Kommentar: Goldene Mitte
■ Warum das Strafmaß gegen Ibrahim K. nicht zu gering ausgefallen ist
Manchmal, könnte man meinen, geht es vor Gericht zu wie auf dem Markt: Beide Seiten steigen mit überzogenen Forderungen in den Handel ein, und die Mitte ist dann golden. Auch im Verfahren um Volkans Tod standen nach den Plädoyers des Staatsanwaltes und des Verteidigers von Ibrahim K. vollkommen unangemessene Forderungen im Raum: Achteinhalb Jahre Gefängnis verlangte der eine, Freispruch der andere. Das Gericht hingegen hat mit dem gestrigen Urteil die zuvor sachliche Prozessführung ebenso zuende gebracht: Es hat eine Strafe ausgesprochen, die sich an dem orientiert, was die Angeklagten tatsächlich verbrochen haben – und nicht an den Rachegelüsten des aufgebrachten Volkes.
Viele ProzesszuschauerInnen empörten sich anschließend über das „milde“ Urteil. Doch das Urteil ist nicht mild. Dreieinhalb Jahre wird Ibrahim K. im Gefängnis sitzen. Das ist eine lange Zeit. Dass es dennoch als lasche Strafe hinzustellen ist, liegt an der horrenden Strafforderung der Staatsanwaltschaft. Die hat Hoffnung bei denen geweckt, für die vor allem Ibrahim K. jemand ist, dessen Lebensstil man nicht billigen will: Ein arbeitsloser Türke, ein Macho, der aus Prestigegründen einen Kampfhund hält und auf behördliche Auflagen pfeift.
Tatsächlich taugen beide Angeklagten als Sinnbild einer Jugendgeneration, die sich allein für sich selbst und nicht für andere Menschen interessiert. Doch das Gericht ist nicht angetreten, Politik zu machen, sondern über die persönliche Schuld zweier Angeklagter zu befinden. Und nichts anderes hat es getan.
Elke Spanner
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