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Arbeitsgruppe zur KindergrundsicherungMehr Geld für Kinder

Für Familienministerin Spiegel ist die Kindergrundsicherung ein Kernprojekt. Am Dienstag startet dazu nun eine Arbeitsgruppe.

Eine „Kampfansage gegen Kinderarmut“ soll die Kindergrundsicherung sein Foto: Florian Mühlanger/imago

Berlin taz | Für Familienministerin Anne Spiegel ist es eines der wichtigsten Vorhaben in der aktuellen Legislatur: die Kindergrundsicherung. Die Grünen-Politikerin bezeichnet den Plan der Ampel-Koalition, Kinder so rasch, so leicht und so nachhaltig wie möglich aus der Armut zu holen, gern als Paradigmenwechsel, als eine „Kampfansage gegen Kinderarmut“ in Deutschland. „Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen“, sagt Spiegel.

Jetzt soll es tatsächlich losgehen. Am späten Dienstagnachmittag will eine Arbeitsgruppe, welche die Kindergrundsicherung detailliert ausarbeiten soll, loslegen und sich zum ersten Mal treffen. Neben den naheliegenden Ressorts – Spiegels Familienministerin, das Arbeitsministerium und Finanzministerium – sollen auch das Bildungsministerium sowie das Bauministerium mit dabei sein. Letztere unter anderem wegen direkter Auswirkungen der Grundsicherung auf das Bafög sowie beim Wohngeld. Geleitet werden soll das Team von Spiegel selbst.

Aktuell gibt es über 150 verschiedene familienpolitische Leistungen, darunter so bekannte wie Kindergeld, Kindergeldzuschlag, Elterngeld, Zuschüsse für Kitabetreuung, Ehegattensplittung. Das ist ein oft nur schwer zu durchdringender Paragrafendschungel, der viele Bedürftige davon abhält, für die eine oder andere Maßnahme einen Antrag zu stellen. Das will Spiegel jetzt ändern.

Zusatzbetrag soll vom Einkommen abhängen

So sollen verschiedene Leistungen „in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung“ gebündelt werden, heißt es aus ihrem Ministerium. Konkret heißt das, dass etwa Kindergeld, Kindergeldzuschlag für Familien mit einem geringen Einkommen, Teile von Hartz-IV und Leistungen aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket sowie Lernförderungen und Kostenübernahmen bei Klassenfahrten in der Kindergrundsicherung zusammengefasst werden sollen. Dadurch soll es leichter werden, das Geld zu beantragen. Die „Kindergrundsicherung soll möglichst ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihre Chancen grundlegend verbessern“, so Spiegel.

Die Kindergrundsicherung soll eine Kombination aus einem sogenannten Garantiebetrag sowie einem Zusatzbetrag werden. Während der Garantiebetrag allen Familien in gleicher Höhe gezahlt werden soll, wird der Zusatzbetrag vom Einkommen der Familien abhängen. Die Höhe beim Zusatzbeitrag soll also je nach Familieneinkommen gestaffelt werden: Familien mit einem geringeren Einkommen erhalten einen höheren Zusatzbeitrag als Familien, die etwas mehr in der Haushaltskasse haben. Wie hoch sowohl der Garantiebetrag und der gestaffelte Zusatzbeitrag ausfallen werden, steht noch nicht fest. Darum soll sich die Arbeitsgruppe kümmern.

Die Kindergrundsicherung soll eine Kombination aus Garantiebetrag und Zusatzbetrag sein

Wann die Kindergrundsicherung kommt, ist unklar. Jedoch nicht vor 2023, wie Spiegel kürzlich sagte. Für die Übergangsphase hatte die Ampel-Koalition im Februar einen Kindersofortzuschlag in Höhe von 20 Euro beschlossen. Den soll jedes Kind ab kommenden Juli jeden Monat bekommen.

Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland wächst laut der Bertelsmann-Stiftung in Armut auf. Das sind 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. 1,2 Millionen Kinder leben in Familien, bei denen kein Elternteil erwerbstätig ist.

In diesen Familien liegt das Armutsrisiko laut des Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos, welches das Familienministerium berät, bei 66 Prozent. Hat ein Elternteil zumindest einen Teilzeitjob, verringert sich das Risiko auf 28 Prozent. Daher soll die Kindergrundsicherung laut Prognos auch solche Maßnahmen enthalten, die Eltern verstärkt in den Arbeitsmarkt bringen. Hierbei stehen unter anderem der weitere Kita-Ausbau und bessere Betreuungsmöglichkeiten für Schulkinder im Vordergrund.

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5 Kommentare

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  • Es wäre schön, wenn die Mittagstischinitiativen und Kinder-Tafen überflüssig würden, aber trotzdem noch einen Treffpunkt für Kinder aus Familien bieten könnten, deren Eltern etwas überfordert mit Freizeitgestaltung sind.

