Arbeitssituation bei Lieferdiensten: Unwürdige Arbeit

Am Internationalen Tag der menschenwürdigen Arbeit fordern Rider und Gewerkschaften in Berlin bessere Bedingungen bei Lieferando & Co.

Lieferando-Fahrräder stehen in der Zentrale des Lieferservice in Berlin.

Nicht immer verkehrstüchtig: Fahrräder von Ridern Foto: Gregor Bauernfeind/dpa

Berlin taz | Arbeiten bei schlechtem Wetter sind Rider ja gewohnt – der leichte Nieselregen am Montagnachmittag konnte sie also nicht schrecken. Anlässlich des Internationalen Tags der menschenwürdigen Arbeit haben sie sich zusammen mit Ge­werk­schafts­ver­tre­te­r*in­nen vor dem Roten Rathaus in Mitte versammelt, um auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen.

„Die Menschen werden um ihren ohnehin schon geringen Lohn betrogen“, nennt Sebastian Riesner von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) eines der Probleme. So würden erbrachte Leistungen teilweise nicht in den Lohnabrechnungen auftauchen. Doch auch Lieferdienste müssten sich an Arbeitsrecht und Sozialstandards halten.

„Wir versuchen schon seit längerer Zeit, bei Lieferando Tarifverträge durchzusetzen“, sagt Riesner. „Doch sie weigern sich, sich mit uns an einen Tisch zu setzen und darüber zu verhandeln.“ Zwar gebe es mittlerweile vereinzelt Betriebsräte, das reiche jedoch nicht aus. „Wir müssen zeigen, dass wir das nicht akzeptieren. Dazu brauchen wir einen langen Atem.“

Dass bei den Lieferdiensten einiges im Argen liegt, ist mittlerweile auch beim Senat angekommen. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) kontrolliert regelmäßig Lieferdienste und inspiziert dabei etwa die Sicherheit der Fahrräder. „Nicht schön“ sei es, was er da schon alles erlebt habe, sagt Lagetsi-Direktor Robert Rath. „Die Unternehmen sind an allem interessiert, aber nicht am Arbeitsschutz der Rider.“

Rider werden über ihre Rechte aufgeklärt

Unsichere Arbeitsmittel, zu schwere Rucksäcke, Angriffe auf Rider im Straßenverkehr und in Restaurants, sexuelle Belästigung – die Probleme der Ku­rier­fah­re­r*in­nen sind vielfältig. Um die meist migrantischen Ku­rie­r*in­nen über ihre Rechte aufzuklären, hat das Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit einen englischsprachigen Flyer erstellt, der am Montag bei einer Radtour an die Rider verteilt wird.

Das Faltblatt klärt über Sozialstandards in Deutschland wie die Höhe des Mindestlohns (12,41 Euro), die wöchentliche Maximalarbeitszeit (10 Stunden am Tag/48 Stunden die Woche) oder das Recht auf bezahlten Urlaub (4 Wochen) auf. Auch ganz praktische Tipps sind darin enthalten, etwa was im Fall eines Arbeitsunfalls zu tun ist. Die würden von den Lieferdiensten nicht immer als solche anerkannt, sagt Robert Rath. Und das, obwohl die Rider auf ihren teils nicht einmal verkehrstüchtigen Fahrrädern rücksichtslosen Au­to­fah­re­r*in­nen schutzlos ausgeliefert sind.

Für den Schutz der Rider brauche es mehr Unterstützung durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), sagt Gewerkschafter Riesner. Dort gebe es zwar offene Ohren, es passiere jedoch wenig.

Doch auch die Kun­d*in­nen müssten sich über die Arbeitsbedingungen im Klaren sein. Lagetsi-Direktor Rath hat für die wenig Verständnis: „Menschen legen Wert auf nachhaltige Lebensmittel und lassen sich dann Essen in den zwölften Stock ohne Aufzug liefern.“

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