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Warnung vor Panschern zulässig

Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Bundesregierung durfte 1985 vor Glykolpanschereien im Wein warnen und dazu auch eine Liste der betroffenen Marken veröffentlichen – Information sei wichtiger als freie Berufsausübung

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

Die Bundesregierung darf vor verunreinigten oder sonst bedenklichen Lebensmitteln warnen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die aktuellen Lebensmittelskandale zeigten, „wie wichtig öffentlich zugängliche, mit der Autorität der Regierung versehene Informationen zur Bewältigung solcher Situationen sind“, heißt es im gestern veröffentlichten Beschluss des Ersten Senats.

Konkret ging es um den Glykolwein-Skandal aus dem Jahr 1985. Damals waren in Österreich und Deutschland zahlreiche Weine aufgefallen, die mit dem Frostschutzmittel Diethylenglykol gepanscht waren. Dabei kam niemand zu Schaden, doch der Weinabsatz ging zurück. Zur Orientierung veröffentlichte die Bundesregierung damals eine Liste glykolhaltiger Weine. Zwei Kellereien klagten – ohne Erfolg. Nach elf Jahren Bearbeitung bestätigte nun auch das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit der Glykolliste.

„Das Grundrecht auf freie Berufsausübung schützt Marktteilnehmer nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen“, heißt es in der Grundsatzentscheidung. Betroffene Unternehmen könnten nur verlangen, dass Warnungen unterlassen würden, wenn die Information inhaltlich unrichtig oder die Warnung „unsachlich“ bzw. „herabsetzend“ formuliert ist. Bei entsprechendem Hinweis reiche es für die Behörden sogar, wenn „trotz sorgfältiger Prüfung“ noch „Unsicherheiten“ über die Richtigkeit der Informationen bestehen.

Die Weinhändler hatten argumentiert, dass eine gesetzliche Grundlage für derartige Warnhinweise fehle, außerdem sei nicht die Bundesregierung zuständig, sondern die Länder. Beides wies das Verfassungsgericht nun zurück. Es gehöre zur „Aufgabe der Staatsleitung“, mit Hilfe der Öffentlichkeitsarbeit zu versuchen, Krisen zu bewältigen. Ein spezielles Gesetz sei dafür nicht erforderlich. Es komme auch nicht auf die Gefährlichkeit eines Produkts an, vielmehr genüge es, wenn die Verbraucher verunsichert seien. Die Bundesregierung könne tätig werden, wenn das Problem von „überregionalem“ Interesse ist. Eigenes Handeln der Länder sei daneben nicht ausgeschlossen.

Damit hat Karlsruhe eine lange bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Das 1997 novellierte Produktsicherheitsgesetz hatte Verbraucherwarnungen nur bei nachweisbaren Gefahren zugelassen. Das von Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) geplante Verbraucherinformationsgesetz wollte die Hürde auf „vermutete Gefahren“ senken. Das Gesetz scheiterte jedoch am Unionswiderstand im Bundesrat. Doch auch nach der gestrigen Entscheidung ist das Künast-Projekt nicht überflüssig, denn es sieht auch Auskunftsrechte der Verbraucher gegenüber Behörden vor, die nicht von sich aus an die Öffentlichkeit gehen. (Az.: 1 BvR 558/91)

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