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Werthebach: Linke auf die Lichtung treiben

Innensenator kündigt konsequente Bestrafung von Randalierern des 1. Mai an. Sie sollen auch für den Gesamtschaden von 120.000 Mark zahlen. Grüne und PDS hätten ihnen geistige Deckungsmasse geliefert. Grüne: „Cäsarenwahn“

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat der „linksextremistische Szene und den gewaltbereiten Autonomen“ gestern offen den Krieg erklärt: „Wir werden den harten Kern von Verfassungsfeinden isolieren und auf die Lichtung treiben. Der Spuk wird bald vorbei sein“, kündigte der sichtlich aufgebrachte Senator gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an, in dem die Ereignisse des 1. Mai in Kreuzberg auf der Tagesordnung standen. Auch die Bündnisgrünen und die PDS, die das Verbot der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ als „Öl ins Feuer gießen“ kritisiert hatten, nahm Werthebach aufs Korn: Wer meine, dass die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) „kriminalisiert“ werde, biete den Gewalttätern „geistige Deckungsmasse“. Der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland diagnostizierte bei Werthebach einen klaren Fall von „Cäsarenwahn“. Die PDS hat für kommenden Donnerstag eine aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus zum 1. Mai beantragt

Was er mit auf „die Lichtung treiben“ meint, erläuterte Werthebach mit folgenden Maßnahmen: Alle Möglichkeiten würden ausgeschöpft, um die „Rädelsführer“ der diesjährigen 1.-Mai-Krawalle zu „identifizieren und zu bestrafen“. Wie berichtet sucht die Polizei erstmals im Internet nach Randalierern, die von Dokumentationstrupps am Mariannenplatz bei Stein- und Flaschenwürfen gefilmt wurden. Die bereits ins Netz gestellten Bilder sind nach Angaben von Polizeidirektor Gerfried Lindner erst der Anfang. Er rechnet damit, dass aus den Videoaufnahmen noch zahlreiche beweiskräftige Prints zu ziehen sind. „Da wird sich noch so mancher das Äuglein reiben.“

Werthebach will 1.-Mai-Straftäter auch persönlich für den Gesamtschaden der Krawalle – in diesem Jahr rund 120.000 Mark – haftbar machen. Dadurch werde sich „das breite Grinsen“ der Randalierer „sehr schnell zu einem harten, kantigen Gesicht verändern“, ist sich der Senator sicher. „Designerklamotten“ könnten sich diese Leute dann wohl nicht mehr leisten. „Das Ganze wird teurer als ein Abenteuer- oder Erlebnisurlaub.“ Dass eine Gesamthaftung für die Krawalle möglich ist, wird von Juristenn indes bezweifelt. „Jeder geworfene Stein“, so Werthebach gestern vollmundig, „belegt die Richtigkeit des Versammlungsverbotes.“ Auch in den folgendem Jahren werde an dem eingeschlagenen Weg festgehalten.

Der Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert, der den Einsatz am 1. Mai geleitet hatte, kündigte an, dass die Polizei beim nächsten Mal rund um das Straßenfest am Marinnenplatz aufrüsten werde. „Rechtsfreie Räume“, in denen von den Veranstaltern lediglich Zivilstreifen geduldet würden, werde es „nicht noch einmal“ geben.

Mit einem Videozusammenschnitt vom Beginn der Ausschreitungen suchte Piestert Medienberichte zu wiederlegen, wonach die Polizei Störer gezielt zum friedlichen Straßenfest getrieben habe. Es habe an der Oranien-/Ecke Adalbertstraße zwar Lautsprecherdurchsagen gegeben, sich in Richtung Mariannenplatz zu entfernen, diese seien aber an friedliche Schaulustige gerichtet gewesen.

Zum Ausbruch der Gewalt sei es gekommen, als die Polizei im Begriff gewesen sei, am Heinrichplatz eine Gruppe von Störern einzukesseln, von diesen aber „überfallartig“ angegriffen worden sei, betonte Piestert. Diese Gruppe sei dann in Richtung Straßenfest geflüchtet. Die hinterherlaufenden Beamten seien unmittelbar hinter dem Heinrichplatz stehen geblieben. Erst als es Steine und Flaschen aus Richtung Mariannenplatz hagelte, habe man Wasserwerfer eingesetzt.

PDS und Grünen blieben jedoch dabei, dass das Randalepotenzial von der Polizei von verschiedenen Straßenecken in Richtung Fest getrieben worden sei. „Bürgerkrieg machen kann jeder Idiot“, kritsierte Wolfgang Wieland mit Worten des früheren Polizeipräsidenten Klaus Hübner das Verbot der Demonstration: „Die Polizei war schon mal weiter.“

Für den innenpolitischen Sprecher der CDU, Roland Gewalt, ist klar, dass „Teile der PDS in Zusammenarbeit mit externen Kräften die Krawalle herbeigeführt haben“. Nur der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Lorenz, der am 1. Mai zum ersten Mal seit 16 Jahren in Urlaub war, hielt sich in der Ausschusssitzung ausgesprochen zurück. Unangenehm aufgestoßen sei ihm aber die „sehr ideologische Rede“ des Innensenators, sagte Lorenz.

PLUTONIA PLARRE

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