    Eine GRUNDsicherung ist ja auch dringend nötig, wenn man hört, dass einige Kinder an einigen Schultagen gar nichts zu essen bekommen, bis sie wieder zu Hause oder eben bei der Kindertafel sind. So lernt es sich natürlich schlecht!

    @DIMA Wenn die Eltern ihre Grundbedürfnisse gesichert haben, selbst wenn das welche sind, denen nicht jeder zustimmen würde, haben sie Geld und Kapazitäten, die der Kinder zu sichern. Einige Eltern werden das in umgekehrter Folge machen und sich jetzt schon vieles für die Kinder vom Munde absparen. Aber die Chance, dass die Kinder dann angemessenes Essen, Kleidung, Lernmittel, Spielzeuge bekommen ist höher als vorher.



    Ich kenne aus meiner Schulzeit und auch von späteren Generationen noch Geschichten, dass wochenlang das Reclamheft nicht gekauft wurde, weil kein Geld dafür übrig war. Und der Schüler sich in jeder Stunde neue Vorwürfe anhören musste, weil er nicht sagen wollte, "Mama hat das Geld gerade nicht". So ein Reclamheft ist wirklich günstig und ja, Mama hat manchmal wirklich das Geld gerade nicht, weil sie Essen und Waschmittel kaufen muss.

    • @BlauerMond:

      Zur Sicherung der Kinderarmut wäre es nach Ihrem Beispiel dann jedoch viel besser, wenn den Kindern das "Reclamheft" direkt von der Schule gestellt werden würde. Das würde helfen und verhindern, dass die Eltern das Geld anderweitig nutzen.

  • Wenn du nicht mehr weiter weiß gründe einen Arbeitskreis.

    Das Thema ist so alt wie die Menschheit.

    Aber ich weiß jetzt schon was dabei rauskommt: Das was in den letzten Jahrzehnten schon dabei rausgekommen ist - Heisse Luft, Worthülsen en masse und reichlich Pressetamtam.

    Ich hätte mir diesen bissigen Kommentar ja gerne erspart aber da ja immer nur gelabert aber nie was verbessert wird konnte ich die Finger einfach nicht still halten ...

    • @Bolzkopf:

      Oh weh, noch `ne *AG*. Der Satz MUSS einem ja geradezu in den Sinn kommen. Bei mir war er auch gleich da. Doch in Sachen Kindergrundsicherung ist er bei mir trotzdem auch mit Hoffnungen verbunden. Ob die bloß idealistisch sind? Wer weiß? Eben, denn diesmal ist eine sozusagen Ressort übergreifende Arbeitsgruppe sachlich fast zwingend notwendig, der Artikel verweist darauf. Und diese Vorgehensweise eröffnet Chancen, eine Grundsicherung ihrer Sache nach, den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, tatsächlich auch von diesem Ziel her auszugestalten. Es geht in der Höhe der Grundsicherung mindestens um eine ausreichende. Und „ausreichend“ kann nur bedeuten, die Lebensbedürfnisse von Kindern umfassend zu erfassen und zu berücksichtigen: Wohnen, Bildung und so vieles mehr. Selbst wenn diese Querschnittaufgabe die gemeinsamen Beratungen von Ministerien nicht unbedingt erforderlich machen würden, diese können, wenn man da von Seiten der Beteiligten engagiert für die Kinder und nicht bloß für die eigene Regierungspartei daran geht, für eine solche Sache sehr förderlich sein. Eine solche Arbeitsgruppe kann in diesem Sinn erst den durchaus weiten Horizont bearbeitbar abstecken, den es für die Gestaltung einer Grundsicherung braucht.



      Man wird sehen, ob die „Fortschrittskoalition“ ihrem selbstgewählten Namen da gerecht wird. Bemerkenswert ist die dafür gewählte (sozial-)politische Methode in der Tat. Das zu verfolgen kann spannend werden. Man denke mal an die Situation in anderen politischen Feldern der Koalition. Gegenwärtig beton das Landwirtschaftsministerium ja zum Beispiel, für die sozialpolitischen Fragen, die sich aus einer Produktionsumstellung der Landwirtschaft ergäben (Ernährungslage) könne man nun mal nicht direkt zuständig sein. Das wird seine richtigen Gründe haben. Aber – ein Ressort übergreifendes Handeln, das ist schon neu und spannend.

  • Das Problem am vorgesehenen Konzept ist, dass die Zahlungen an die Eltern gehen. Bei keinem Kind kann daher sicher gestellt werden, dass eine etwaige Armut bekämpft wird, da die gezahlten Leistungen durch die Eltern auch anderweitig genutzt und verbraucht werden können.