: Grüne in Tumultikulti
Die grüne Parteichefin Renate Künast stößt mit ihrer Absage an die „multikulturelle Gesellschaft“ auf Widerstand bei Migrantenvertretern und anderen Grünen. Cohn-Bendit: „Falsch und fatal“
BERLIN taz ■ Der grüne Europaabgeordnete und Vordenker in Sachen „Multikulti“, Daniel Cohn-Bendit, erteilte gestern seiner Parteivorsitzenden Renate Künast eine klare Absage. „Ich bleibe bei dem Begriff ‚multikulturelle Demokratie‘ und hoffe, dass wir beim nächsten Parteitag darüber streiten können.“ Künast hatte am Montag erklärt, der Begriff „Multikultur“ sei so „unscharf“ wie die „deutsche Leitkultur“ und werde deshalb von grünen Spitzenpolitikern nicht mehr genutzt. Sie redet jetzt von „Verfassungspatriotismus“.
Cohn-Bendit hält den Zeitpunkt für „falsch und fatal“: „Eigentlich müssten die Grünen jetzt mit Spitzenpolitikern aller Parteien gemeinsam Großkundgebungen mit der Botschaft organisieren: Wir sind eine Einwanderungsgesellschaft.“
Offensichtlich wurde der grüne Abschied von der „Multikultur“ nur in kleinem Funktionärskreis vollzogen. Beim Berliner Landesverband erntet die einstige Chefin zumindest nur Widerspruch. „Von solchen Begriffen verabschiedet man sich nicht so hopplahopp“, belehrt der Landesvorstandssprecher Andreas Schulze seine Parteichefin. Und der migrationspolitische Experte der Berliner Grünen, Hartwig Berger, wirft Künast vor, „ins Raumschiff nationaler Politik entschwunden zu sein“. Für Berger ist Multikulturalismus „quicklebendig“.
Kritik an Künast äußerten auch Vertreter von Migrantenorganisationen. „Ich glaube, die Grünen lassen sich auf eine Diskussion ein, die von Herrn Merz und seiner Leitkultur bestimmt ist. Und die ist einfach dumm“, urteilt Witold Kaminski vom polnischen Sozialrat in Deutschland. Und Bahman Nirumand, Geschäftsführer der kommunalen Ausländervertretung in Frankfurt, meint: „Das Grundgesetz ist die Basis, auf der alle, Deutsche wie Ausländer, stehen sollten. Aber darauf wächst ein Garten voller Blumen, die unterschiedlich sind.“ Es gebe deshalb keinen Grund, den Begriff abzuschaffen. EBERHARD SEIDEL
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