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Panzer rücken in Nablus ein

Bei den von Israel angekündigten Vergeltungsmaßnahmen in Nablus für den Anschlag vom Mittwoch sterben fünf Palästinenser. Israel droht jetzt mit Zwangsumsiedlungen Ernst zu machen

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Die israelische Armee setzte gestern die Zerstörung von Häusern fort, in denen Selbstmordattentäter gewohnt hatten. Bei erneuten Vormärschen von rund 100 Panzern in Nablus sowie im südlichen Gaza-Streifen starben fünf Palästinenser, darunter ein von Israel gesuchter Hamas-Aktivist. Ziel der Invasion im Westjordanland sei „die Zerstörung des lokalen Terrornetzwerks“, sagte der Kommandant der Truppen in Nablus der Presse. Die Armee vermutet, dass „mehrere dutzend Terroristen“ von der Altstadt aus operieren. Die Aktion soll mehrere Tage dauern.

Um Palästenser von Selbstmordanschlägen abzuhalten, erwägt Israels Regierung jetzt neben der Häuserzerstörung Zwangsumsiedlungen von Familienangehörigen der Täter vom Westjordanland in den Gaza-Streifen. Bereits vor zwei Wochen waren in Nablus zwanzig Väter und Brüder von Selbstmordattentätern festgenommen worden. Gestern wurde die Abschiebung von zwei Männern angeordnet, deren Brüder im Juni an einem Überfall beteiligt waren. Die beiden legten vor einem Militärgericht Berufung ein.

Nablus war die einzige Stadt im Westjordanland, über die seit zwei Wochen ununterbrochen eine Ausgangssperre verhängt war. Die Versorgungslage zwang die Bevölkerung, den militärischen Anordnungen zuwider ihre Häuser zu verlassen, um Nahrungsmittel einzukaufen.

Vier Tage lang wurde dieser zivile Widerstand in großem Umfang von den Soldaten geduldet. Die 1.800 Abiturienten der Stadt konnten sogar einige Abschlussprüfungen schreiben. Der massive Einmarsch mit Panzern zwingt die Menschen nun in ihre Wohnungen zurück.

Der Militäreinsatz in Nablus und in Rafach, im Süden des Gaza-Streifens, folgte dem Sprengstoffattentat in Jerusalem, bei dem am Mittwoch sieben Menschen, darunter fünf ausländische Studenten, getötet worden waren. Die Regierung in Jerusalem hatte umgehend „harte Vergeltungsmaßnahmen“ angekündigt. Zu dem Attentat bekannte sich die Hamas, die mit dem Anschlag den Tod von 15 Palästinensern in Gaza rächen wollte. Iraels Regierungschef Ariel Scharon hatte letzte Woche die Exekution eines führenden Hamas-Kommandanten angeordnet, obwohl bei dem Militärangriff der Tod Unbeteiligter nicht auszuschließen war.

Der fatalen Operation folgte eine heftige Debatte in der israelischen Bevölkerung und Regierung. Der Abgeordnete Chaim Ramon, der wohl im Herbst bei den Wahlen um den Vorsitz der Arbeitspartei gegen Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser antreten wird, beschuldigte seinen Parteifreund, Bemühungen auf palästinensischer Seite zur Beruhigung der Lage gezielt unterlaufen zu haben.

Ben-Elieser hatten Dokumente vorgelegen, aus denen hervorging, dass die palästinensische Führung mit den Widerstandsgruppen über einen Waffenstillstand sprach. Der Verteidigungsminister gab zu, von den Dokumenten gewusst zu haben, dennoch habe „Schehade (exukutierter Hamas-Kommandant) keinen Anteil an den Verhandlungen“ gehabt. Seit Tagen herrscht vor allem im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Westjordanland erhöhte Alarmstufe. Die Armee kalkulierte Vergeltungsaktionen für die Exekution von Schehade ein, dennoch sei „der Schaden größer, wenn Schehade noch am Leben wäre“, rechtfertigte Ben-Elieser die Operation.

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