: „Die Unauffälligen identifizieren“
■ Innensenator Olaf Scholz (SPD) im taz-Interview über Rasterfahndung und andere politische Folgen für Hamburg aus den Anschlägen in den USA
taz: Nach den Anschlägen in den USA befürworten Sie die Rasterfahndung sowie einen härteren Kurs gegen radikal-islamistische Organisationen. Warum?
Olaf Scholz: Wir haben lernen müssen, dass Personen, die sich nicht besonders auffällig verhalten haben, in einen der schlimmsten terroristischen Anschläge verwickelt waren: Sie haben ordentlich studiert und sich nicht mit der Polizei in Konflikt gebracht. Wir müssen uns darauf einstellen, gerade solche Personen identifizieren zu können, ohne jedermann in Verdacht zu nehmen.
Gerade das tun Sie mit der Rasterfahndung.
Nein. Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass jetzt nicht alle Männer und Frauen, die muslimischen Glaubens oder Studierende aus arabischen Räumen sind, verdächtigt werden. Deshalb brauchen wir Methoden um festzustellen, wer für anderes in Frage kommt. Wir müssen Profile für solche Personen entwickeln.
Sie meinen Muslime.
Das wäre ein viel zu breites Kriterium. Wir müssen gerade verhindern, dass jeder mit einem solchen Glauben schief angeguckt wird. Das wäre eine schreckliche Entwicklung. Deshalb brauchen wir aber auf Seiten der Sicherheitsbehörden Methoden, um an diejenigen ranzukommen, die schlimme Dinge planen. Mit der Rasterfahndung sind schon Erfahrungen gesammelt worden. Sie haben zur Identifizierung von Personen geführt, die beispielsweise nachrichtendienstlich tätig waren.
Nennen Sie ein Beispiel für eine erfolgreiche Rasterfahndung.
Das könnte ich zwar, aber es wäre nicht in Ordnung.
Bei der Fahndung nach der RAF hat es nicht funktioniert.
Es gibt Beispiele.
Und wofür das Verbot radikaler islamistischer Organisationen?
Wir müssen sicherstellen, dass niemand unter dem Deckmantel religiöser Betätigung andere Dinge betreibt.
Die drei mutmaßlichen Täter aus Hamburg waren in keiner religiös definierten Organisation.
Was diese drei betrifft, ist das sicher zutreffend. Aber wenn wir jetzt neue Wege beschreiten, heißt das nicht, dass damit alle anderen Möglichkeiten des Verfassungschutzes oder der Polizei entfallen.
Wie verhindert ein Verbot religiöser Organisationen Terror?
Es geht nicht um ein pauschales Verbot. Sondern darum, religiöse Vereine, die extremistisches Gedankengut verbreiten, so zu behandeln wie nichtreligiöse Vereine. Die können verboten werden.
Durch diese Maßnahmen wäre diese Tat mit diesen Tätern nicht zu verhindern gewesen.
Dass wir Profile für eine Rasterfahndung entwickeln, ist gerade eine Antwort darauf, dass es sich um unauffällige Täter handelt. Wären sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder extremistisch öffentlich aktiv gewesen, hätten wir sie unter Beobachtung gehabt.
CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust fordert, den Datenschutz jetzt nicht wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Sie auch?
Der Satz ist so allgemein richtig wie nichtssagend.
Wie werden Sie die Muslime in Hamburg vor Ressentiments und Übergriffen schützen?
Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass Muslime in unserer Stadt nicht bedrängt werden, weil sie unter falschen Verdacht geraten. Voraussetzung ist, dass alle Möglichkeiten effizienter polizeilicher Aufklärungsarbeit in Anspruch genommen werden.
Interview: Elke Spanner
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