundeszentrale seiner Partei den „Tag der CDU Berlin“ eröffnete, agierte er auf feindlichem Terrain. Diepgens Zukunft in der Partei sei nach dem Steuerdeal mit der Bundesregierung vorbei, tönte es aus der Umgebung von Parteichefin Angela Merkel.

Eine Drohung, die den Rathauschef wenig beeindruckt – nach höheren Weihen strebt er ohnehin nicht. Und für die Berliner Stadtpolitik ist der Deal mit dem Kanzler ein Segen: Schröders Schmiermittel macht jetzt genau jene Zahnräder in der Berliner Koalitionsmechanik wieder flott, die sich zuletzt heillos ineinander verhakt hatten. Mit den 283 Millionen Mark, die der Bund für die Sanierung des maroden Olympiastadions zusätzlich lockermacht, nimmt er den Druck von der Sollbruchstelle zwischen CDU und SPD.

Einig waren sich die örtlichen Regierungsparteien bis zuletzt nur darin, dass die Sportarena bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Schuss gebracht werden muss. In der Frage, wie der bankrotte Stadtstaat das Großprojekt finanzieren soll, gingen die Meinungen auseinander. SPD-Chef Peter Strieder wollte den Bau der neuen U-Bahn-Linie zwischen dem zentralen Alexanderplatz und dem neuen Regierungsviertel stoppen. Diepgen hingegen, sonst kein Freund kategorischer Festlegungen, hatte sich auf die „Kanzlerbahn“ so sehr versteift wie zuvor nur auf seinen Widerstand gegen das geplante Holocaust-Mahnmal. Seine Getreuen schlugen vor, man könne statt dessen auf den Ausbau des Berliner Straßenbahnnetzes verzichten – ein Lieblingsprojekt des SPD-Mannes Strieder.

Auch die Gefechte über die Hauptstadtkultur erscheinen nach Diepgens Ja zu Steuerreform plötzlich in neuem Licht. Dass plötzlich 25 Millionen Mark für den Ausbau der Museumsinsel fehlten, gab im Frühjahr den letzten Anstoß für den Rücktritt von Kultursenatorin Christa Thoben (CDU). Jetzt kommt das Geld – vom Bund. Obendrein zahlt die rot-grüne Regierung die laufenden Hilfen für den hauptstädtischen Kulturbetrieb, die sie im Wahljahr 1998 versprochen hatte, wieder in der vollen Höhe von 120 Millionen Mark. Sie waren zuletzt auf 100 Millionen Mark gekürzt worden. Hinzu kommen 75 Millionen Mark für „Hauptstadtlasten“, die Berlin bislang vergeblich forderte. All diese Posten summieren sich über die Jahre zu einem Milliardengeschenk.

Während sich Strieder und Diepgen in ihrem Erfolg sonnen, könnte der Berliner Finanzsenator Peter Kurth (CDU) als Verlierer aus dem Milliardendeal hervorgehen. Seit seinem Amtsantritt vor einem halben Jahr kämpft der 40-jährige Bänker gegen die alte Berliner Subventionsmentalität, die niemand so sehr verkörpert wie Diepgen.

Der Bürgermeister, seit 1984 mit kurzer Unterbrechung im Amt, schwadroniert gerne über die „dienende“ Rolle der Finanzpolitik. Über Geld wurde selten gesprochen, wenn die Politiker in der einstigen Mauerstadt teure Projekte auf den Weg brachten – in der vagen Hoffnung, irgendjemand werde dafür schon zahlen. Der plötzliche Geldsegen vom Bund nährt die Illusion, fast ein Jahrzehnt nach dem Wegfall der Berlin-Subventionen funktioniere dieses System noch immer.

Der Schröder-Deal hat also nicht nur im Bund, sondern auch in Berlin die CDU-Reformer geschwächt. Diepgen, auch parteiintern schon als Auslaufmodell gehandelt, steht plötzlich wieder als Sieger da. Für die SPD muss das kein Nachteil sein. Verpasst die Union in Berlin – wie im Bund unter Kohl – den rechtzeitigen Generationswechsel, kann das die Wahlchancen der hauptstädtischen Sozialdemokraten nur steigern. RALPH BOLLMANN

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