Arbeitsgerichtsklage nach Jobabsage: Ein Mensch möchte gleichstellen

Die Ostfalia-Hochschule hat einen* nicht-binären Bewerber für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten abgelehnt, weil nur eine Frau in Frage komme.

Menschen unter einem Schirm in den Farben des Regenbogens

Die Gleichstellungsbeauftragte soll viele Gruppen schützen und in Niedersachsen eine Frau sein Foto: Sebastian Kahnert/dpa

HAMBURG taz | Mathias Weidner hat den weitaus größten Teil seines* Berufslebens Genderfragen und der Gleichstellung gewidmet. Umso mehr wurmt es Weidner, dass auf seine* Bewerbung um das Amt der Gleichstellungsbeauftragten der Ostfalia-Hochschule eine Absage kam. Die Begründung: Die Stelle sei zwingend mit einer Frau zu besetzen. Weidner hält die Begründung für nicht mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vereinbar und klagt nun vor dem Arbeitsgericht Braunschweig.

Weidner kann einen Master-Abschluss in Soziologie und Gender Studies vorweisen und sieht sich selbst als non-binär. In seiner* Bewerbung weist Weidner darauf hin, „dass ich meinen Gender-Eintrag aus sämtlichen Registern streichen lasse, aber nicht zu ‚Frau‘ ändere“.

Ein Vergleichsangebot der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften lehnte Weidner bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ab. „Ich möchte das grundsätzlich geklärt haben, wenigstens in Niedersachsen, aber am liebsten in ganz Deutschland“, sagt Weidner. Die Länder Hamburg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt lassen bereits alle Geschlechter für dieses Amt zu. „So eine Ablehnung wird mir immer wieder begegnen, es sei denn, ich ändere etwas daran – mangels Alternativen eben über eine AGG-Klage.“

Letztlich geht es bei dem Streit um die Frage, ob das Amt der Gleichstellungsbeauftragten, das aus der Frauenbewegung hervorgegangen ist, weiterhin nur Frauen vorbehalten sein soll – oder ob sich das überlebt hat.

Mathias Weidner will Gleichstellungsbeauftragte werden

„So eine Ablehnung wird mir immer wieder begegnen, es sei denn, ich ändere etwas“

Auf die Bewerbung hatte Weidner nach einigen Wochen zunächst eine Standard-Absage bekommen und daraufhin nach eigenen Angaben eine Ungleichbehandlung nach dem AGG geltend gemacht. Tags darauf sei eine Absage unter Verweis auf das niedersächsische Hochschulgesetz gekommen. Darin heißt es: „Der Senat wählt auf Vorschlag der Kommission für Gleichstellung eine Gleichstellungsbeauftragte.“ Auch gegenüber der taz verweist die Hochschule auf dieses Gesetz, möchte sich aber wegen des laufenden Verfahrens nicht zu dem Fall äußern.

Für Niedersachsen außerdem maßgebend ist das Gleichberechtigungsgesetz des Landes. Darin wurde der Begriff „Frauenbeauftragte“ bei der jüngsten Novelle 2010 durch „Gleichstellungsbeauftragte“ ersetzt. In der Handreichung dazu heißt es: „Die Umbenennung der bisherigen ‚Frauenbeauftragten‘ in ‚Gleichstellungsbeauftragte‘ ergibt sich aus ihrer erweiterten Befugnis zur Vertretung auch von Männerinteressen.“

Auch das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur hält die Beschränkung auf Frauen für rechtlich zulässig. „Diese Ansicht wird von der einschlägigen Kommentarliteratur geteilt“, erklärt eine Sprecherin. Das AGG erlaube eine ungleiche Behandlung aufgrund des Geschlechts, „wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt“.

Angesichts der faktischen gesellschaftlichen Ungleichheit von Männern und Frauen könne „nur durch gleichgeschlechtliche Gleichstellungsbeauftragte tatsächlich etwas zur Gleichstellung der Geschlechter beigetragen werden, da die weiblichen Beschäftigten der Hochschule sich diesen eher anvertrauen dürften“. Außerdem gehe es bei der Tätigkeit auch darum, „Interessen von Frauen entgegen den Vorstellungen der Männer wahrzunehmen“. Erst Recht gelte das für Fälle sexueller Belästigung, so die Sprecherin.

Weidner hält es für ein „Geschlechterstereotyp, es sei nur für Frauen typisch, sexuell belästigt zu werden“. Eben dieses Stereotyp habe Weidner davon abgehalten, mit 19 jemanden um Unterstützung zu bitten. Weidner selbst wiederum sei in vielen Fällen von weiblichen Betroffenen angesprochen worden – auch als Erstkontakt. Zudem sei es eher unüblich, dass sich Betroffene an das zentrale Gleichstellungsbüro der Hochschule wandten.

Erfolgreiche Netzwerkarbeit

Weidner will auch das Argument nicht gelten lassen, der Beauftragte müsse eine Frau sein, weil er sich mit Frauen-Netzwerken verbinden müsse. Seine* eigene erfolgreiche Netzwerkarbeit spreche dagegen. Weidner war von 2016 bis 2020 Gender- und Diversity-Manager am Campus Suderburg der Ostfalia-Hochschule.

Im Übrigen ließen Erkenntnisse zum Thema Diskriminierung sich nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch durch die kritische wissenschaftliche Betrachtung der Geschlechterverhältnisse in den Gender Studies gewinnen. „Deren Erkenntnisse sind erlernbar von Personen jeden Geschlechts“, sagt Weidner.

In der Frage, ob die Stellen von Gleichstellungsbeauftragen nur mit Frauen besetzt werden dürfen, sieht Weidner „Parallelen zu anderen über Geschlechterstereotype geführten Machtkämpfen“. Ob man Frauen Führungspositionen zutraue und Männern die Kinderbetreuung, sage nichts über die Qualifikation einer einzelnen Person.

Mit der Klage vor dem Arbeitsgericht geht es Weidner um den Charakter der Gleichstellungsbeauftragten: „Ist das eine politische Repräsentanz oder ein Job wie jeder andere?“ Im zweiten Fall dürfe das Amt nicht für Frauen reserviert werden. Sollte das Gericht einen Schadensersatz festsetzen, würde Weidner diesen an zwei Alumni-Vereine der Hochschule spenden.

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