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DER TELEKOM-KURSVERFALL ERZWINGT NEUES DENKEN ÜBER DIE RENTEWenn ich einmal alt bin

Eines ist klar: Wenn ich dereinst in ein Seniorenwohnheim zu ziehen gezwungen sein sollte, wird auf der Liste der Auswahlkriterien ganz oben stehen, ob das neue Domizil die wichtigsten Wirtschafts-Nachrichtendienste per Internet abonniert hat. Meine Enkel werden mich schätzen als Neunzigjährigen, der noch mitreden kann. Was nicht neuen Medikamenten zur Stabilisierung des Erinnerungsvermögens zu verdanken ist, sondern der Telekom und der künftigen Form der Rente.

Gehen wir davon aus, ich bin ein durchschnittlicher Vertreter meiner Generation. Im Alter von 70 wird meine gesetzliche Rente schon seit Jahren eingefroren sein. Vom Zuwachs des allgemeinen Wohlstands profitiere ich nicht mehr. Ein guter Teil meiner Altersversorgung ist privatisiert. Rentenfonds überweisen mir monatlich einige hundert Mark, die sie mit dem Verkauf der Aktien erwirtschaften, die ich aufgehäuft habe.

Und plötzlich passiert so etwas wie gerade bei der Deutschen Telekom AG. Das Papier, als sparbuchähnlich angepriesen und in meinem Depot reichlich vorhanden – verliert innerhalb weniger Tage 20 Prozent seines Wertes. Mit Bedauern schreibt die Fondsgesellschaft, dass die Aktienrente demnächst etwas gekürzt werde – wegen der unvorhergesehenen Entwicklung. Nach menschlichem Ermessen halte die Kürzung aber nur wenige Monate an, denn, wie die Erfahrung zeige, würden sich Kurse periodisch wieder erholen. Über derartiges Wissen verfüge auch ich: Meine Lehrbücher der Wirtschaftsgeschichte sagen mir, dass die Aktien während der Weltwirtschaftskrise der 20er-Jahre einbrachen und erst 40 Jahre später ihren alten Wert wieder erreichten. Anleger der 80er-Jahre hatten mehr Glück: Die Verluste zu Beginn der Dekade wurden schon zu ihrem Ende aufgeholt. Natürlich – ich bin sicher, dass die grundsätzliche Annahme der Fachleute stimmt und Aktien im langen Trend eine sichere Anlage mit schöner Rendite darstellen. Langfristig bin ich ruhig, kurzfristig hetze ich durchs Internet: Elektroniktitel verkaufen, Ölaktien umschichten, vielleicht ein Immobilienfonds, eine andere Rentengesellschaft?

So bleibe ich jung und roste nicht ein. Das Leben ist „volatil“, wie mein Fondsmanager sagt. Wie die Aktien unterliegen auch meine Chancen starken Schwankungen. Manchmal bekomme ich mehr Rente, manchmal weniger. Sinnvoll wäre es, sinniere ich, in Rente zu gehen, wenn die Aktienmärkte zu einem Höhenflug ansetzen – oder sonst die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Und vielleicht sollte ich mich zum Sterben entschließen, wenn die Boomphase vorbei ist. HANNES KOCH

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