: PDS zettelt Wahlen an
Sozialisten wollen die große Koalition durch Volksentscheid zu vorgezogenen Neuwahlen zwingen. Unterschriftensammlung könnte noch im Juni starten. Grüne wollen Gewerkschaften einbinden
von ANDREAS SPANNBAUER
Die PDS plant einen Aufstand der Aufgebrachten und will die große Koalition durch einen Volksentscheid zu vorgezogenen Neuwahlen zwingen. „Es ist jetzt notwendig, das parlamentarische Terrain zu verlassen“, sagte der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf gestern. Unter normalen Umständen müsse eine Regierung mit dieser Bilanz abtreten. Da jedoch ein Antrag auf eine vorzeitige Auflösung des Parlaments derzeit wenig Erfolgsaussichten habe, müsse auf diesem Wege geklärt werden, ob „Diepgen und seine Crew“ noch die Legitimation für die Regierungsgeschäfte besäßen.
Wolf zeigte sich überzeugt, dass die zunächst notwendigen 50.000 Unterschriften einfach zu beschaffen seien. „Überall herrscht die Stimmung, dass es nicht einfach so weitergehen kann.“ Die Empörung sei so groß, dass die Menschen nun Gelegenheit zur Artikulation bekommen müssten. Noch gestern hätten sich Anrufer bei der PDS erkundigt, wo sie unterschreiben könnten.
Die PDS gehe davon aus, dass durch ein Volksbegehren „der Druck auf die Koalition ganz erheblich erhöht“ werde, sagte Wolf weiter. Der Startschuss für die erste Unterschriftensammlung könne im Juni, noch vor der parlamentarischen Sommerpause fallen. Die zweite Phase, das Volksbegehren, fiele dann in die Monate September und Oktober. Dann wird im Parlament der Haushalt 2002 diskutiert, bei dem die Auswirkungen der Bankenkrise konkret spürbar werden. „Ich bis überzeugt, dass diese Koalition das Ende der regulären Legislaturperiode nicht erreicht“, sagte Wolf.
Der Vorschlag wird auch von den Grünen unterstützt. „Die Regierungserklärung von Eberhard Diepgen am (heutigen) Donnerstag wäre zwar auch ein guter Anlass, seinen Hut zu nehmen“, sagte der grüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland. Bei einem Volksbegehren müsse es sich aber um eine breit getragene gesellschaftliche Initiative handeln. Wieland regte an, mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und den Allgemeinen Studentenausschüssen in Verbindung zu treten. Allerdings bleiben die Grünen bei ihrer Aufforderung an die SPD, durch die Bildung einer Minderheitsregierung mit den Oppositionsparteien vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen. Die Landesvorsitzenden Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer sagten, die SPD wäre gut beraten, selbst die Initiative für einen politischen Neuanfang zu ergreifen anstatt sich „durch ein Volksbegehren aus dem Senat jagen zu lassen“.
Die FDP will morgen entscheiden, ob sie einen Volksentscheid organisiert. Der Landesvorsitzende Günter Rexrodt sagte, die SPD, selbst tief verwurzelt im Berliner Filz, habe „ihre Handlungsfähigkeit an der Garderobe abgegeben“.
Monika Grütters, Mitglied des CDU-Landesvorstandes, wies die Forderung nach einem Volksentscheid zurück. Gegenüber dem Sender Inforadio sagte sie: „Ich bin sicher, dass man mit einem Volksentscheid ein so komplexes Thema nicht bewältigen kann.“
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