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Freidemokratischer Strafzettel für Schill

Rechtspopulist bleibt Zweiter Bürgermeister Hamburgs: Rechtskoalition lehnt Entlassungsantrag der Opposition ab. FDP geht aber auf deutliche Distanz zum Innensenator. Schill-Fraktion lobt erneut Rede im Bundestag

von PETER AHRENS und SVEN-MICHAEL VEIT

Ronald Schill bleibt Zweiter Bürgermeister Hamburgs. Geschlossen lehnte die Mehrheit der Rechtskoalition gestern in der Bürgerschaft den Antrag der SPD ab, Regierungschef Ole von Beust (CDU) möge seinen Stellvertreter wegen dessen unsäglichem Auftritt im Bundestag am Donnerstag voriger Woche entlassen. Alle 63 anwesenden Abgeordneten von CDU, Schill-Fraktion und FDP – einer fehlte urlaubsbedingt – votierten in öffentlicher und namentlicher Abstimmung gegen diesen Antrag, die 57 Parlamentarier von SPD und GAL ebenso geschlossen dafür.

Davor stand eine eineinhalbstündige Debatte, die durchaus lebhaft war, aber dennoch enttäuschte: Der Opposition gelang es kaum, das Rechtsbündnis in die Defensive zu treiben. Nicht einmal zu einem formellen Ordnungsruf gab es Anlass.

Der Angreifer

SPD-Fraktionschef Uwe Grund eröffnete die Debatte mit den erwarteten Attacken. „Die Verhöhnung der Flutopfer“ und das „üble Diffamieren von Ausländern“ brachte er ebenso aufs Tapet wie Schills „Stimmensammeln am rechten Rand, immer haarscharf an der Kante der Volksverhetzung entlang“. Der Innensenator „vermint und verbrettert das Tor zur Welt“, klagte Grund und schaffte es damit, den starken Beifall der gesamten Opposition hinter sich zu vereinen. Sein Fraktionskollege, Ex-Sozialsenator Jan Ehlers, stellte fest, Bürgermeister von Beust sei „auf Gedeih und Verderb auf Schill angewiesen“.

Der Bodenhafter

Einen derart deutlichen Strafzettel wie Schill von FDP-Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen hat nie ein Hamburger Senator öffentlich von einem Koalitionspartner erhalten. „Die Verantwortung für die Gefahr eines Koalitionsbruchs trägt Herr Schill“, fuhr Müller-Sönksen auf. Es sei die denkbar „schlimmste Entgleisung eines Hamburger Senators“, von der hier die Rede sei. Aus Sicht des Freidemokraten habe „Ausländerfeindlichkeit keinen Platz in der Politik eines Senates, der von der FDP mitgetragen wird“. Die Regierung könne nur halten, „wenn Sie, Herr Schill, bitte auf dem Boden des Koalitionsvertrages bleiben“.

Die Wadenbeißer

Ganz anders CDU und Schill. CDU-Fraktionschef Michael Freytag erklärte in Richtung Opposition: „Wir lassen uns von Ihnen nicht aus den Angeln heben.“ Er gab zwar zu, man habe eine „ernsthafte Koalitionskrise“ gehabt, ging jedoch ansonsten auf die SPD los. Die spiele sich moralisch auf, während sie „in Berlin mit der SED-Nachfolgepartei, die mit Blut und Tod befleckt ist, im Bett liegt“. Schill warnte er: Falls jemand versuche, „dem Senat auf der Nase herumzutanzen, wird das sein letzter Tango“.

Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf machte noch kürzeren Prozess. An der Rede seines Parteigründers gebe es nichts auszusetzen und „erfolgreiche Senatoren wie Herr Schill werden nicht ausgetauscht“, stellte er klar. Das Rechtsbündnis handele nach der alten Fußballer-Devise „Never change a winning Team“.

Der Bürgermeister

Routiniert und mitunter von oben herab präsentierte sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Das seien „keine leichten Tage gewesen für den Senat und für Hamburg“, räumte er ein, aber nun sei alles geklärt. Die „Trennung zwischen den Aufgaben eines Senators und eines Parteichefs“ sei präzisiert worden und nun sei es unbezweifelbar: „Diese Koalition wird zusammenstehen im Geiste von Taten, die der Koalitionsvertrag definiert“, behauptete von Beust, und das sei das Beste, was Hamburg passieren könne.

Die „moralische Empörung“ von GAL und SPD über Schills Bundestagsauftritt nehme er vor allem den Sozialdemokraten nur halb ab, so von Beust. Denn deren Parteichef Olaf Scholz habe sich der CDU als Koalitionspartner angeboten, und das beweise: „Sie wollen doch nur mit allen Mitteln an die Macht zurück.“

Die Grünen

Dass die CDU genau dort um jeden Preis bleiben wolle, argwöhnte hingegen die grüne Fraktionschefin Krista Sager. Regierungschef von Beust warf sie vor, durch sein Festhalten an Schill „rechtspopulistische Politik den Weg zu bereiten“. Der habe in Wahlkampfauftritten und im Bundestag „seine braune Stimmungsmache bewusst kalkuliert“: Eine zutreffende Einschätzung, die Sager allerdings umgehend die Ermahnung von Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) einbrachte, sie möge sich doch „bitte mäßigen“.

Auch ihre Fraktionskollegin und Hamburger GAL-Chefin Anja Hajduk ging von Beust frontal an. Die Frage, „was sich ein Hamburger Senator alles erlauben darf“, habe er mit einem „alles“ beantwortet. Mit der Folge, so der grüne Ex-Senator Willfried Maier, „dass Hamburg einen Ordnungssenator hat, den man nicht ohne Maulkorb herumlaufen lassen kann“.

Der Gescholtene

Der Schill des Anstoßes saß die ganze Zeit auf der Senatsbank neben von Beust. Und schwieg.

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