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Integration per Gerichtsurteil?

Heute fällt das Bundesverwaltungsgericht sein „Kopftuchurteil“. Damit entscheidet einmal mehr die Justiz statt der Politik über die Stellung der Muslime in Deutschland

BERLIN taz ■ Erneut ist ein grundsätzlicher Streit darüber, was Muslime im öffentlichen Leben dürfen, vor einem der höchsten deutschen Gerichte gelandet. Nach dem Karlsruher „Schächturteil“ vom Januar muss das Bundesverwaltungsgericht in Berlin heute ein „Kopftuchurteil“ fällen. Die Richter entscheiden, ob das Tragen eines Kopftuches im Unterricht zur freien Religionsausübung zählt, oder ob es die Verpflichtung der Lehrerin verletzt, weltanschaulich neutral aufzutreten.

Bereits 1998 versagte das Land Baden-Württemberg der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin die Übernahme in den Schuldienst mit der Begründung, ihr Beharren auf einem Kopftuch im Unterricht mache es ihr unmöglich, weltanschaulich neutral zu bleiben. Seitdem kämpft die in Kabul geborene Lehrerin dafür, mit Kopftuch vor ihre SchülerInnen treten zu dürfen. Für sie ist das Kopftuch unverzichtbarer Bestandteil der muslimischen Kleiderordnung. Ein Verbot des Tuches komme daher einem Berufsverbot gleich. Seit 1999 unterrichtet Ludin deshalb – mit Kopftuch – an einer staatlich anerkannten islamischen Privatschule. Ihren Kampf führte sie weiter. Zuletzt scheiterte sie im Juni 2001 vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Die Richter dort ließen wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits jedoch eine Revision zu.

Doch auch das heutige Urteil bedeutet nicht automatisch das Ende des Rechtsstreits: Sollte Ludin in Berlin erneut unterliegen, das deutete ihr Anwalt Hansjörg Melchinger bereits im Januar an, sei eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe denkbar. Die Chancen Ludins vor dem Bundesverfassungsgericht stünden nicht schlecht. Die Karlsruher RichterInnen vertreten eine konsequente Linie des Minderheitsrechtsschutzes. Auch die Frage, ob Muslimen das betäubungslose Schächten erlaubt werden kann, hatte das Bundesverwaltungsgericht zunächst verneint. Das Bundesverfassungsgericht urteilte zugunsten der Muslime.

Die beiden islamischen Spitzenverbände, der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und der Islamrat, unterstützen die Klage Ludins inhaltlich und finanziell, wie zuvor auch schon die Klage des Metzgers Metin Altinküpe.

„Es liegt am Versagen von Politik und Gesellschaft, dass wir den Weg über die Gerichte wählen müssen“, betonte Aiman Mazyek, der Sprecher des ZMD, gegenüber der taz. „Schön finde ich das nicht. Letztendlich müssen so die Gerichte die Suppe auslöffeln. Auch in der Frage des islamischen Religionsunterrichts wäre es einfacher, wenn die Politik mehr Goodwill zeigen würde.“ Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats, sagte der taz: „Es ist traurig, dass Gerichte dafür sorgen müssen, dass Grundrechte wahrgenommen werden können. Aber diese Grundrechte sind von den Menschen offensichtlich nicht verinnerlicht.“

Die Erlaubnis für das Kopftuch wäre Kizilkaya zufolge ein wichtiger Schritt für die Integration. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass muslimische Lehrerinnen sich zwischen Beruf und Religion entscheiden müssten. Zudem seien die Kinder ohnehin an Kopftücher gewöhnt, sie lebten schließlich in einer multikulturellen Gesellschaft. Für ihre Religion solle Ludin im Unterricht freilich nicht werben.

Tatsächlich unterrichteten bereits an zehn deutschen Schulen Lehrerinnen mit Kopftuch. Ein weiterer unentschiedener Fall schwelt in Niedersachsen: In Lüneburg verpflichtete ein Gericht im Oktober 2000 das Land zur Einstellung von Iymen Alzayed, obwohl sie ein Kopftuch trug. Im März 2002 wurde Alzayed die Übernahme in den Schuldienst dann erneut versagt. Auf all diese Fälle wird das heutige Urteil Auswirkungen haben.

YASSIN MUSHARBASH

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