: The answer my friend is gone with the rind
Frisch aus der Wortspielhölle: Der Neue Deutsche Fleischfilm soll beim verunsicherten Verbraucher Vertrauen schaffen
Die Liebhaber volkstümlicher Musik staunten nicht schlecht, als sie nicht in einen Studio-Stadel geführt wurden, sondern in einen veritablen Stall mit friedlich wiederkäuenden Kühen. Und es wurde auch sonst ein denkwürdiger Abend: die Wildecker Herzbuben besangen „Herzilein“ in astreinem Vollplayback, Marianne und Michael präsentierten den neuesten Landhaus-Look und die Gäste schunkelten in klobigen Bauernstuben-Sitzecken aus Kiefernholzimitat. Einzig das laute „Muh“ der Kühe unterbrach den griabigen Alpensound der Zillertaler Schürzenjäger – nicht umsonst heißt die neue ZDF- Show „Der lustige Muh-sikantenstadel“. Mit ihr soll die neu gegründete „Aktion Sorgenrind“ im Herzen der Menschen verankert werden.
Seit nämlich auch in deutschen Ställen die Kuh tanzt, bestimmen ratlos vor der Fleischtheke herumirrende Verbraucher und von den immer gleichen BSE-Fragen genervte Wurstfachverkäuferinnen die Szenerie des dramatisch zusammenbrechenden Rindfleischstandorts Deutschland. Hier sind vertrauensbildende Maßnahmen gefragt, um die Kuh endgültig vom Eis zu holen, und wer wäre für diese Aufgabe besser gerüstet als die CMA, die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft?
Aber selbstverständlich will der Verbraucher nicht nur aufgeklärt, sondern auch unterhalten werden. Er will die Sorgen und Nöte des Alltags vergessen, die Beine hochlegen und fünfe mal grade sein lassen. Deshalb wurden von der CMA in Zusammenarbeit mit ARD und ZDF eine ganze Reihe von Sendungen produziert, die die Lust aufs Rind steigern sollen. Dafür haben die Marketingexperten eigens einige Produkte direkt aus der Wortspielhölle hervorgezaubert. Hier ein erster Blick auf die Zuchterfolge des Neuen Deutschen Rinder-Films:
Dr. Angela Kleimer ist die bezaubernde, frisch der veterinärmedizinischen Fakultät entschlüpfte Tierärztin, die sich in der oberbayerischen Gemeinde Rottenbuch um das Wohl der Vierbeiner kümmert. Eines Tages bringt ein Fall von Rinderwahnsinn Bewegung in die Stallungen. Die örtliche Bauernschaft ist in Angst und Schrecken versetzt. Einzig „Rinderärztin Angela“ wagt sich noch in die heimgesuchte Mastanstalt des Züchters Heinz Bachbichler. Aufopferungsvoll kümmert sie sich um die dem Wahnsinn verfallenen Wiederkäuer und erwirbt sich so den Ruf einer Mutter Teresa der Schlachthöfe. Als sie eines Tages zur Beruhigung der Bevölkerung mit gutem Beispiel vorangeht und auf dem von Rinderzüchter Bachbichler veranstalteten Hoffest mit Appetit ein riesiges Lendensteak verspeist, stellen sich anderntags auch bei Rinderärztin Angela erste Zeichen von geistiger Umnachtung ein: Anstatt wie gewohnt auf ihrer geliebten Stute Henrietta durch die Fluren des Voralpenlands zu reiten, galoppiert sie auf dem Zuchtbullen Melchior geradewegs Richtung Autobahn ...
Nach der heiteren Operette „Die lustigen Rinder von Windsor“ und der Kevin-Kostner-Adaption „Der mit der Kuh tanzt“ entführt uns das ZDF im opulent ausgestatteten Historienschinken „Gone with the Rind“ in die Steak-gesättigte Welt der amerikanischen Südstaaten. Alles in allem ein cineastisches Drei-Sterne-Menü der Extraklasse!
Arnold Schwarzenegger ist „Der Separator“. Das alpenländische Muskelpaket spielt den Fleischarbeiter Frank, der in den Schlachthöfen Chicagos schuftet. Der Mann kann einfach alles: ob Bürgermeisterstück, Oberschale mit Deckel oder Querrippe ohne Knochen, dem Grazer Kraftbolzen ist kein Fleischstück fremd. Als er jedoch die Schnittechnik der Alt-Wiener Rindfleischküche im Land der Monstersteaks durchsetzen will, kommt er in Konflikt mit der Schlachtergewerkschaft. Die raubeinigen Gesellen verlachen nämlich Franks fast künstlerische Schnittführung, mit der er Hüferscherzel, Kruspelspitz, Hüferschwanzl oder mageres Meisel aus dem Schlachtkorpus herauspräpariert. Als er deshalb in die Separatorenabteilung strafversetzt wird, läuft der sensible Steirer Amok ...
Einwände, dem Thema Rind werde in seinem Sender zu viel Sendezeit eingeräumt, begegnet ZDF-Pressesprecher Holger Seel mit Unverständnis. „Ganz im Gegenteil. Wir müssen noch viel mehr tun: Deshalb unterstützt das ZDF die ‚Aktion Sorgenrind‘. In der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, auf die unantastbare Würde jedes einzelnen Rindes zu pochen und deutlich zu machen, dass das Kreatürliche gerade in seiner Vielfalt fasziniert. Akzeptieren wir doch einfach, dass Rindsein auch für Unzulänglichkeit, Verletzbarkeit und Vergänglichkeit steht. Die ‚Aktion Sorgenrind‘ ist eine Lobby für mehr Menschlichkeit im Umgang mit unseren Wiederkäuern. Deshalb auch an dieser Stelle unser Aufruf: Kaufen Sie noch heute ein Jahreslos der ‚Aktion Sorgenrind‘!“ RÜDIGER KIND
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