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Häufung tödlicher Irrtümer

Bei der Jagd nach Kämpfern der Al-Qaida und der Taliban hat die CIA mehrmals Unbeteiligte getroffen. Freigelassene Gefangene in Kandahar berichten über Misshandlungen durch US-Soldaten

aus Washington MICHAEL STRECK

Die tödlichen Irrtümer der US-Amerikaner in Afghanistan häufen sich. Vergangene Woche wurden mehrere Fahrzeuge beschossen, in denen Ussama Bin Laden oder andere hochrangige Al-Qaida-Terroristen vermutet worden waren. Ein unbemanntes Spionageflugzeug der CIA hatte angeblich herausgefunden, dass sich unter den Insassen Männer mit Bärten befanden. Am Wochenende machten sich US-Soldaten nach Südafghanistan auf den Weg, um genauere Informationen über die angerichteten Schäden einzuholen. Forensische Untersuchungen und Dokumente sollen helfen, die Opfer zu identifizieren.

Ein Reporter der Washington Post, der die entlegene Region aufgesucht hatte, wurde jedoch mit schroffen Worten von US-Soldaten daran gehindert, den Unglücksort zu untersuchen. „Wenn Sie weitergehen, werden Sie erschossen.“ Es ist bereits das zweite Mal, dass ein Fahrzeug-Konvoi versehentlich beschossen wurde. Im Dezember kamen zwölf Menschen bei einem Raketenangriff ums Leben, die auf dem Weg zur Amtseinführungsfeier von Interimspräsident Hamid Karsai in Kabul unterwegs waren.

Bei einem Einsatz gegen ein vermeintliches Al-Qaida-Waffenlager wurden Ende Januar in der Provinz Uruzgan mindestens 21 Menschen getötet und 27 Personen festgenommen. Die Getöteten, die zum Teil im Schlaf erschossen worden seien, waren vermutlich alle unschuldig. Sie hatten wahrscheinlich nur ein Lager mit Waffen bewacht, die von Taliban-Kämpfern abgegeben worden waren. Erstmals erklärten sich die USA jetzt bereit, Entschädigungen zu zahlen: Die Angehörigen der bei dem Angriff Getöteten erhalten 1.000 Dollar (1.150 Euro) pro Opfer.

Alle Gefangenen, die bei dem Angriff gemacht wurden, mussten später wieder freigelassen werden. Sie berichten, dass sie von den US-Soldaten geschlagen, getreten und als Terroristen beschimpft worden seien. Wie die Washington Post gestern berichtete, verloren zwei Männer während der Misshandlungen ihr Bewusstsein.

Unterdessen warf die in Boston ansässige Menschenrechtsorganisation „Physicians for Human Rights“ den USA vor, im Umgang mit den Inhaftierten im Gefängnis von Shebarghan die Genfer Konvention zu missachten und verantwortlungslos zu handeln. In dem Gefangenenlager nahe der Stadt Kudus, die nach wochenlanger Belagerung und Dauerbombardement Ende November von der Nordallianz erobert wurde, sollen rund 3.300 Kämpfer unter katastrophalen Bedingungen zusammengepfercht sein.

Bis zu 110 Gefangene seien in Zellen gesperrt, die eigentlich nur für 15 Menschen ausgelegt sind. 1.000 Männer müssten sich wenige Toiletten teilen. Es gebe kein fließendes Wasser, nur wenig Nahrung und kaum Medikamente. Viele Gefangene seien von US-Militärs und CIA-Agenten befragt, einige anschließend in das US-Lager auf Kuba verlegt worden. Danach hätten die US-Militärs die Internierten ihrem Schicksal überlassen.

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