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Neue Erfahrung für Hamburg

Hamburg-Wahl: SPD nach 44 Jahren abgewählt. Ole von Beust wird wohl CDU-Bürgermeister von Schills Gnaden  ■  Von Peter Ahrens und Heike Dierbach

Bei der GAL wandelten sich die Gesichter vor und nach 18 Uhr von bang nach lang. Fraktionschefin Antje Möller machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung darüber, dass ihre Partei fast die Hälfte ihrer Wähler verloren hat und nur noch bei acht Prozent liegt. „Wir sind im Lagerwahlkampf zerrieben worden, und auch die Abspaltung des Regenbogens hat uns sicher Stimmen gekostet“. Ja, und vielleicht, „vielleicht ist unser Profil in der Koalition auch nicht eindeutig genug gewesen“. Das Dilemma hat die GAL in den nächsten vier Jahren kaum: Spitzenkandidatin Krista Sager schloss eine Ampelkoalition gestern erneut aus.

Ganz im Gegensatz zu SPD-Bürgermeister Ortwin Runde, der mit seinen unerhofften 37 Prozent Machterhaltung betreibt, Liebesgrüße an CDU und FDP ausschickt und vom „Regierungsauftrag“ seiner Partei spricht. Auch Fraktionschef Holger Christier fällt plötzlich ein, dass man eine Große Koaliton nie ausgeschlossen habe. Die SPD in der Opposition? Das wäre für Christier „zumindest eine neue Erfahrung“, aber kaum vorstellbar.

In der CDU beißt die Sozialdemokratie allerdings auf Granit. Selbst der Appell von Handelskammer-Präses Nikolaus Schües, „doch lieber eine Große Koalition zu machen“, kümmert die auf 26 Prozent gefallenen siegenden Verlierer wenig. Ihr Medienpolitiker Jürgen Klimke sagt: „Ich will endlich regieren.“ Mit FDP und Schill natürlich, und Ole von Beust beruhigt: „Mit mir wird es keine Politik geben, die Hamburgs Ruf als liberale Stadt gefährdet.“

Das ist offenbar das abgesprochene Codewort: Auch Schill hält seine Partei plötzlich für eine liberale: „Jeder darf nach seiner Facon selig werden, so lange er nicht kriminell wird.“ Selig ist vorerst Schill selbst, der lächelnd beobachtet, wie die Kameraleute handgreiflich werden, um die besten Bilder von ihm zu schießen. Schill mit hochgestreckten Daumen, Schill mit Victory-Zeichen - der rechte Richter schlug mit 19 Prozent im Rücken keinen Wunsch ab.

Schill hingegen versprach, in einer Regierungsfunktion auch jene zu integrieren, die gegen ihn seien: „Das ist kein Problem.“ Ein Problem könnte für den Bürgerblock höchstens der unsichere Kantonist FDP werden. Zu Redaktionsschluss war immer noch nicht klar, ob die Liberalen tatsächlich die Fünf-Prozent-Hürde genommen haben oder nicht.

Schill aber ist der Sieger, als solcher kann sich CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust nicht so richtig fühlen: Als er nach den ersten Prognosen in seine Fraktion kommt, reißt er nur halbherzig die Arme hoch. 26 Prozent, das ist „wirklich kein Traumergebnis“. Die Parole, die CDU-Hardliner Karl-Heinz Ehlers ausgegeben hat, trifft es: „Gedämpfter Jubel.“

Gar keinen Jubel hingegen gab es gestern beim Regenbogen - weder über die eigenen 3 Prozent, noch über das schlechte Abschneiden der GAL - zu groß ist der Schock darüber, dass fast jeder fünfte Hamburger Schill gewählt hat. Den Vorwurf, man habe der GAL geschadet, wies Regenbogen-Spitzenkandidatin Heike Sudmann zurück: „Rot-Grün hat sich selbst geschadet.“ Umgekehrt habe aber sicher die Strategie der GAL, nur mit ihr lasse sich Schill verhindern, Regenbogenwähler „mit Bauchschmerzen“ die GAL wählen lassen.

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