Architektur des Ankommens: Plattenbau ausgeschlossen
Hamburg baut gerade im Eiltempo Tausende Sozialwohnungen. Billigbauten soll es zwar nicht geben, aber es wird eng in den neuen Wohnungen.
Nun kann die Behörde Wohnungen als Flüchtlingsunterkünfte deklarieren und so die oft langwierige Entwicklung von Bebauungsplänen umgehen und sich über bereits gültige Bebauungspläne hinwegsetzen. „Billigbauten“ im Plattenbau-Stil sollen die neuen Expresswohnungen aber nicht sein – es werde fachgerecht „Stein auf Stein“ gebaut.
Bauen sollen die Unterkünfte Genossenschaften und private Unternehmen. „Es gilt der Standard des sozialen Wohnungsbaus, wir halten uns an die Auflagen zum Lärmschutz, zum Brandschutz oder zur Isolierung“, sagt Kutz. Äußerlich sollen die neuen Wohnungen von anderen Neubauten nicht zu unterscheiden sein.
Welche Materialien verwendet werden, bleibe den Bauunternehmen überlassen. Die Wohnungen werden jedoch eng belegt: Wo sonst zwei bis drei Menschen wohnen, sollen im Durchschnitt fünf Bewohner Platz finden. So will die Behörde bis Jahresende rund 20.000 Flüchtlinge in den Sozialwohnungen unterbringen.
Mit dem Bau dieser sogenannten Expresswohnungen wird voraussichtlich am Mittleren Landweg in Bergedorf und Am Elfsaal in Wandsbek begonnen. Der städtische Betreiber Fördern und Wohnen wird die Wohnungen 15 Jahre lang mieten und unterhalten. Danach werden die Wohnungen auf dem freien Markt angeboten, jeweils 2.000 Menschen sollen dann in den neuen Quartieren wohnen.
Für Investoren bietet die Bauoffensive des Senats klare Anreize: kein Mieterwechsel, kein Leerstand, wenig Risiko. Doch in der Immobilienbranche gibt es kritische Stimmen. „Wenn Menschen einer Nationalität auf engem Raum leben, entstehen Monostrukturen, die den Stadtteilen nicht gut tun“, sagt der Direktor des Wohnungsverbandes VNW, Andreas Breitner.
Eine Alternative könne er angesichts des Zeitdrucks allerdings nicht aufzeigen. „Wichtig ist vor allem ein gutes Sozialmanagement, um eine Gettobildung zu verhindern.“ Ob der Plan des Senats aufgehe, hänge überdies weniger von den verfügbaren Flächen, sondern von den Kapazitäten der Baubranche ab. „Ich bezweifle, dass genügend Baufirmen mit entsprechenden Fachkräften gefunden werden und in dem engen Zeitraum bauen“, sagt Breitner.
In Eppendorf regte sich bereits Protest gegen rund 180 geplante Expresswohnungen in einem Gewerbegebiet an der Osterfeldstraße. In einer Bezirksversammlung liefen am Montagabend Gewerbetreibende dagegen Sturm, sie fürchten, wegen des Lärms mit Klagen überzogen zu werden, wenn nebenan Wohnungen sein werden.
Dass es sich um ein „sehr ambitioniertes Projekt“ handelt, räumt auch Behördensprecher Kutz ein. Ängste und Vorbehalte von Anwohnern seien ernstzunehmen. „Wir setzen bei allen Bauprojekten auf frühzeitige Informationsveranstaltungen“, sagt er. „Wir müssen mit Anwohnern über das soziale Miteinander reden, Angebote schaffen, etwa mit Schulen und Kitas zusammenarbeiten.“
Wenn die fertigen Bebauungspläne vorliegen, sei es zudem möglich, einzelne Wohnungen für eine „bessere Durchmischung der Bewohner“ neu zu vermieten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung