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Architekturforscherinnen über Space-Mining„Der Mond als Tankstelle zum Mars“

Francelle Cane und Marija Marić thematisieren auf der Venedig-Biennale den Mond als Rohstoffquelle und die medialen Versprechen der Weltraumforschung.

Laboranordnung mit Minirover, der eine simulierte Mondober­fläche nach Ressourcen absucht Foto: Armin Linke/LunaLab2023
Interview von Maxi Broecking

taz: Frau Cane, Frau Marić, Sie forschen beide an der Architektur-Fakultät der Universität von Luxemburg zu ökologischen und ethischen Fragen. Worum geht es dabei und was zeigen Sie als Kuratorinnen des Luxemburg-Pavillons bei der diesjährigen Architekturbiennale?

Francelle Cane: Ich konzentriere mich in meiner Forschungsarbeit nicht nur auf gebaute Formen, sondern auch darauf, wie wir die Erde und die Böden verändert haben, etwa durch landwirtschaftliche Projekte. All das ist auch sehr stark von Gesetzen und vom politischen Willen geprägt.

Bild: Antoine Espinasseau
Im Interview: Francelle Cane und Marija Marić

sind Architekturforscherinnen und lehren am Lehrstuhl für Stadterneuerung an der Universität Luxemburg. Beide untersuchen Architektur im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ressourcen, Francelle Cane mit dem Schwerpunkt auf Bodenökologie und Bebauungspolitik, Marija Marić richtet den Fokus auf Medien- und Kommunika­tionsstrategien. Für die Architekturbiennale 2023 in Venedig kuratierten sie den Pavillon von Luxemburg mit dem Titel „Down to Earth“, zu sehen bis zum 26. November.

Marija Marić: In unserer Ausstellung untersuchen wir kritisch, was Weltraumbergbau heute bedeutet. Auf der Suche nach verfügbaren Ressourcen hat sich der Mond als attraktiver Ort erwiesen, auch deshalb, weil er rechtlich eine Grauzone ist. Es ist historisch akzeptiert, dass alle Himmelskörper, einschließlich des Mondes, Eigentum der gesamten Menschheit sind. Dieses Narrativ wollen wir in Frage stellen. In unserem Projekt versuchen wir zu verstehen, was Space-Mining ist und welche futuristischen Versprechungen und Techno-Träume dabei bedient werden.

Frau Marić, inwiefern sind Medienstrategien auch für Space-Mining relevant?

MM: In meinen Forschungen habe ich untersucht, wie im Kontext des globalen Kapitalismus Kommunikations- und Medienstrategien eine zentrale Rolle bei der gebauten Umwelt spielen. Etwa bei der Verflechtung von Medien und Immobilienspekulation. Das Biennale-Projekt baut auf diesem Wissen auf, insbesondere auf dem Gebiet des Space-Mining, das ebenfalls eine spekulative Wirtschaft ist. Meiner Meinung nach gibt es viele Ähnlichkeiten mit der Welt der Blockchain und der Kryptowährungen, wo mediale Erzählung zum Versprechen von Wachstum und Profit wird. Im Falle des Weltraumbergbaus könnte man auch von „Ressourcenfiktion“ sprechen.

Die Industrie konstruiert Vorstellungen von der Zukunft des Weltraumbergbaus. Der hat sich seit den 1960er Jahren stark verändert, als Weltraumforschung allgegenwärtig wurde und wir uns an einzelne spektakuläre Bilder von Neil Armstrong auf dem Mond erinnern. Doch in dem Moment, in dem sie produziert wurden, wurden sie bereits politisch verwendet, dienten auch als heroische Bilder von Nationen, die neue Grenzen erobern. Heute haben wir keine Nationalstaaten mehr, die ihre Flaggen auf dem Mond aufstellen, sondern ein ganzes Werbegenre, in dem die Technologie zum Hauptdarsteller wird. Es ist jetzt nicht der erste Schritt des Menschen, sondern der Rover, der die Oberfläche nach nutzbaren Ressourcen absucht.

