: Kampf-Plädoyers
■ Plädoyers im Pitbull-Prozess: Freispruch kontra langjährige Haft
Das Fazit könnte gegensätzlicher kaum sein: „Der Schutz der Allgemeinheit war den beiden Angeklagten völlig gleichgültig“, sagte der Staatsanwalt über Ibrahim K. und Silja W., deren Kampfhunde im Juli den sechsjährigen Volkan töteten. „Sie konnten nicht wissen, dass ihre Hunde für andere Menschen gefährlich waren“, hielt der Anwalt von Ibrahim K. in seinem Plädoyer dagegen. Acht Jahre und sechs Monate Haft für den Hauptangeklagten sowie zwei Jahre neun Monate für Silja W. forderte der eine – und Freispruch der andere.
Am Mittwoch wird das Landgericht verkünden, ob die beiden Kampfhunde-HalterInnen sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht haben. Dafür, betonte der Anwalt von Ibrahim K., hätten sie voraussehen müssen, dass ihre Hunde einen Menschen töten könnten. Zwar hätten „Zeus“ und „Gipsy“ zuvor andere Tiere angefallen, aber eben nur andere Tiere. Und selbst nachdem Zeus 1998 einmal eine Frau angesprungen hatte, hätte ein Amtstierarzt Ibrahim K. versichert, dass sein Hund „nur scharf gegenüber Rüden“ sei. Im Prozess habe sich auch nicht erwiesen, dass die beiden ihre Hunde abgerichtet hätten. Wenn Zeus schwere Eisenketten tragen musste, hätte ihn das allein körperlich trainiert, jedoch nicht zur Aggression angestachelt.
Allerdings hatten Ibrahim K. und Silja W. für ihre Tiere einen Maulkorb-Zwang, den sie ignorierten. Darauf hob die Staatsanwaltschaft vor allem ab, als sie die hohen Strafen in ihrem Plädoyer forderte: Wiederholt hatten die Angeklagten im Prozess gesagt, dass sie kein Geld für Maulkörbe gehabt hätten. Ibrahim K. hatte sich einen ausgesucht, der „gut ausgesehen hätte“, aber 160 Mark teuer war. Es sei eine „Frechheit“, dass er statt eines weniger schmückenden gar keinen Maulkorb gekauft habe, hielt der Staatsanwalt ihm vor.
Während Silja W. die volle Verantwortung für den Tod von Volkan auf sich genommen hatte, hat Ibrahim K. bisher kein Wort an die Eltern des Jungen gerichtet. In einem Brief, den er seiner Freundin aus der Untersuchungshaft schrieb, empörte er sich über das Entsetzen der Medien darüber: „Erwarten sie eine Entschuldigung im Gerichtssaal? Wäre es mein Kind, käme mir das vor wie ein Fluch.“ Elke Spanner
Weiterer Bericht S. 7
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