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Kabinettsbeschluss: Frauen, die sich diskriminiert fühlen, können sich künftig bei der UNO beschweren

BERLIN taz ■ 22 Jahre nachdem die UNO ein „Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ verabschiedet hat, bekommt dieses in Deutschland nicht gerade Zähne, aber immerhin Zähnchen. Frauen und Frauengruppen erhalten das Recht, sich beim zuständigen UNO-Ausschuss zu beschweren, wenn sie sich diskriminiert fühlen. Ein entsprechendes Zusatzprotokoll zu dem Abkommen hat gestern das Kabinett verabschiedet. Anders als bei der UNO-Menschenrechtskonvention gab es bei der Frauenrechtskonvention bisher keine Möglichkeit, die dort garantierten Rechte per Beschwerde einzuklagen.

Der „Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women“ (Cedaw) sind bisher 163 Staaten beigetreten. Sie umfasst sowohl direkte als auch unbeabsichtigte Diskriminierungen von Frauen und damit auch geschlechtsneutral abgefasste Regeln, die de facto aber negative Auswirkungen auf Frauen haben.

Dabei verpflichten sich die Staaten nicht nur, Frauen nicht zu diskriminieren, sondern vielmehr aktiv zu werden, also „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, wie es im Abkommen heißt, um Diskriminierungen abzubauen. Die Verpflichtungen erstrecken sich über alle Lebensbereiche, von den politischen Rechten über das Familien- und das Arbeitsrecht bis hin zu Bildung und Kultur.

Die Vertragsstaaten müssen bereits jetzt regelmäßig Berichte über den Stand der Dinge abgeben, die dann vom Cedaw-Ausschuss kommentiert und mit Empfehlungen versehen werden. Deutschland etwa wurde nach dem letzten Bericht im Februar 2000 in etwa 20 verschiedenen Punkten gerügt. Darunter waren der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, die Tatsache, dass zu wenige Männer Erziehungsurlaub nehmen, kaum Kindergartenplätze für Kinder unter drei Jahren vorhanden sind und viel zu wenig Frauen Führungspositionen innehaben. Die Regierung habe versäumt, hier Programme und Regelungen einzuführen, die der Misere abhelfen. Auch dass Prostituierte von den Sozialversicherungen ausgeschlossen sind, wird kritisiert. Die rot-grüne Bundesregierung erhofft sich allerdings von dem nächsten Bericht bessere Noten aus New York. Immerhin bastelt sie an neuen Kitaplätzen, an Gleichstellungsplänen für die Privatwirtschaft und auch an einem Prostitutionsgesetz.

Beschwerden bei UN-Ausschüssen und deren Interventionen haben keine rechtlich bindende Wirkung, doch zeigt die Erfahrung, dass einzelne Länder auf internationalen Druck durchaus reagieren. So hat Saudi-Arabien, wo Frauen nicht mit Männern zusammen arbeiten und auch das Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen dürfen, nach einer Kampagne von amnesty international angekündigt, das Cedaw-Abkommen umsetzen zu wollen.

HEIDE OESTREICH

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