Weshalb haben Sie für Ihre Installation den Titel „Down to Earth“ gewählt?

MM: Das ist eine Redewendung, die im Englischen eine bodenständige, geerdete Person beschreibt, in Dualität zu unserer Fallstudie, dem Mond. Der Titel beinhaltet auch den Moment, wie dieses ganze Unterfangen unser Leben auf der Erde, unsere Beziehung zu Ressourcen, unsere Beziehung zur Umwelt prägen wird.

Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

FC: Luxemburg ist eines der Schlüsselländer des Weltraumbergbaus und beteiligt sich an dem, was man als neues Weltraumrennen bezeichnen könnte. Das hat auch eine internationale Bedeutung.

MM: Vor ein paar Jahren waren die USA, Luxemburg, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan die ersten vier Länder, die es ihren Unternehmen erlaubt haben, auf dem Mond Bergbau zu betreiben. Es gibt auch eine Abteilung der Europäischen Weltraumorganisation für Ressourcen, die ihr Zentrum in Luxemburg hat. Luxemburg positioniert sich als Vorreiter in dieser Branche.

Was hat das alles mit Architektur zu tun?

MM: Es gibt immer eine Debatte unter Architekt:innen: Was ist eigentlich Architektur? Architekturdiskussionen müssen einen Weg finden, um mit der Besessenheit von gebauter Architektur zu brechen und eher Umgebungen zu betrachten. Für uns stellt sich die Frage nach den Ressourcen, die unsere Lebensumgebungen ausmachen. Bisher wurde nur sehr wenig Forschung in Bezug auf die extraterrestrischen Ressourcen betrieben.

Um ein plastisches Beispiel zu nennen: In den ersten Diskussionen über den Weltraumbergbau wurde Lithium als eine der seltenen Erden vorgestellt, die aus Asteroiden gewonnen und zur Erde zurückgebracht werden könnte. Viele Länder leiden unter dem Lithiumabbau und der unglaublichen Umweltzerstörung, die damit einhergeht, unter der Prämisse von Elektrofahrzeugen als eine Greenwashing-Kampagne von nachhaltiger Mobilität.

Wir haben für unser Projekt mit vielen Ak­teu­r:in­nen im Bereich des Weltraumbergbaus gesprochen, und Konsens ist, dass sie den Mond derzeit als eine Art Tankstelle zum Mars oder anderswo betrachten, wo die gesamte Infrastruktur zum Aufladen von Raketen und anderen Mobilitätsgeräten gebaut wird, die dann anderswo eingesetzt werden.

Sie haben im Pavillon ein Spacelab aufgebaut. Was genau ist die Funktion dieser Labore?

FC: Das Spacelab im Pavillon ist ein Archetyp, der bereits als Labor existiert. Wir haben mindestens zwei in Luxemburg und einige andere auf der Welt. Diese Labore werden entweder von Forschenden der Uni­versität oder von privaten Unter­nehmen genutzt, um mit der Nachbildung der Mondlandschaft ihre Programme zu trainieren, um nach Mineralien zu suchen.

MM: Wir sehen das Mond­labor in gewisser Weise als Theaterbühne. Die verschwimmenden Grenzen zwischen dem Labor als wissenschaftlicher Raum und dem Theaterraum oder den Medienstudios, in denen die Bilder produziert werden, waren für uns ein Ausgangspunkt. Wir sehen diese Art von performativem und medialem Aspekt der Industrie als einen entscheidenden Bereich, auf dem diese Industrie aufgebaut ist.

Luxemburg wird wegen seiner Unternehmens- und Steuerpolitik kritisch betrachtet. Haben Sie sich auch damit auseinandergesetzt?

MM: Wir haben uns mit dem wirtschaftlichen und politischen Umfeld befasst, das ist ein wichtiger Ausgangspunkt für diese Debatte. Unsere Forschung hat nicht zufällig in Luxemburg begonnen.

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